Annette Weimer

Und ein Wunsch geht in Erfüllung

Missmutig fuhr ich in meinem Auto zu meinem Arbeitskollegen Fritz. Wie hatte ich dieses Jahr nur zusagen können. Letztes Jahr schon hatte ich mich mit einer faulen Ausrede aus der Affäre ziehen können aber dieses Jahr war mir einfach nichts passendes eingefallen und so machte ich mich mit meinem obligatorischen Geschenk für 5 Euro auf den Weg zur Weihnachtsfeier meiner Firma. In diesem Jahr sollte sie am Bostalsee stattfinden. Eine Weltreise und für mich absolut nicht verständlich, wieso man an den A..... der Welt fahren musste. Jeder musste ein Geschenk im Wert von 5 Euro mitbringen, wie jedes Jahr.

Angekommen bei Fritz, winkte dieser mir von der Haustür aus zu und gestikulierte mir, dass wir gleich mit seinem Auto weiter fahren wollten. Ich schnappte meine Jacke, meine Tasche und eilig schloss ich mein Auto ab. Zusammen holten wir noch eine Arbeitskollegin ab, ein Halbamerikanerin. In ihrem Klapperschlangenenglisch saß sie auf dem Rücksitz und redete ununterbrochen. Genervt sah ich aus dem Beifahrerfenster und erinnerte mich an die Weihnachtsfeiern in der Vergangenheit.

Früher hatte ich immer bei unseren Azubis gesessen, den an ihrem Tisch war es immer am lustigsten, doch die waren alle nicht mehr da. Wir hatten immer viel Spaß gehabt und das Highlight dieser Weihnachtsfeiern waren immer die Tombolas gewesen. Warum es so war konnte keiner sagen, doch hatte ich immer ein Geschick dafür, dass hässlichste aller Geschenke zu bekommen und alle warteten nur darauf, dass ich endlich auspackte. Es lastete auf mir wie ein Fluch. Einmal hatte ich ein DINA 5 großes Plastikbild bekommen in schwarz mit einem glänzend goldenen Rahmen. Das Motiv war die Stickerei einer der häßlichsten Blumen die man sich vorstellen kann, so wie sie früher bei meiner Großmutter im Wohnzimmer hingen. Schrecklich. Im Jahr darauf bekam ich das größte Paket. Zuerst wollte ich warten bis ich zu Hause war, denn ich hatte schon eine schreckliche Vorahnung. Doch ich konnte meinen Azubis den Spaß nicht nehmen und so packte ich aus. In der Schachtel lag ein großer Tonblumentopf, der mit Serviertentechnik mit einer Servierte mit Weihnachtsmotiv beklebt worden war. Kurz und knapp, es war ein Blumentopfmann, jedoch der häßlichste den man sich vorstellen kann. Die Arme und Beine waren mit einer dicken weißlichen Masse, die überall heraus quillte, angeklebt worden und am unteren Rand grinsten dickliche Engel. Das Teil war so schlimm und die Kollegen um mich herum brüllten los. "Dieses Jahr hast du wirklich den Bock abgeschossen" plärrten sie vor Lachen. Sie hatten alle rote Köpfe und die Tränen liefen ihnen die Wangen hinunter. Ich schämte mich und wußte nicht ob ich lachen oder heulen sollte und entschied mich für Lachen. Alle hatten Teelichter, Weihnachtsfiguren, hübsche Tassen oder andere Kleinigkeiten bekommen. Wieso hatte ich so ein Glück und bekam jedes Jahr so einen Brüller? Ich ließ es mir nicht anmerken aber ich war wirklich enttäuscht, denn ich überlegte mir jedes Jahr was ich kaufen sollte und bekam dann auch für 5 Euro eine Kleinigkeit die mir selbst gefallen hätte. Den Blumentopfmann ließ ich aus Protest stehen und mein Chef brachte ihn am Wochenende nach der Weihnachtsfeier mit ins Büro: "schaut mal, da hat jemand sein Geschenk vergessen!" Alle wußten Bescheid und lachten sich schlapp. Der Blumentopfmann hatte jahrelang die Ehre in unserem Gästeklo auf dem Fenster stehen zu dürfen. Diese blöden Tombolas. Am liebsten wäre mir gewesen, wenn die Tombola einfach ausfgefallen wäre oder das ich gar nichts bekommen würde.

