Nadine Thielbeer
Der Bus
Der Bus
Jeden Morgen dasselbe, ich muß wiedermal hetzen. Die Zeit rennt mir davon. Es ist so kalt, dass man sich die Nase im Gesicht abfriert.
Ich hasse diese Warterei. Während die Anderen ungeduldig ihre Zigaretten rauchen oder hin und her laufen, setze ich mich und zittere vor mich hin.
Endlich kommt er, mein Retter, unser Retter. Man denkt man hat jetzt das Schlimmste hinter sich, die Kälte. Doch irren ist menschlich. Wenn man ins Warme kommen will, muß man sich hineindrücken. Jedes Mal habe ich deswegen ein paar blaue Flecke mehr. Bis sich jeder durchgekämpft hat, läßt sich der Fahrer mit dem Anfahren Zeit. Geschafft, auch ich bin jetzt vorwärts gekommen. Noch eine Stufe muß ich erklimmen.
Wieder gedacht, dass Schlimmste wäre vorbei, das Hineinkommen. Doch läßt sich keiner zum Stehen verurteilen. Der Sitzplatz muss noch erkämpft werden. Keiner hat Lust, auch nur fünf Minuten zu stehen. Es wird angefahren. Der Fall zu Boden kommt nicht selten vor. Doch ich habe es geschafft, mich an einen Sitzgriff zu krallen. Ich möchte gar nicht wissen, wie viel Gewicht im Moment auf mich drauffällt. Es waren nur ein paar Sekunden, doch mir kam es wie eine Ewigkeit vor.
Die Schlange im Gang, wird kleiner. Die Hälfte der Eingestiegenen haben einen Platz gefunden. Andere schauen sich vergeblich um. Doch da! Direkt vor mir erhebt sich eine ältere Dame vom Sitz. Sie hat vor auszusteigen. Vorsicht Leute, ich warne euch, das ist meiner! Ich sehe wie ein düster blickender Mann darauf zusteuert. Denkste! Ich setze zum Schritt an. Drängle mich voller Gewalt durch die Menge. Auf einmal eein Ruck. Der Fahrer hat angehalten. Ich kann mich nicht mehr halten. Der Mann kommt immer näher. Ich werde nochmals geschuckt. Nur noch ein Schritt!
Hatte von vornerein gewußt, dass mich meine Beine nicht im Stich loassen. Zufrieden lasse ich mich nieder. Volltreffer Fensterplatz!
Wenn ich fahre schaue ich immer aus dem Fenster. Ich kann es einfach nicht lassen, Leute zu beobachten. Sie wirken morgens immer so angespannt.
Jetzt habe ich das Schlimmste hinter mir, das Sitzplatz ergattern. Ich höre wie die Dame vor mir wie sie mit ihrer Freundin redet. Sie hat zwei Kinder und ist sich nicht sicher, ob sie sich scheiden lassen soll. Gott sei Dank habe ich da noch etwas Zeit..
Nur noch drei Haltestellen. Inzwischen hat auch mein Gegner einen Platz gefunden. Wieder fallen zwei Tüten um. Wieder wurde angehalten. Der Wagen füllt sich erneut. Das gleiche Spiel von vorne. Reinquetschen und suchen.
Die Luft wird enger und es riecht nach nassen Kleidern. Es regnet draußen. Ausgerechnet jetzt muß ich aussteigen. Wahrscheinlich renne ich ins Geschäft. Ich stehe auf und drücke mich zur Tür. Ich stehe nicht als Einzigste da. Man kann nicht rausschauen, die Fenster sind beschlagen. Das Atmen fällt schwerer. Die Tür geht auf. Endlich frische Luft. Der Bus fährt weg..
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.01.2006.
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