Bernhard Klockhaus

Abenteuer eines Sackgesichtes - Teil 2 : Steckrüben


Sie kennen mich bestimmt. Oder zumindest haben sie von mir gehört. Ich war der, von dem im Verkehrsfunk so oft berichtet wurde: "Achtung Radfahrer auf der A42, in Höhe der Anschlussstelle Duisburg-Neumühl".

Wieso war? Ja, weil ich jetzt tot bin. Mich hat es dahin gerafft. Oder besser gesagt, er hat es getan. Dieser holländische Lkw hatte Steckrüben aus Mecklenburg-Vorpommern geladen und war auf dem Rückweg nach Arnheim. Scheinbar war es dem Fahrer sehr langweilig. Er hatte auf dem Lenkrad die neueste Ausgabe des Happy Weekend liegen und onanierte.

Zunächst aber ein kleiner Blick zurück.

Mich hatten meine Freunde ja gewarnt. Sie fanden es sehr gefährlich, auf der Standspur der Autobahn mit dem Rad zu fahren. Aber es war eine prima Abkürzung bis zu meiner Arbeitsstelle in Oberhausen; und die Radwege in der Stadt sind doch ziemlich marode. Da hoppelt man doch über die Baumwurzeln bis es im Steiß kracht. Außerdem müssen bei diesem - wahrscheinlich von Nicht-Bikern - ausgeklügelten Radwegenetz Umwege gefahren werden, so dass man ja Reiseproviant mitnehmen muss um unterwegs nicht zu verhungern.

So kam mir dann schließlich die Idee, diese breiten Radwege neben den Fahrstreifen der Autobahn zu nehmen. Zumindest erklärte ich diese kurzerhand zu Radwegen. Punkt.
Es ging unheimlich schnell, ich erzielte gegenüber den innerstädtischen Radtrassen eine um 2 Stunden kürzere Fahrzeit.
An für sich war es immer eine schöne Fahrt. Die meisten Autofahrer winkten freundlich oder hupten, alles ok. Na ja, ab und an hatte ich eine Panne, weil ja ziemlich viel Glas auf so Standstreifen liegt. Ich habe aber auch nette Leute kennen gelernt. Wo ich konnte habe ich den Menschen geholfen - zum Beispiel beim Radwechsel, oder habe für die plärrenden Teppichratten im Font knuffige Teddys aus den Packtaschen gezaubert. Zumindest habe ich den Pannenopfern meine Luftpumpe angeboten. Was allerdings nicht immer den gewünschten Erfolg brachte.

Nun zurück zu meinem Tod.

Also, der holländische Lkw-Fahrer machte es sich so richtig muckelig auf seiner Fahrt. Es lief ihm der Sabber aus den Mundwinkeln, als er das emsige Treiben in diesem Hochglanzblättchen sah. Er war versunken in seiner erotischen Gedankenwelt und fühlte sich als der Stecher (natürlich mit Großkaliber), der es dieser üppigen Blonden so richtig besorgte.

Ich fuhr gerade pfeifend auf meinem Radweg und befand mich auf dem selben Streckenkilometer, als der holländische EU-Nachbar die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Der Anhänger geriet ins Schleudern, wankte nach links und dann nach rechts und haute mich schließlich aus dem Gel-gefederten Sattel. Die ganze Fahrbahn wurde übersät mit Ossie-Steckrüben, ich befand mich derweil im Luftraum über Oberhausen. Ich ruderte mit den Armen - das hatte ich in amerikanischen Action-Filmen so gesehen - um eine halbwegs weiche Landung zu haben. Ich landete jedoch ziemlich hart auf der Leitplanke. Was zur Folge hatte, dass mein Kopf vom Leib abgetrennt wurde und auf den Standstreifen fiel. Ziemlich verdutzt muss ich dabei wohl dreingeschaut haben. Wahrscheinlich ob des Geräusches mehrerer Peitschenschläge, als die Sehnen durchtrennt wurden.
Nachdem mein Kopf auf dem Asphalt endlich ausgekullert hatte, besudelte eine Blutfontäne, die sich aus der Halsschlagader ergoß, den Fuß einer Notrufsäule.

Kurz darauf gesellten sich noch einige Steckrüben zu meinem Schädel - ein perfektes Stilleben.

Ich war aber schier fassungslos weil der Mann von der Autobahnmeisterei, der mit der Schaufel die post-sozialistischen Rüben auflas, nicht merkte, dass er meinen Kopf mit auf den bereit gestellten Ersatz-Lkw scheffelte. So harrte mein Kopf auf der Fahrt in Richtung Arnheim ziemlich in Gedanken versunken zwischen diesem holzigen Gemüse.

Meine Familie war ziemlich empört, als ich so kopflos im Sarg eingebettet wurde. Beim Vorschlag des Bestatters, zumindest für die Sargausstellung ein Foto meines Kopfes auf den Hals zu pappen, brach meine Mutter zusammen und gibt seitdem nur gutturale Laute von sich.

Epilog:

Die junge Hausfrau stand in der Küche eines kleinen niedersächsischen Reiheneigenheimes und war gerade dabei, fröhlich pfeifend das Lieblingsessen ihrer beiden Kinder zu bereiten. Das Rezept hatte sie von ihrer Mutter (die wiederum hatte es von der Schwiegermutter ihres Oheims) übernommen:

Rübenmus

Zutaten für 4 Personen:
1.000 g Steckrüben
2-3 Wurzeln
750 g Salzkartoffeln,
500 g durchwachsender Speck
2-3 Zwiebeln

Zubereitung:
Rüben schälen, waschen, in Würfel schneiden, den Speck zufügen, alles in leichtem Salzwasser ca. 45 Min. kochen. Gekochte Kartoffeln stampfen, Rüben zufügen und mitstampfen. Ausgelassene Zwiebel darüber verteilen.

Den Speck aufschneiden und dazu reichen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.01.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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