"......und meine daughter kommt hoffentlich heute nacht auch gut home......" quasselte mir die Kollegin von hinten ins Ohr. Auch Fritz schien mit den Gedanken wo anders zu sein und antwortete immer nur mit "mmmh". Ich konnte nur hoffen, dass ich dieses Jahr nicht wieder zum Gespött all meiner Kollegen wurde aber wenigstens hatte ich ein hübsches.....ach Du Schreck! Wo war mein Geschenk? Es lag noch in meinem Auto auf dem Rücksitz und in der Eile hatte ich es einfach liegen lassen und wir waren in einigen Minuten am Ziel. Entsetzen machte sich breit aber dann hatte ich die Lösung. Ich würde einfach kein Geschenk abgeben können und somit würde ich auch keine Nummer ziehen dürfen und Folge dessen, würde ich auch kein Geschenk bekommen. Ja, genau so würde ich es machen. Ha! Fast war ich glücklich aber wie würden meine Kollegen reagieren?

Wir betraten das Restaurant und mein Kollege Hubert, der die Tombola organisierte, kam gleich auf uns zu. "Du es tut mir leid" sagte ich zerknirscht "aber ich hab mein Päckchen im Auto liegen lassen aber weißt du was, ich ziehe einfach kein Los, dann merkt das gar keiner!" Zufrieden mit mir und der Welt lächelte ich ihn an. "Ach Annette" er schüttelte den Kopf, " genau für solche Schussel haben wir doch vorgebaut. Du zahlst jetzt 5 Euro an mich, ich stelle eine Flasche Sekt hin und dann passt das schon". Noch bevor ich antworten konnte drehte Hubert sich um, stellte ein Flasche Sekt auf den Gabentisch, klebte eine Nummer drauf und ließ mich stehen. Verdammt, jetzt hatte ich mich so gefreut, dass es das Schicksal so gut mit mir gemeint hatte und jetzt? Also ging dieser Kelch auch in diesem Jahr nicht an mir vorüber und das Übel nahm seinen Lauf.

Die Vorspeise und die zweite Vorspeise wurden serviert. Dann kamen einige Vorträge und dann wie alle Jahre, standen die Kollegen auf und sagen Oh du Fröhliche. Auch wie in den anderen Jahren zuvor schaute ich peinlich berührt durch die Gegend und brummelte das Lied mit. Noch vor der Hauptspeise lief Hubert mit einem Sektkühler herum, in dem sich die Nummern zu den Geschenken befanden. Jeder musste sich eine Nummer ziehen und ich zog die Nummer 0219.

Die Hauptspeise wurde serviert und die 0219 lag vor meinem Teller und fast hatte ich das Gefühl, dass sie mich frech angrinste. Hoffentlich war es bald vorbei. Resignierend trank ich an meinem Rotwein. Noch bevor die Nachspeise kam, begannen Hubert und eine weitere Kollegin mit witzigen Beiträgen die Geschenke zu verteilen. "Und hier haben wir die Nr. 0232. Das ist bestimmt ein Eichhörnchen, weil man an der Verpackung erkennen kann, dass es Ohren hat". Alle lachten brav und die 0232 fand ihren zukünftigen Besitzer. Der Gabentisch war mittlerweile fast leer und ich wurde immer nervöser und dann gab es am hinteren Tisch ein Gelächter. Die Kollegen brachen in Tränen aus, sie schrien, lachten, brüllten und kurz darauf war jedem klar, was der Auslöser war. Die 0232 war kein Eichhörnchen gewesen. Vor einem Kollege stand eine kleine ...ja, Kanne. Die Ausschütte hatte die Form eines Penis und am unteren Ende war ein dicker Hodensack erkennbar. Die Kanne war nicht größer als eine Frauenfaust aber so häßlich, das sich einem die Haare im Genick stellten. Wie oberpeinlich und ich war sicher, dass das eigentlich mein Geschenk gewesen wäre. Was war geschehen? Die Tombola nahm ein Ende und die Geschenke waren verteilt. Vor mir lag die 0219. Hubert, der neben sich neben mich setzte und der meine Vergangenheit mit den häßlichsten Geschenken der Welt kannte frage mich, was ich denn bekommen hätte. Im ersten Moment war ich ganz still und dann fing ich an zu lachen. "Nichts, ich habe tatsächlich dieses Jahr nichts bekommen!" Hubert wurde fast panisch, denn er hatte doch die Nummern verteilt. Was war geschehen? Er überlegte hin und her aber er fand keine Lösung. Alles hatte reibungslos gepaßt, nur ich hatte eben nichts bekommen. Ich beruhigte ihn, dass das für mich eigentlich das schönste Geschenk war. Endlich war der Bann gebrochen und nicht ich hatte das häßlichste aller Geschenke erhalten und mein Wunsch hatte sich erfüllt: ich hatte kein Geschenk bekommen!

Hubert war diese Sache anfangs sehr peinlich, denn offensichtlich hatte er einen Fehler gemacht aber später am Abend lachte auch unser Tisch schallend über diese Tatsache und er meinte: "dieses Jahr hast du dich selbst getoppt, denn dieses Jahr hast du nicht das häßlichste Geschenk bekommen, sondern gar nichts!" Damit ist bewiesen: auch mit keinen Sachen kann man anderen eine Freude machen!