Joanna Schwarz

Verkaufsoffener Sonntag

Ich folgte einem Instinkt, als ich am Sonntag Nachmittag so um drei Uhr den Entschluss fasste, mal kurz ins Einkaufszentrum zu gehen. Dort fand nämlich ein verkaufsoffener Sonntag statt. Es würde garantiert nicht voll sein, denn wer kauft heutzutage schon groß was ein? Immer wenn ich abends in einem namhaften Kaufhaus war, herrschte dort gähnende Leere - auch die Verkäufer- und Verkäuferinnen gähnten, und immer wenn sie meiner ansichtig wurden, stürzten sie sich sofort auf mich, um meine Wünsche zu erkunden. Das war lästig und peinlich, denn ich wollte nicht immer etwas kaufen, sondern manchmal nur gucken. Aber sie dauerten mich, diese armen Geschöpfe, man hört soviel von Kaufhausschließungen und Reduzierung des Personals, ja sie taten mir leid, wie sie da in der Leere des Geschäfts auf Kunden lauerten, und ich versuchte mein Bestes, um ihnen wenigstens ab und zu etwas abzukaufen. 
 
Ich marschierte also frohen Mutes los in der Absicht, mir richtig was Gutes zu gönnen und ohne Sinn und Verstand zu schlemmen, denn ich hatte schon lange nicht mehr der Kaufeslust gefrönt und ergo einen mächtigen Nachholbedarf. Und Anzuziehen hatte ich auch nichts mehr. 
 
Je näher ich dem Einkaufszentrum kam, desto voller wurde es auf der Straße. Ich wunderte mich sehr über die Massen von Leuten, die mir entgegenkamen und über die Massen von Leuten, die gemeinsam mit mir in Richtung Einkaufszentrum strömten. Die mir Entgegenkommenden trugen zumindest eine Plastiktüte, und viele schleppten sogar fünf oder sechs Plastiktüten mit sich herum. 
 
Auf der Kreuzung direkt vor dem Einkaufszentrum kam es zwischen den Autos beziehungsweise deren Fahrern zu heftigen Beschimpfungen, weil einige aus Fremdstädten stammten, sich wohl nicht so richtig auskannten und ein bisschen falsch fuhren. Jedenfalls war eine Menge los. 
 
Auch im Einkaufszentrum selber war eine Menge los. Die Menschen schoben sich langsam gegenseitig an den Geschäften vorbei. Kinder brüllten, Hunde heulten – auch Kinder heulten und Hunde brüllten, und es herrschte eine Bombenstimmung. Es war voller als am letzten verkaufsoffenen Samstag vor Weihnachten, und es war sogar erheblich voller! Jeder hatte wohl von diesem wunderbaren verkaufsoffenen Sonntag vernommen, viele Menschen waren hier zusammenströmt, um der Halle des Konsums ihre Aufwartung zu machen, und in den diversen Tempeln der Waren versammelten sich die Gläubigen en masse. 
 
Sogar ich, die ich mich normalerweise nicht so leicht von der Masse beeinflussen lasse, befand mich in euphorischer Stimmung. Ein mächtiger Kaufrausch befiel mich, ich eilte flugs in das nächste textile Geschäft, raffte ein paar Sachen an mich und stellte mich dann sogleich an die Kasse. Ich zahlte sogar mit meiner Geldkarte, denn mein Bargeld reichte nicht aus. Ich glaube, ich hatte alle meine Prinzipien vergessen, die da normalerweise hießen: Überlege dir gut, was du kaufst, achte auf den Preis, achte auf die Passform, achte darauf, dass es zu deinen anderen Sachen passt und vor allem achte darauf, dass es pflegeleicht ist... 
 
Ich eilte befriedigt dem Ausgang zu, stieß mit anderen Leuten zusammen, die wohl genauso durcheinander waren wie ich und herumtorkelten wie Schmetterling, die gerade aus der Verpuppung geschlüpft und von der Sonne geblendet waren, aber ich erreichte unbeschadet den Ausgang. 
 
Zu Hause angekommen, stellte ich fest, was ich da eigentlich gekauft hatte. Ein Shirt und zwei Jacken. Das Shirt hatte eine seltsame Matschfarbe und stand mir überhaupt nicht. Und die Jacken sahen zwar sehr edel aus, waren aber, wie ich entsetzt feststellen musste, aus reiner Wolle, absolut nicht waschbar, und ich hasse es, Kleidungsstücke in die Reinigung zu geben. Ich konnte sie förmlich schon vor mir sehen, die teuren Stücke nach der ersten Handwäsche, verfilzt und um die Hälfte geschrumpft. Mist aber auch! Und dann auch noch zwei davon, und sie waren so verdammt teuer gewesen! 
 
Aber trotzdem, diese verkaufsoffenen Sonntag scheinen ein Bedürfnis in der Bevölkerung zu befriedigen, das man wohl nicht länger ignorieren kann. 
 
Ich schlage deshalb vor, ALLE Wochentage „SONNTAG“ zu nennen, von mir aus nummeriert von „SONNTAG 1“ bis „SONNTAG 7“, sie alle zu „verkaufsoffenen  SONNTAGEN“ (oh welche Zauberworte: SONNTAG und verkaufsoffen) zu erheben, und dann wollen wir doch mal sehen, ob das mit der Konsum-Ankurbelung nicht klappt... 
 
 
 E N D E…gut?

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.12.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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