Felix Kretschmer
Weihnachten
Wie jedes Jahr kommt Weihnachten. Und wieder einmal ist es
der 23te Dezember an dem man seinen Terminkalender voll gestopft hat mit den
Öffnungszeiten verschiedener Kaufhäuser. Natürlich hat man die Zeit perfekt
einkalkuliert um noch alle – damit meine ich WIRKLICH alle – Geschenke noch zu
besorgen. Man hat ja natürlich keins. Für jeden von ihnen.
Die Schenkungswut packt einen am Morgen und man steht also
um 6 Uhr auf um gleich den ersten Bus zu nehmen zu können um dann gleich zu
Ladenaufschluss vor den Türen zu stehen. Am Ende des riesengroßen Kaufrauschs,
mit dem man die Geschäfte um mindestens 300 Euro reicher machte, da man zu faul
war etwas zu basteln und die Mehrheit der Beschenkten sowieso auf materielle
Dinge, zwängt man sich also wieder in den letzten Bus. Die Tüten, die man mit
sich trägt, kann man gar nicht alle auf einen Sitz platzieren. Somit nimmt man
dann eine ganze Reihe im Bus ein. Doch zum Glück ist unsere Gesellschaft noch
nicht so kapitalistisch, das man auch dafür bezahlen muss.
Zu Hause wieder angekommen bemerkt man mal wieder, dass kein
Geschenkpapier mehr übrig ist und so ist man gezwungen am 23ten noch seine
nette Nachbarschaft darum an zu betteln und zu hoffen, es wäre welches über.
Dem ist nicht so. Wie jedes Jahr. Also bleibt einem selbst ein Besuch bei der
ach so lieben Oma nicht erspart. Zum Glück wohnt sie nur 50 Meter die Straße
hinunter, dennoch muss man für diese Beschäftigung 3 Stunden einkalkulieren, da
man nicht um das erziehungstechnisch wertvolle Gespräch herum kommt. Als man
dann endlich alles beisammen hat um seiner Kreativität freien lauf zu lassen
ist es bereits kurz vor 12 Uhr abends. Diese gewisse Kreativität artet nun aus
und verbraucht satte 127 Meter Geschenkpapier und 3 Packungen voll bunter
Bänder. Obwohl man nach seinem Erfolg unzufrieden die
Flohmarktartikelverpackten Geschenke betrachtet bleibt einem nichts anderes
übrig, als es dabei zu belassen.
Am nächsten morgen steht einem der größte Schreck bevor. Man
hat natürlich auch keinen Weihnachtsbaum. Dadurch ist man indirekt gezwungen
vor all seinen Familienmitgliedern auf zu stehen und noch die groteske und
abgemagerte Krücke des Nachbarn aus dem Vorgarten zu stehlen. Im halbdunkeln
macht man sich, der jetzigen Feststimmung entsprechend angezogen, im Weihnachtsmannkostüm
um 5 Uhr morgens aus dem Haus und fällt die alte Tanne. Mit viel Mühe wird
diese dann irgendwie in den 2ten Stock des Hauses transportiert und
aufgestellt, sodass man dann zum Frühstück fertig ist. Aber der Schmuck fehlt
ja noch. Dafür hat man zum Glück 1 bis 2 Kinder gezeugt, die daraufhin die
alten DDR-Christbaumkugeln aus dem Keller holen und widerwillig mit ihrer
Arbeit beginnen.
Die erste, der nervenden Fragen kommt auf einen zu. „Schatz?
Warum siehst du denn so fertig aus?“ gefolgt wird sie von den kleinen Männchen
im Haus, die anscheinend auch zur Familie gehören. „Papi, Papi! Bringt der
Weihnachtsmann mir auch wirklich die neue Jacke von Spice-Laps und ein
fliegendes Auto?“ Es bleibt einem nichts anderes übrig, als diese Fragen mit
einem wunderschön aufgesetztem Lächeln abzuwürgen und die Ehefrauf und die
kleinen Gnome in Sicherheit zu wiegen.
Es folgt nun die Jährliche Prozedur. Ein paar
„Gute-Nacht-und-schlaf-gut-ein-Predigten“ in der Kirche bei denen man nur mit 3
Liter Kaffee überlebt und das Festessen bei der Oma am Abend. Dieses Artet wie
immer in einem übermäßigen Konsum an „Flüssignarhung“ aus. Spitzenreiter ist
der Stammvater der Familie – also die Uroma, scharf gefolgt von der eigenen
Ehefrau und der Schwiegermutter, die einen aufgrund des hohen Alkoholpegels
zumindest an Weihnachten nicht belegt.
Ab einem gewissen Alter hat man dann auch die Reife, die
Rolle des Weihnachtsmanns persönlich übernehmen zu dürfen. Der Bart und die
Mütze tarnen dabei gut einen einschlafenden älteren Herren, aber nur, wenn man
dieses rote „Bommelgewürgs“ tief genug in sein Gesicht zieht. Somit findet man
dann ein wenig Ruhe. Zumindest für eine halbe Stunde. Danach darf man dann die
ganzen Geschenke mit samt der dazugehörigen Zwerge wieder ins Auto hieven und
sie mit der angetrunkenen, noch weiblichen Gestalt nach Hause bringen.
Am nächsten Morgen erwartet man dann nur noch gespannt den
Anruf der Oma, die voller Sehnsucht auf den nächsten Besuch wartet.
„Wann kommt ihr denn mal wieder zu mir? Wir haben uns ja
soooooooo lange nicht gesehen!“
Am Ende bedauert man nur, dass zwischen Weihnachten leider
nur ein Jahr liegt und nicht eine Dekade.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.12.2005.
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