Hans-Peter Zürcher

Spätherbst

5. November 2005

Bäume und Sträucher kahl, die Gärten gesäubert. Neblig, trist und düster. So präsentieren sich die Tage Mitte November. Und dennoch findet man da und dort einen Farbtupfer in Feld und Flur. Einzelne orange – rote Hagenbutten, die nicht abgelesen wurden. Letzte, vereinzelte rot – goldene Blätter an Sträuchern, die weder Wind noch Regen vermochten wegzuputzen.

Die Waldwege sind mit Herbstlaub über und über bedeckt, das ein lustiges Rascheln und Knacken hervorruft, wenn man darüber schreitet. Und solche Spaziergänge sind in dieser Jahreszeit sehr schön, besonders dann, wenn seichte Nebelchen und lichte Bewölkung ab und zu den blauen Himmel freigeben, der uns dann am Nachmittag  einige wohlig warme Sonnenstrahlen freigibt. Diese Sonnenstrahlen erwärmen dann nicht nur unseren Körper, sondern erhellen unsere Seele und erwärmen auch unser Herz.

Die Schüsse der Jagd samt den Hornrufen sind verstummt und wurden abgelöst durch die Rufe und Schreie von Krähen und Raben. Ganze Völker dieser großen, schwarzen Vögel schwärmen über die gepflügten und abgeräumten Felder, auf der Suche nach Nahrung. Das Wild in Feld und Wald verliert langsam wieder ihre Scheu vor uns Menschen. Rehe zeigen sich hie und da in einer Waldlichtung oder ein Hase hoppelt über Feld und Wiese.

Ein Bächlein, das sich träg durch Wiesen und Wälder schlängelt,  singt leise ein Lied vor sich her, ein Lied von kommen und gehen, von dem woher und wohin. Es setzt uns einen Spiegel auf und wenn wir hinein schauen, können wir unser Gesicht, über uns den Himmel, aber auch den Grund des Bächleins sehen. Den Grund, an dessen wir gebunden sind mit unserer Endlichkeit hier auf Erden und den Himmel, der uns so nah ist und dennoch die Unendlichkeit vor Augen führt. Ein Fischlein guckt uns mit großen Augen fragend an, sein Gleichgewicht haltend, in dem es seine Schwanzflosse durch leichtes hin und her bewegen und seinen Seitenflossen leicht flattern lies, als wäre es ein kleiner Vogel. Was will es uns Mitteilen mit seinem großen Maul, das es stetig auf und zu bewegt und mitunter eine, zwei oder drei Luftblasen aufsteigen lässt. Ein kurzes Zittern und abziehende Ringe auf der Wasseroberfläche zeigen uns an, dass unser stummer Gesprächspartner weiter gezogen ist. Auf eine Reise nach Irgendwo, wie die einzelnen Blätter, die auf dem Wasser an uns vorüberziehen.

Aus Waldlichtungen, Feldern und Gärten steigen weiße Räuchlein auf, die dann, vermischt mit feuchter Erde, Moos und dürren Blättern diese einzigartige Duft -mischung von Herbst entstehen lassen. Dieser Duft lässt in einem auch ein wenig Wehmut und Trauer aufkommen, unwiderruflich geht ein Jahr langsam dem Ende entgegen, entschwindet im Nichts, wie die weißen Räuchlein der Herbstfeuerlein.

Es ist eine Zeit, in der man gerne an liebe Freunde denkt, mit ihnen sich geistig verbunden fühlt, auch wenn sie weit weg sind, in einem anderen Dorf, einer anderen Stadt, in einem anderen Land, oder aber in einer anderen Welt ihre Heimat gefunden haben. Mit diesen Gedanken durchleben wir Erinnerungen, die uns mit Trauer und Freude in ein Wechselbad von Gefühlen eintauchen lässt. Letztendlich wird aber immer die Freude siegen, die Freude auf ein Wiedersehen.

Am späteren Nachmittag wird es nun rasch dunkler. Mit der Dunkelheit verbreiten sich dann wieder Nebelchen zwischen Bäumen und Sträuchern, die mit ihrer Feuchtigkeit auch rasch Kälte über uns fließen lassen. Die Wolken am Himmel haben sich verdichtet, sind wieder näher zusammengerückt und senden uns auf dem Nachhauseweg einzelne Regentropfen zu. Nun gehen wir gerne wieder zurück in unsere Stube oder unser Kämmerlein, die uns mit all ihrer Vertrautheit und Wärme gerne aufnehmen.

Nie Natur hat ihre wohlverdiente Ruhe gefunden. Sie kann sich nun Kraft und Energie zuführen lassen, so, dass es ihr dann im Frühling gelingen möge, Menschen und Tiere mit ihrer verschwenderischen Pracht aufs Neue zu betören. 

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