Robert Fischaleck

Briefe an eine Unbekannte3

 
Das Gescheitseinwollen beenden

Das Gescheitseinwollen beenden.


Draußen hatte es wieder mehr geschneit, aber hier in der warmen Wohnung bemerkte man den Unterschied nicht.
Man, das bin eigentlich ich, und mein Deutschlehrer hat schon immer gesagt, man solle auf das "Man" verzichten, ich hab das nie ganz verstanden, denn es war so viel angenehmer, alle diese belanglosen Einzelheiten einer belanglosen Person zuzuweisen, dem "Man", das sozusagen immer nebenher lief und eine extra Perspektive zu allem hatte, auch ungefragt.
Man konnte tun und lassen was man wollte, immer gab es eine Alternative, eine bessere Möglichkeit, ein noch genaueres, effektiveres, das "man" hätte tun oder wie "man" es hätte lassen können.
Wenn ich also jetzt erzähle, was man alles erlebt hat, dann mein ich das auch so, und nur in den wenigen Fällen, wo ich mir auch ganz sicher bin, daß das wirklich ich war, da werde ich es auch so nennen, ganz egal was "man" oder mein Deutschlehrer dazu sagt.
Wir mochten uns eigentlich, wenn ich alle diese kleinen Situationen richtig interpretiert habe, aber ich war in einer Phase meines Lebens, in der ich jede Form von Bevormundung und Hausaufgaben mit der größten Leistungsverweigerung beantwortete, die mir einfiel.
Das hat es ihm nicht gerade leicht gemacht.
Auch die Bundeswehr war dieser Meinung und ich wurde mit Leistungsfunktionstörungen ausgemustert.
Ich habe keine Ahnung was das ist, Leistungsfunktionsstörungen, aber ich war froh, nicht bei etwas mitmachen zu müssen, wo ich nicht mitmachen wollte.
Sei doch gescheit, das haben die Eltern immer gesagt, in diesem Fall meine Mutter, denn mein Vater war es selber nicht, und aus diesem Grund hatte ihn meine Mutter verlassen.
Ich hab das damals eigentlich gar nicht verstanden, ich spürte nur diese Welle von "nein, laßt mich doch endlich damit in Ruhe" in mir aufsteigen und dann waren Takt(ik)wechsel angesagt.
Es wurde verlangt, ich solle die Schule zu Ende machen, das wäre wichtig, ich hatte keine Ahnung, ob das stimmt, ich fühlte mich nur gedrängelt und von diesem unterschwelligen Zorn umgeben, den ich auch nicht verstand.
Ich mochte das Gedrängelt werden nicht und wenn meine Eltern ehrlich gewesen wären, hätten sie zugeben müssen, daß sie das Drängeln auch nicht wollen, denn jedesmal wenn ich drängelte, gabs ein ziemliches Theater.
Das war wahrscheinlich der Hauptgrund, warum ich nicht "Gescheitseinwollte".
Ich wollte etwas anderes, aber ich wußte nicht was.

Viele werden sich fragen, wann passiert denn in dieser Geschichte endlich was.
So oder so, die vielen Dinge, die passiert sind, die ich bis jetzt nicht für erwähnenswert hielt, also der Teil der Geschichte, der sich beschreiben läßt, den hab ich mir aufgehoben.
Ich habe auf die prickelnden Fühler gewartet, die diese sonderbare Schnecke ausfährt, bevor sie sich bewegt.
Vieles entgeht dem Scanner der optischen Wahrnehmung, nicht etwa weil es unsichtbar wäre, sondern zu unscheinbar.
Das Raster des Scanners bestimmen wir selbst, wir nennen das Prioritäten, und das hat Konsequenzen, für das Betriebssystem des Biocomputers, also das in Worte zu fassen und dann eine Handlung zu beschreiben, zum einen so wie der Scanner sie gespeichert hat und dann die Dinge, die er einfach übersehen hat, sie verstehn, da muß ich Anlauf nehmen, also höchste Konzentration, achtung ...fertig ...los...ich lebe...jetzt....ich hab keine Ahnung was das eigentlich heißt, ich bin nur verliebt......in einen Traum....und so oder so...ich bin nicht der Einzige...viele um mich herum, sprechen ganz eindeutig und zweifelsfrei dieses Traumchinesisch...anderer Träume zwar....aber es sind die selben Hieroglyphen, als echter Forscher erkenn ich das sofort.
Es ist nicht immer leicht zu verstehen wovon man eigentlich träumt, und träumen ist nicht gleich träumen, soll heißen, die Geschichten die mir im Traum erzählt werden, sind so verschieden und voller unterschiedlicher Botschaften, wie das wirkliche Leben auch.
Ich komme wie, die meisten von uns, aus einer Familie, soll ich das wirklich erwähnen, diese Familie hatte bereits ihre Geschichte, lange bevor es mich überhaupt gab, und es gab auch schon einen Krieg, einen Weltkrieg mit dieser meiner Familie mittendrin, bevor ich überhaupt geboren wurde.
Und die haben alles, was sie erlebt haben schnell vergessen, als ich auf die Welt kam, damit sie meiner unschuldigen Natur gerecht werden können, natürlich nicht, das ist unmöglich.
Auch ihre unsinnigen Familienstreitereien, haben sie schnell alle beiseitegelegt, schön wär's, nein, ganz im Gegenteil, ich wurde mit einbezogen, in alles , in die Nachwirkungen des Kriegs, in die Konsequenzen aus den Streitereien, in die Frustrationen der einzelnen Mitstreiter, einfach in alles.
Da war ich nun gerade mal frisch geboren und wurde schon Teil eines Kriegs und endloser Streitereien, für die ich gar nichts konnte, das muß man sich mal vorstellen.
Ich kann mich natürlich weder daran erinnern noch wie ich darauf reagiert haben muß, aber ich kann es sehen, an meinem Kind, es ist alles so offensichtlich.
Mein kindliches Gemüt, sagt mir, daß ich damals genauso in der Zwickmühle saß, wie dieses Kind jetzt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.12.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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