Gerda Schmidt

Wie die Sage vom fliegenden Holländer entstand

Am 28.Oktober treffen sich seit 23 Jahren 6 hochrangige Banker zum chinesischen Fondue. Da ich nun schon mehrmals eingeladen war, konnte ich mich schon des öfteren amüsieren. Gestern erzählten wir aus der Erinnerung und boten neuen Stoff für Tagebucheinträge. So trug sich auch dieses zu. Wir diskutierten über die Möglichkeit, ob man bei ablandigem Wind auf eine Küste geweht werden kann. Dank der modernen Ausrüstung unserer Gastronomie konnten wir diesem Problem, was ich ansprach, durch Simulationstechnik beikommen. Um die chinesischen Lokalbesitzer nicht zu kompromittieren und zur Einhaltung der Stilechtheit benutzten wir statt Salzwasser und Booten mit Kunststoffkiel Bouillonbrühe und Holzdschunken. Der Auftrieb und die Verdrängung blieben somit gleich.
 
Nachdem wir die Brühe aufgeheizt hatten, setzten wir die ersten Fleischwürfel, die wie Inseln aus der Flüssigkeit ragten. Die Dschunken wurden durch wahlweise gelbe und rote Paprikaschoten simuliert, denen man hauchdünne Hobelkäsesegel versetzte. Dann wurde der Glasdeckel des Gefäßes geschlossen. Die zunehmende Hitze erzeugte einen aufsteigenden Dampf und somit auch Wind. Die kochende Brühe spielte als Brandung um das Fleisch und vor dem Paprikabug. (Anm. daher der Ausdruck kochende See).
 
Als wir den Deckel hoben, spielte sich folgendes ab. Das Schiff der UBS kollidierte frontal mit dem Schiff der CS, was zu den ersten Eingriffen führte. Der UBS-Mann wollte sein etwas deformiertes Boot freisetzen, als er mit dem Ärmel seines BOSS-jackets die Rahe des KB Bootes umknickte. Das fallende Teil durchschlug das Mittelschiff der PARIBA, die unweigerlich sank. Auch der rettende Versuch des dazugehörigen Kapitäns endete mehr mit einer bouillongetränkten Armani-Krawatte. Erste Beschimpfungen folgten. Nun blies der Wind aus anderer Richtung, weil das Fonduegefäß sich nun um die eigene Achse drehte und gegen 6 Glasen nach Norden zeigte. Die starke Heckwelle meines Schiffes flutete die Schoten meines CIAL-Partners, so daß sein Schiff wie die Titanic sank. Blieben nur noch die Deutsche Bank und ich übrig.
 
Und jetzt stellte sich heraus, was echte Freunde sind. Durch heftiges Blasen von allen Seiten, sogar die Gastronomen halfen mit, trieben die beiden Schiffe zwischen Inseln und Wrackteilen herum. Havarierte Boote wurden mit Manövern des letzten Augenblicks umrundet. Die Brühe tobte förmlich. Und dann geschah das Unfaßbare. Die Brille vom UBS-Vertreter rutschte ihm von der Nase und fiel direkt auf die Dschunke der DB, die sofort mit in die Tiefe gerissen wurde. Durch die entstandene Gischt und den Sog wurde eine Flutwelle auf mein Segel geworfen, das sofort in der Hitze schmolz und nun führerlos, trotz ablandigem Wind, auf die nächste Insel geworfen wurde. Das war der Beweis. Noch bevor es zerschellte packte ich es und aß es schnell auf.
 
Es konnte schlussendlich nur noch kurz auf eine Ausschreibung eingegangen werden, die dann sag und klanglos in der Pfütze einer Rotweinlache ertrank.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.01.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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