Hans Pürstner

Der vergessene Kunde


 
Der Versandhauskonzern X hat seine Logistiksparte an die Post abgegeben. Die Bank Y wickelt ihren Zahlungsverkehr (!) künftig über einen externen Dienstleister ab. Die Fluggesellschaft Z lässt ihre benutzten Tickets künftig in Indien überprüfen.....
So und ähnlich lesen sich die Schlagzeilen im Wirtschaftsteil der Tageszeitungen.
Die Börse freut´s, die Analysten überschlagen sich mit optimistischen Kommentaren über die künftigen Kosteneinsparungen und die daraus (vielleicht) resultierenden Wertsteigerungen der Aktie.
Die Freude der Betroffenen wird sich naturgemäß in Grenzen halten. Wenn sie nicht überhaupt ihren Job verloren haben, wird sie das Angebot, eine Ersatzstelle im entgegengesetzten Teil der Republik anzunehmen auch nicht vor Begeisterung jubeln lassen. Schon gar nicht die Aufforderung, in Zukunft wieder mehr Stunden zu arbeiten, und das für weniger Geld. Um mit den unbezahlten Überstunden die Arbeit zu leisten, die die entlassenen Kollegen viel lieber machen würden.
Diese werden dann nach kurzer Zeit von Hartz IV genötigt, z. B. in Callcentern zu sitzen, ungebetene Anrufe an genervte Bürger zu tätigen und ihnen mit viel Überredungskunst Bestellungen abzuluchsen. Diese potentiellen Kunden würden viel lieber in einem Fachgeschäft von kompetenten Verkäufer beraten werden. Aber die hat man ja fast alle schon wegrationalisiert.
Nutz man heute das reichhaltige Angebot von Versandhäusern und gibt dann eine Bestellung über mehrere Artikel auf, um sich den zeitaufwändigen Besuch vieler Fachgeschäfte zu sparen, ist die Enttäuschung hinterher groß.
Im Abstand von Tagen drudelt die Ware dann eine nach der anderen ein. Überreicht von total überforderten Paketzustellern, die oft genug nur noch die Benachrichtigungskarte einwerfen, sodass man letztendlich doch zum Postamt muss, um seine Ware zu bekommen. Weg ist sie, die Zeitersparnis.
Aber ein Berufszweig hat eigenartigerweise keine Probleme, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Absolventen der Betriebswirtschaftslehre, die jährlich zu tausenden auf den Arbeitsmarkt strömen.
Sie bevölkern jetzt die Büroetagen der Großkonzerne. Weichen mussten dafür die alten, erfahrenen Praktiker. So ein BWL´er, der muss natürlich auch etwas leisten für sein Gehalt. Aber was hat er tolles gelernt auf der Uni? Rationalisierung, Kostenkontrolle, Ertragsoptimierung. Das heißt, mit dem geringstmöglichen Aufwand (an menschlicher Arbeitskraft) den größtmöglichen Gewinn zu machen. Diese Wissen setzt er dann natürlich ein, ist stolz darauf, tolle Arbeit geleistet zu haben.
Aber ist das Ergebnis wirklich so toll?
Die Kosten sind optimiert, der Gewinn ist maximiert, aber die Allgemeinheit zahlt die Zeche in Form höherer Abgaben, muss immer mehr arbeiten, um mit ihren Steuern und Beiträgen die immer größer werdende Zahl derer zu unterstützen, die auf diese kümmerlichen Almosen gerne verzichten und dafür lieber selbst arbeiten würden.
Nur die Aktionäre sind zufrieden. Aber wie lange noch?
Könnte es nicht sein, dass es bald nichts mehr zu optimieren und maximieren gibt? Weil man die Grundlage für all dies völlig aus den Augen verloren hat.
Den Kunden!
 
 

 
 

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