Yvonne Habenicht

Quatsch mit Hund und Hase

Willi, der Dackel, spurtet über die Wiese, gerade sieht er noch die leuchtende Lampe von Hoppel, dem Hasen, in einem Loch verschwinden.
 „Na, das denkste wohl, dass du mir entkommen kannst!“, bellt er und rast auf das Loch zu. Schwups, hat er schon die Nase drin im Hasenbau, und gleich sieht man nur noch die Spitze von seiner zuckenden Rute. Aber das ist gar nicht so einfach, einen Hasen in seinem engen Bau zu fangen, besonders dann nicht, wenn man in der Eingangsröhre steckt, sich nicht drehen und wenden kann. Willis Schnelligkeit nutzt ihm hier nichts. Da beißt ihn der verfluchte Hase doch in die Nase und schnappt weiter, während Willi sich mühsam rückwärts aus dem Erdtunnel windet. Kaum hat er erleichtert das Sonnenlicht wieder erblickt, da rast dieser verrückte Hase auf ihn zu, als wolle er sich auf ihn stürzen.
 „Na warte. Nun schlägt’s dreizehn!“, bellt Willi wütend.
 Doch gerade, als er sich auf das freche Vieh stürzen will, hat der Hase einen Haken geschlagen und ist nun hinter ihm. So treibt er es eine ganze Weile, und der Dackel dreht und dreht sich nach ihm, bis er nur noch um die eigene Achse kreiselt und schließlich schnaufend im Gras alle Viere von sich streckt und bloß noch Sterne sieht, so schwindlig ist ihm. Was für eine Schande, über ihm erhebt sich der Hase. Dem Willi mit seinem benebelten Kopf erscheint er beängstigend groß. Es ist auch wirklich nicht gerade ein kleines Exemplar von einem Hasen.
 „Na, du krummbeiniger Großkotz“, brummt drohend der Hase, „jetzt guckst du blöd aus der Wäsche, was? Denkst wohl, mit uns kannst du alles machen. Von wegen. Meinst du, ich bin so doof, dass ich mich von einem wie dir fangen lasse? Und überhaupt, was suchst du hier auf unserer Wiese?“
 Der Dackel schnappt noch immer nach Luft, und alles dreht sich. Er schnauft: „Ich bin da, um Hasen zu jagen. Das ist meine Aufgabe, meine Natur. Und überall, auf der Wiese, im Wald, im Garten, überall. Ich bin ein kluger Jagdhund und du nur ein dummer Hoppelpoppel.“
 „Das ich nicht lache. Klug, du? Kannst noch nicht mal einen Haken schlagen, drehst dich wie ein Brummkreisel, das nennst du Jagd? Du überlebst doch nur, weil dich die Menschen hegen, pflegen und füttern. Ich aber, ich bin frei und brauche niemand, der mir einen Napf voll Dosenfutter hinstellt. Du ein Jagdhund? Quetschst dich in meinen Bau, und da hast du gesteckt wie ein Wurst im Darm. Kannst von Glück sagen, dass ich dir deine neugierige Nase nicht abgebissen habe.“
 „Angeber, du. Ich bin ein Hund, ich kann viel doller beißen.“
 „Selber Angeber. Ich bin ein Nagetier und kriege alles kurz und klein.“
 „Ja, ja. Und von wegen: deine Wiese! Ich kann laufen wo ich will. Die Wiese gehört dir nicht. Zeig mal den Mietvertrag. Ich aber habe eine richtige Wohnung in einem Haus mit Menschen und kuscheligen Möbeln, einen eigenen Korb, Spielzeug, und nachts darf ich im Bett schlafen, du Höhlentier.“
 „Pähh!“, macht der Hase und saust Haken schlagend davon.
 Willi hat das Nachsehen und wackelt verärgert zum Haus zurück. Aber den will er noch kriegen, dem will er es noch zeigen. Vor dem Nachbargarten sitzt Tuffi, die hübsche Pudelhündin. Was sieht die wieder schick aus. Hoffentlich hat die seine Blamage nicht mitgekriegt. Sie guckt ihn zwar ohnehin kaum an, außer wenn ihr ganz doll langweilig ist, aber dann hätte er gar keine Chancen mehr.
 Herrchen und Frauchen dürfen das natürlich auch nicht wissen. Gleich schaut er im Flur in den Spiegel. Nein, von dem Hasenbiss in die Nase ist nichts zu sehen. Da sieht man es mal, die können eben doch nicht richtig beißen. Oder hat der vielleicht nicht richtig zugebissen, weil er ihn nicht ernst genommen hat? Soweit käm’s noch. Jedenfalls fällt er erst mal über seinen Fressnapf her, als wäre es der Hase. Hm, lecker, so was hat so ein Hase nicht.
