Sie saß da und starrte an die Decke. Noch 5 Minuten und sie musste los, in eine Welt, die nicht ihre war. Langsam richtete sie sich auf.
Wollte sie wirklich aufstehen und los gehen? Sie war sich nicht sicher, wie immer, hatte Angst auch nur einen falschen Schritt zu tun. Doch dann ermutigte sie sich.
Wenige Minuten später stand sie an der Haltestelle, spürte die Eiseskälte um ihre Nase und grub ihr Kinn tiefer in den Schal. Mit trostlosen Blicken stieg sie in den Bus und suchte sich einen Platz und plötzlich versank sie in Gedanken. Sehr oft hatte sie solche Tagträume oder dachte sich einfach Geschichten aus, die mit ihr zu tun hatten und wo sie hoffte, dass sie Wirklichkeit werden sollten. Doch natürlich erfühlten sie sich nie.
In ihrer Kindheit hatte sie schon öfter an Selbstmord gedacht. Und dann Jahre später hatte sie begonnen Abschiedsbriefe zu formulieren. Heute fiel ihr aber eine viel bessere Idee ein. Von wegen sich die Finger wund schreiben.
Nach der Schule kaufte sie sich ein Aufnahmegerät, von ihrem Geld, was sie eh nicht mehr brauchen würde. Dazu holte sie noch 10 Kassetten und dann setzte sie sich nachmittags hin, beschriftete die Teile ordentlich. Dann legte sie die erste in das Gerät und drückte auf Aufnahme. Sie war für ihre Familie und während die erzählte, rollten ihr die Tränen über die Wangen und sie hätte am liebsten alles wieder rückgängig gemacht, doch nun gab es kein zurück mehr.
Jede Kassetten wurde besprochen. Für einzelne Personen oder für ganze Gruppen, wobei ihr auffiel, wie viel Leute ihr eigentlich was bedeuteten, doch gaben sie ihr was zurück? Darauf wollte sie jetzt nicht antworten.
Fein säuberlich verpackte sie die Kassetten und legte sie auf ihr Bett. Dann nahm sie den Telefonhörer und wählte die Nummer von ihrer Schwester. Als diese abnahm, verabschiedete sie sich und während ihre Schwester erschrocken zuhörte, griff sie in das Besteckfach und nahm sich ein großes Messer. Dann legte sie einfach auf und wählte die nächste Nummer. Schließlich wollte die wenigsten einen ordentlichen Abschied, damit sie was hatte, was sie in der nächsten Welt brauchen könnte, eine Welt, die ihre war.
Schließlich ging sie ins Bad, damit man dort das Blut leichter wegwischen konnte. Sie setzte sich auf den Badewannenrand und setzte an. Ganz leicht zog sie das Messer über ihren Arm, der schon eine große Narbe war. Blickte noch mal auf, bevor sie den endgültigen Ansatz machte. Dann sah sie nichts mehr.
Und der letzte Gedanke war: es war alles geplant.
Plötzlich rief der Busfahrer: "Alles aussteigen!" Sie erhob sich und ging nicht zur Schule sondern kaufte sich ein Aufnahmegerät. ©
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.12.2005.
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