Rolf Hoss

Anglerlatein oder so

Der besorgniserregende Einfluss des Angelns auf das Familienleben.

Als ich voller positiver Erwartung nach Dithmarschen zog, wollte ich als frisch gebackener Frührentner das bisherige aufreibende und hektische Leben des Spediteurs sinnvoll ersetzen.

Obwohl ich anfänglich jeden bäuerlichen Traktortransport in seine logistischen Einzelteile zerlegte und geistig eifrig an deren Optimierung arbeitete, liess ich das Ziel eines neuen erfüllenden Hobbys nicht aus den Augen.

Mag sein, dass die recht fruchtlose Diskussionen mit den etwas konservativen, nachbarlichen Landwirten diesen Vorgang entscheidend forcierten.

Kostensenkende Synergieeffekte in Koordination mit einer optimierten Transportführung war hier offensichtlich noch kein Thema.

Um nicht einer bedrohlich geschwungene Forke zum Opfer zu fallen, wandte ich mich dem hier allseits beliebten Angelsport zu.

Wie der interessierte Leser weiss, gehört eine sehr aufwendige Vorbereitung zu diesem neuen Lebensabschnitt nahe am Wasser.

Die kümmerliche Rente wurde von der besessenen Beschaffung einschlägiger Literatur, Zeitschriften und Videos begleitet.

Die daraufhin erworbene Mindestausrüstung liess mich zum Lieblingskunden der hiesigen Volks.- und Raiffeisenbanken werden.

Die Familie erfreute sich derweil einer diätübergreifenden, daher äusserst effektiven, Hungerkur.

Als auch noch Hund und Katze nur ein Schatten ihrer selbst waren, schien es an der Zeit den ersten Gang ans fischreiche Wasser zu wagen.

Ich versprach herrlich knusprige Fischfilets, köstlichen Zander und wohlfeine Aale.

Die erwartungsvollen Blicke von Frau und Kindern werde ich nie vergessen, ich war sichtlich gerührt, ob soviel vertrauensvoller Erwartung.

Nach vierzehn Stunden erfolglosem angeln, war es nicht einfach den Eigentümer des hiesigen Lebensmittelgeschäftes aus dem Bett zu klingeln und um Herausgabe einer Packung frisch gefrorener Fischstäbchen zu bitten, auf Kredit versteht sich.

Nach weiteren langen Tagen erfolglosen Einsatzes, Kredit gab`s eh nicht mehr, machte mich ein freundlicher Petrijünger darauf aufmerksam, dass ein Köder auf dem Haken unumgänglich sei, er empfahl diese niedlichen, quicklebendigen kleinen weissen Maden.

Da die Familie sich bereits in einem gesundheitlich bedenklichen Zustand befand, ja der Kater in seinem Delirium offenbar weisse Mäuse sah, beschloss ich diesen Ratschlag zu übernehmen.

Obwohl sich mir jedes Mal der leere Magen umdrehte, nahm ich diese nach verfaultem, toten Fleisch stinkenden Maden in die Hand und spiesste diese artig auf den scharfen vergoldeten Haken.

Der Erfolg war umwerfend, es zappelte und zuckte an Angel und Schnur erstmalig füllte sich der stets mitgeführte Beuteeimer mit Fisch um Fisch.

Mein überdimensionaler Siegesschrei hätte jeden Tarzan von der Liane fallen lassen, meine trommelnden Fäuste liessen meine stolze Brust zu einem Klangkörper werden lassen, dass jedes Nebelhorn übertraf.

Der Siegeszug nach Hause wurde lediglich von den überdimensionalen Pflanzen und dem wilden, aber sehr gut gedeihenden, Unkraut getrübt, die meinen Eintritt ins Grundstück stark behinderte.

Schliesslich hatte der Monate dauernde Kampf um den Fisch, die Gartenpflege etwas in den Hintergrund treten lassen müssen.

Die brutale Anwendung einer handlichen Machete löste diese Problem zumindest zeitweise.

Obwohl weder Zander, Hecht und Aal gefangen wurde sassen wir hungrig bei Tisch.

Der knusprig gebratene Weissfisch roch vorzüglich, immerhin passten hiervon fast ein Dutzend in eine einzige heisse Pfanne.

Der erste mit Heisshunger geschluckte Bissen bescherte meiner Tochter sogleich ein unangenehmen blauen Teint im Gesicht.

Brutales Schütteln und schmerzhafte Schläge auf den Rücken taten ihre Wirkung, sie bekam wieder Luft.

Tausende Gräten, malerisch im Fisch verteilt, liess unseren Festschmaus zu chirurgischen Orgien entarten.

Mein zaghafter Hinweis, gegen Mitternacht, dass das allseits geliebte Fondueessen auch seine Zeit in Anspruch nähme, war meiner Ehe nicht sehr zuträglich.

Um die Situation zu entspannen, versprach ich, dass es ab morgen nur noch Edelfisch gibt.

Allen fiel sofort das Besteck aus der Hand, meiner Frau das Messer reichlich spät, ich wurde mit einer nicht zu ertragenden Feindseligkeit angestarrt.

Der Mitleid erregende Hinweis auf mein schwaches Herz, dürfte mir gerade noch das Leben gerettet haben.

Andere Ehemänner gehen heimlich in die Dorfkneipe, ich hingegen ging auch heimlich angeln.

Den gefangenen Fisch sorgsam vom Haken gelöst und mit einem freundschaftlichen Klaps wieder in sein nasses Element zurückgesetzt.

Allerdings hatte ich nach einigen Wochen den unangenehmen Verdacht, dass es immer der gleiche Fisch war, der sich so gern fangen liess.

Das ist schliesslich wahre Liebe auf den ersten Biss!



Pahlen, den 20.05.2002

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.06.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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