 Am nächsten Tag ist Willi allein zu Hause.  Plötzlich hört er ein komisches Geräusch an der Tür. Gleich mal sehen, was da los ist. Schließlich hat er jetzt die Verantwortung für das Haus.
 Davon abgesehen, ist ihm auch recht langweilig so alleine, und etwas Abwechslung wäre ganz schön. Vielleicht ein Vertreter vor der Tür, den man ankläffen kann, oder gar der Briefträger, der immer Abstand hält, nachdem Willi ihm mal in den Fahrradreifen gebissen hat. Aber als Willi mit seiner Nase die Klappe über dem Briefschlitz hochschiebt, erblickt er doch wirklich und wahrhaftig den Hasen Hoppel. So eine Frechheit. Der traut sich wirklich hierher, an sein Haus, in seinen Garten! Willi bellt, knurrt und springt gegen die Tür. Draußen hört er Hoppel kichern, was ihn noch wütender macht. Dann ist der Hase weg. Na also, hat der doch Angst gekriegt.
 Gleich aber erstarrt Willi fast zur Salzsäule, er glaubt seinen Augen nicht zu trauen: Dieser entsetzliche Hase hockt doch mitten auf dem Sofa, auf seinem, Willis, buntem Kissen. Das geht zu weit. Nun lacht der auch noch, laut und respektlos. Willi ist so perplex, dass er erst nicht mal ans Bellen denkt und den Hasen ganz unkämpferisch ansieht.
 „Siehst du“, grinst der Hase, „du auf meiner Wiese, ich in eurem Haus.“
 „Einbrecher, Räuber, Krimineller“, bellt Willi, „die Wiese ist für alle, das Haus ist aber  meins.“ Um seine Worte zu bekräftigen knurrt er tief und lange.
 Unbekümmert beginnt der Hase an Willis Kissen zu nagen. „Zeig mir doch den Mietvertrag“, äfft er Willis Worte von gestern nach.
 „Ich zeig’s dir, du Lümmel, du blöder!“
 Doch Hoppel hat schon Reißaus genommen und sitzt jetzt auf dem Tisch hinter einer Blumenvase. Willi setzt zum Sprung an, Kunststück, so ein Tisch ist doch kein Hindernis. Bums, da kullert die Vase auf ihn zu, das übel riechende Blumenwasser ergießt sich auf seinen Kopf. Begleitet vom Hasengelächter schüttelt er das Wasser und die Blumen aus dem Fell. Wie ekelhaft. Nun hält ihn gar nichts mehr. Wutentbrannt rast er hinter dem flüchtenden Hasen her. Durch die Diele, über die Kommode, wobei Bürsten, Merkzettel und das Sparschwein herunterfallen, durch die Küche. Da geht die Kaffeekanne zu Bruch, Blumentöpfe poltern vom Fensterbrett, ein Topf mit Möhreneintopf ergießt sich vom Herd auf den Boden und über beide Tiere. So verschmiert sausen sie durch die Betten im Schlafzimmer, über die Frisierkommode, von der Parfumflaschen und Puderdosen fallen. Auf beider Fell kleben nun nicht nur Möhren, sondern auch Puder und Creme, und sie stinken nach mindesten drei Sorten Parfum.
 Am Ende sitzen sie einander völlig erschöpft gegenüber und betrachten ziemlich bedeppert das Chaos, das sie in der Wohnung angerichtet haben. Willi fühlt sich ganz elend, wenn er daran denkt, was es setzen wird, wenn Frauchen und Herrchen nach Hause kommen. Hoppel schnuppert angewidert an seinen Pfoten. So kann er auf keinen Fall in seinen Bau kommen. Die Häsin wird ihn mit einem Ast verprügeln, und seine Kinder werden sich totlachen, wie er aussieht und stinkt. Gemeinsam verübtes Unheil verbindet. Darum vergessen beide, dass sie eigentlich Feinde sind. Es wird ihnen nicht gelingen, die Wohnung wieder in Ordnung zu bringen, aber vielleicht können sie sich selbst wenigstens säubern.
 Willi gibt auf, es mit Schütteln zu versuchen. „Weißt du was?“, sagt er zu Hoppel, „wir baden erst mal.“
