Angela Redeker

Fragen zum Weihnachtsmann

Es war der Abend des 5. Dezember.

Als Matthias die Haustür aufschloss zog ihm verführerischer Plätzchenduft entgegen, den er genießerisch in sich aufsog. Aus dem Lautsprecher der Stereoanlage erklang „ in der Weihnachtsbäckerei“ von Rolf Zuckowski und aus der Küche das Klappern von Schüsseln. Er lächelte in sich hinein. Sigrid seine Frau und die Kinder der achtjährige Dennis und die fünfjährige Annika waren dabei für den Nikolaus Schälchen mit Keksen zu füllen, später würde noch Milch dazu kommen, und dies würden sie heute Abend gemeinsam vor die Tür stellen, als Dank dafür, dass der Nikolaus sie nicht vergessen hatte. Matthias liebte diese Zeit, sie erinnerte ihn an seine eigene Kindheit und diesen wundervollen Glauben an den Weihnachtsmann oder Nikolaus und er war dankbar, dass Sigrid die Kinder in diesem Punkt noch nicht aufgeklärt hatte. Er hielt im Gegensatz zu seiner Frau nichts davon den Kindern all zu früh den Weg aus ihrer Traumwelt, in der es Zauberer und Feen und eben auch den Weihnachtsmann gab, zu offenbaren. In diese Welt konnten sie sich zurückziehen,  und Kräfte fürs Leben in ausgedachten Abenteuern sammeln.

"HoHoHo“, brummte er laut und konnte hören wie seine Tochter erschocken die Luft anhielt. „Das ist nur Papa, Annika“, beruhigte Dennis seine Schwester, sprang vom Stuhl und seinem Vater direkt in die Arme, der mit rot gefrorener Nase vor ihm stand.
„He, mein Großer, wie war dein Tag?“
„Hab den Mädels beim Backen geholfen“, verkündete Dennis großspurig.
„Ja, das duftet herrlich, darf ich einen haben“, noch während er sprach wollte er sich einen  Keks aus der Schüssel hangeln, aber Annika zog sie weg. 
 „Nein, die sind für den Nikolaus“, protestierte sie energisch.
„Och“, schmollte Matthias  enttäuscht und Sigrid zwinkert ihm zu, später wenn sie im Bett sind.
„Du kannst schon mal den Tisch decken“, forderte sie ihn lächelnd auf. Er ließ Dennis vom Arm, setzte ihn auf die Eckbank und öffnete den Küchenschrank, als Annika plötzlich wissen wollte, „Du Mama, hat der Weihnachtsmann eigentlich auch Sex?“
Sie sah nicht einmal auf von, als wäre es die natürlichste Frage der Welt. Matthias drehte sich erschrocken zu Sigrid um, die schluckte.
„Ähm, wie?“
Die Stimme der Mutter klang irgendwie zitternd, deshalb sah Annika die Mama an und wiederholte „Hat der Weihnachtsmann auch Sex?“
„Wie kommst du denn auf so was“, entfuhr es Matthias während er Sigrid einen Siehst-du-Blick zu warf. Annika zuckte mit den Schultern.
„Also“, Sigrid räusperte sich, „ ob der Weihnachtsmann Sex hat, willst du wissen“, wiederholte sie um Zeit zu gewinnen.
Was um alles in der Welt willst du ihr sagen, las sie in den Augen ihres Mannes.
„Ja“, piepste Annika und nickte bekräftigend.
„Nun“, begann sie erneut, strich sich die Hände an dem Handtuch, das sie sich um die Hüften gebunden hatte, ab  und musste lächeln als Matthias flüsterte, „Hier läuft eindeutig etwas falsch.“
„Natürlich nicht“, erklang es da sicher aus der Ecke in der Dennis saß und mit den Fingern die Krümel auf dem Tisch hin und her schob.
„Wieso?“
Wollte Annika wissen und auch Matthias wand sich interessiert jedoch mit einem mulmigen Gefühl im Magen zu seinem Sohn um, woher sollte er das wissen.
„Na der hat ja nicht mal eine Frau!“, meinte Dennis und sein Vater schloss erleichtert die Augen.
„Aber Tante Maja hat auch keinen Mann und bekommt ein Baby“, beharrte Annika, „und Babys bekommt man vom Sex, das hat Mama mir alles in dem Buch gezeigt, wo das drin steht wie das Baby in Tante Majas Bauch gekommen ist.“
Matthias verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich an den Herd und brummte, „Ich wusste die Geschichte mit dem Klapperstorch wäre besser gewesen, sie ist erst fünf.“
Noch ehe Sigrid auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte  prustete es da aus Dennis heraus, „Ach Annika, der Weihnachtsmann bekommt doch kein Baby, der ist nur so dick, weil er nur einmal im Jahr richtig arbeiten muss, und da hat er auch noch die Wichtel, die ihm helfen.“ Sich erwachsen fühlend schüttelte ihr Bruder den Kopf.
„Aber...“, setzte Annika erneut an wurde jedoch von Dennis unterbrochen.
„Außerdem ist er dafür schon zu alt.“
„Wie alt ist denn der Weihnachtsmann?“, fragte Annika nun wieder mit dem Klang  kindlicher Neugierde in ihrer Stimme, der Matthias viel besser gefiel.
„Mindestens so alt wie Mama und Papa.“, erklärte Dennis trocken. 

 

©Angela Redeker

 

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Angela Redeker).
Der Beitrag wurde von Angela Redeker auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.12.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Angela Redeker als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Der Söldner und die Wüstenblume von Hermann Weigl



Nach einem schweren Schicksalsschlag hat der unsterbliche Ritter seine Heimat verlassen und taucht im Gewimmel der Sterne unter. Er strandet auf einem fernen Planeten, auf dem eine mittelalterliche Kultur aufblüht und stößt auf das Geheimnis der Burg...

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Weihnachten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Angela Redeker

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Claudia und Christopher von Angela Redeker (Trauriges / Verzweiflung)
Der Spielverderber von Klaus-D. Heid (Weihnachten)
Johannisfeuer (Kanzfeuerla) von Annie Krug (Kindheit)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen