- 25.11.2005
- Kategorie "Wie das Leben so spielt" (Kurzgeschichten)
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Robert Fischaleck
Der Gedankenflüsterer
In einem Land nahe der untergehenden Sonne war einmal
ein nachdenklicher Familienvater bei seiner Arbeit auf seiner Terasse über
seine Katze gestolpert und hatte sich dabei den Fuß verstaucht.
Zuerst war er wütend auf seine Katze gewesen, muß
die denn immer vor seine Füße laufen, dann war er wütend
auf sich selbst gewesen, weil er nicht aufgepasst hatte, danach war er
wütend auf sich selbst gewesen, weil er so unordentlich war, und in
solcher Unordnung immer solche Dinge geschehen.
Die Katze war erstmal vor ihm davongelaufen und am liebsten
wär er mitgelaufen, aber wie Sie sicher alle wissen, hätte das
wenig genützt.
Er blieb also auf seiner Terasse stehen und fragte sich,
über was er denn nachgedacht hatte, bevor er gestolpert war, aber
es wollte ihm nicht mehr einfallen.
Das stimmte ihn noch nachdenklicher, und er sagte zu
sich selber, dem selben selber, auf das er einige Augenblicke vorher noch
so wütend gewesen war, weil es nicht aufgepasst und er es am liebsten
auf der Terasse stehengelassen hätte, ist es nicht seltsam, sagte
er sich,
Da denkt man so angestrengt über so wichtige Dinge
nach, daß man die Welt um sich herum vergißt, und kaum meldet
sich die Welt zurück, hat man alles wieder vergessen.
Just in dem Moment fiel ihm wieder ein, worüber
er nachgedacht hatte, und mußte sich eingestehen, so wichtig war
das garnicht gewesen, und das stimmte ihn noch nachdenklicher.
Sie ahnen sicher bereits wie die Geschichte weiter geht.
Er wird noch über alles mögliche nachdenken
und noch über alles mögliche stolpern, und dann auf alles mögliche
wütend werden, um dann wieder über alles mögliche nachzudenken.
Bei einer seiner täglichen Nachdenkereien, die inzwischen
einen ziehmlich großen Anteil seiner Zeit für sich beanspruchten,
ohne daß er das wirklich bemerkt hätte;
Also während der ganzen Zeit, in der er über
irgendetwas nachdachte, war er einmal am Ende eines langen Gedankens, beim
zurückblicken auf das wirklich erstaunliche Gebilde, das er soeben
gedacht hatte, so begeistert von diesem seinen Gedanken gewesen, daß
er ihn aufschreiben wollte.
Das Gebilde seiner Gedanken nämlich hatte ihm soeben
plausibel erklärt, daß alles, aber auch alles was geschieht,
wie eine riesige Maschine mit tausenden von Rädern und Schräubchen
und Zahnrädern und kleineren Zahnrädern und immer noch kleineren
Zahnrädern ineinander greift und etwas in Bewegung hält oder
die Bewegung von etwas ist, das wir ALLE unser Leben nennen.
Das Gebilde seiner Gedanken hatte ihm weiterhin und immer
noch plausibel erklärt, daß diese Maschine tadellos funktioniert.
Alles dreht sich wie es sich drehen muß.
Was allerdings fehlt, ist die Freude, was fehlt ist Zufriedenheit,
was fehlt ist ein Lebensgefühl, das genauso überzeugend wie diese
tadellose Maschine, genau den Zweck erfüllt den es erfüllen soll.
Das ist nicht in der Maschine, in keinem einzigen Schräubchen,
nirgendwo und auch nicht dazwischen.
Das ist auch nicht in den Gedanken daran.
Das ist ein Gefühl.
Und für diejenigen, die dieses Gefühl kennen
ist das Leben etwas ganz anderes.
Also ein Gefühl für das was das Leben wirklich
ist, ein Gefühl von Dankbarkeit, Dankbarkeit für ein unglaubliches
Geschenk.
An diesem Punkt wollte sich das Gebilde schon wieder
den Tausend kleinen Tatsachen und Details, also ganz im Sinne der Schräubchen
und Maschinenmanier, den kleinen Unterschieden zwischen den Menschen und
ihrem Verhalten innerhalb der Maschine zuwenden, als irgendetwas in ihm
sagte, he, wart doch mal.
Wo rennst du denn hin?