 „Prima, und wie?“ Hoppel hat zwar noch nie gebadet, doch sein Zustand erfordert drastische Maßnahmen. Willi wackelt voran zum Bad, springt in die Wanne und müht sich mit Zähnen und Pfoten am Warmwasserhahn ab, bis endlich das Wasser plätschert. Dann schnappt er sich den Stopfen und steckt ihn in den Ablauf, wie er es seinen Menschen abgeguckt hat.  Einen Moment noch zögert Hoppel, doch als er sich mit der Pfote über sein klebriges Ohr fährt, ist er mutig entschlossen mit einem Satz im Wasser. Gar nicht so übel, denkt er. Bald sind sie klitschenass, und das Wasser steigt und steigt. Willi ist das ganz egal, denn er kann so gut schwimmen wie laufen. Aber der arme Hoppe kriegt es mit der Angst. Willi fühlt sich nun für den Nichtschwimmer verantwortlich, denn er hat ihn ja überredet. Also springt er auf den gekachelten Wannenrand und zieht den hilflos um sich schlagenden Hoppel herauf. Sie schütteln sich, Hoppel friert entsetzlich. Beide zittern. Sie trotten einträchtig nebeneinander her zum Schlafzimmer und kriechen unter die Bettdecke. Weil die und das Bett in kurzer Zeit ebenfalls pitschnass sind, wechseln sie ins zweite Bett, dann ins Wohnzimmer auf das Sofa, wo sie sich – schon etwas trockener – unter die flauschige Decke  kuscheln.
 „Was werden deine Leute sagen, wenn sie wiederkommen?“, fragt Hoppel.
 „Daran will ich lieber nicht denken. Am besten wäre es, ich suche vorher das Weite.“
 „Aber erst, wenn du trocken bist. Draußen ist es jetzt am Abend kalt.“
 „Hm. Wo bist du eigentlich reingekommen?“
 „Durch das Fenster da“, und Hoppel zeigt auf ein angeklapptes Fenster.
 „Ganz schön schlau.“
 „Na klar, aber du bist auch nicht so übel. Hast mich aus dem Wasser gezogen, obwohl du ein Hund bist.“
 Willi reibt seinen Kopf an Hoppels feuchtem Ohr. „Weißt du, vielleicht können wir zusammen ganz schön viel Spaß haben.“
 Erst mal gibt es einen Schreck statt Spaß, denn die Haustür öffnet sich, und das nächste, was sie hören ist ein entsetzter Aufschrei von Willis Frauchen und dann Herrchens Stimme: „Einbrecher! Uschi, bleib hier.“ Der Mann macht Licht und sieht die ganze Bescherung, zu allem Übel sickert unter der Badezimmertür ein Wasserbächlein von der längst überlaufenden Wanne heraus. Die Frau kommt nun doch in die Wohnung, kreischt immer wieder auf, wenn sie die nassen Betten mit Brüh- und Möhrenflecken, die Scherben überall, den verstreuten Puder, verschütteten Möhrentopf und Kaffee, die zerbrochene Vase im Zimmer und den großen Wasserfleck auf dem schönen Teppich sieht.
 „Vandalen, Verbrecher!“, schreit der Mann, „welche Unholde machen denn so was?“
 „Oh Gott, der arme Willi!“, ruft die Frau, „wo ist der Willi? Williiii! Williii!“
 Willi steckt vorsichtig den Kopf unter der Decke hervor.
 „Willichen, mein Kleiner, mein Armer, was ist bloß passiert. Was waren denn das für böse Einbrecher?“ Sie zieht die Decke von dem zitternden Hund und sieht erstaunt neben ihm einen struwweligen, noch feuchten Hasen. „Sieh mal, Helmut“, ruft sie ihren Mann, „ein Hase auch noch. Die müssen versucht haben, die Tiere zu ersäufen. Die sind noch ziemlich nass. Ach, die Armen.“
 Und sie holt ein Handtuch, frottiert und streichelt und tröstet die beiden Tiere, die einander zublinzeln. Am Ende gibt es noch für Hoppel zwei große Möhren und einen Knochen für Willi.
 Was aus ihnen geworden ist? Dicke Freunde natürlich.

© Yvonne Habenicht, 2005 Deutschland

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.10.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Entscheidung am Bahnhof Zoo von Yvonne Habenicht



Die Geschichte spielt im Berlin der 90er Jahre.

Den beiden Freundinnen Andrea und Sigrid hat im Laufe weniger Monate das Schicksal übel mitgespielt. Mit dem Weihnachtsfest scheint sich eine positive Wende anzukündigen. Andreas Beziehung zu Wilfried Ruge, die anfangs unter keinem guten Stern zu stehen schien, festigt sich. Auch ihre Freundin glaubt in Wilfried ein verlässlichen Kameraden zu sehen. Beide Frauen nehmen ihr Schicksal optimistisch in die Hand.

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