Harald Freyer

Über einen Nebenbuhler II

Meine Gnädigste,

 

 

 

 

 

 

 

beim Lesen Ihrer Zeilen überkommt mich in der Tat ein tiefes Bedauern, ob der mich so jäh überkommenen Ungeduld, die es mir versagte, jenes von Ihnen so trefflich beschriebene Finale noch mitzuerleben. Aber an meinem plötzlichen Fortgang sind nicht nur allgemeine Umstände wie Stimmungslosigkeit, Monotonie und gähnende Langeweile schuld, die Sie sich - und das sei Ihnen zur Ehre gereicht - alle Mühe gaben, mir allein durch ihre Nähe und Gesprächsbereitschaft zu vertreiben geneigt waren, sondern vornehmlich - und das sage ich Ihnen jetzt mal ganz unter uns - die unnachahmlich abstoßende Wirkung des Fürsten, wofür ich mich selbst jetzt im Nachhinein noch schäme. Um dies näher zu verdeutlichen, sollte ich vielleicht erklären, dass sich diese Scham vornehmlich auf seine Fremdwirkung bezieht, denn wer sich als Leiter, in welcher Form auch immer, lächerlich macht, brüskiert damit zugleich auch den ihm unterstellten Personenkreis. Oder meinen Sie etwa, man könnte sich angesichts eines solch von Ihnen beschriebenen Fauxpas hinstellen und sagen: „Halt, meine Herrschaften, ich gehöre zwar zu seiner Abteilung, möchte aber keineswegs mit ihm verglichen werden.“

 
Oh nein, mein Beste, lassen Sie sich als feinfühliger Kenner gewisser hierarchischer Strukturen dieser Behörde gesagt sein, dass hier andere, höhere Agenzien wirken, die außerhalb jeder Erörterung stehen und nun mal vorgegeben und unabwendbar, weil in eine andere Sphäre verlagert sind. Sie werden sich noch am meine Allegorie von der ’Randerscheinung’, namentlich meines Gefühles eines Winzlings im Vergleich zur  übermächtigen Dominanz des Fürsten erinnern. So gesehen ist Ihr sicher gut gemeinter Versuch, sich selbst in zweifellos solidarischer Absicht nur noch weiter herabzustufen, durchaus tröstlich, ändert jedoch nichts am Fakt.
 
Sie meinen, ich übertreibe? Nun gut, dann erklären Sie mir bitte, wie es angehen kann, dass er mich die ganze Zeit keines einzigen Blickes würdigte – übrigens ganz im Gegensatz zu Ihnen, die Sie ja wohl noch, wenn ich mich recht entsinne, in den Genuss einer ganz persönlichen Geste, namentlich eines Gläschens Sekt gekommen sind, was von anderen Seiten manche scheele Blicke nach sich zog -, indessen er mich ganz ungeniert meine Nichtigkeit d.h. Nebensächlichkeit spüren ließ. Im Ernst. Denn als er sich so sporadisch neben mir am Tresen aufbaute und lautstark mit einem beinahe volkstümlich zu nennenden Kraftausdruck ’ne Limo mit Schuss, aber ein bisschen dalli!’ verlangte, bemerkte er nicht einmal, dass er mir damit die ganze Zeit die Sicht versperrte. Somit versagte er mir jede Möglichkeit eines eventuellen Blickkontaktes mit einer gewissen, vermutlich äußerst einflussreichen Dame, die im Vorzimmer des allmächtigen Direktors W-dt. tätig ist. Dabei ist ihm nicht mal ein Vorwurf zu machen, denn er hat mich angesichts meiner Unbedeutsamkeit, die mir in jenem Moment in der Tat auf erschreckende Weise deutlich wurde, tatsächlich nicht gesehen, oder besser, sah durch mich hindurch.
 
Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, dass ich, der ich die ganze Zeit hinter seinem doch recht breiten Kreuz zu verharren verdammt war, mich mehrmals versucht fühlte, ihm zaghaft auf die Schulter zu tippen, um ihn auf die Unpässlichkeit der Situation aufmerksam zu machen, doch im selben Moment die Unmöglichkeit eines solches Ansinnens begriff, zumal sich die Beteiligte, und das gebe ich auch offen zu, mir gegenüber äußerst kühl, man kann fast sagen, beleidigend abweisend verhielt und mein galantes ’Prösterchen’ nur mit einem dummen Kopfschütteln abtat. Ob das geringschätzende Verhalten des Fürsten diese Reaktion beförderte, vermag ich nicht zu beurteilen - jedenfalls trug es nicht unbedingt zur Entspannung bei und das muss ich ihm leider anrechnen.
 
Somit bleibt mir nichts, als das Ganze rückblickend als eine neuerliche Intrige gegen meine Person zu werten, und wenn ich etwas bedauere, dann nur, dass ich meinen Protest, gegen diese hier gemeinhin bekannten Machination nicht effizienter auszudrücken verstand. Verstehen Sie mich bitte recht, aber es gibt nichts Unwürdigeres und vor allem Niederschmetterndes, als in einem solchen Moment so brutal niedergewalzt zu werden und das ausgerechnet vor einer Person, die man eigentlich beeindrucken wollte. Ich kann das deprimierende Gefühl nicht annähernd beschreiben, das ich in jenem Moment empfand - man glaubt, ein Insekt zu sein, ein unwürdiges Staubkorn, wenn sie mich jetzt verstehen.

Nun hat das alles sicherlich nichts mit Ihnen zu tun, meine Gnädigste, und wenn Sie, wie Sie eingangs erwähnten, mir dennoch sehr zugetan sein sollte, so ist das für mich durchaus schmeichelhaft. Ich bitte Sie jedoch zu bedenken, dass ich in meinem bescheidenen Amt als kleiner unwürdiger Beamter für gewisse Arrangements nichts, aber auch gar nichts richten kann. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber auch wenn es zuweilen den Eindruck macht, dass ich für gewisse Dinge empfänglich bin, die über das normal Dienstliche hinausgehen, so ist doch ein harmloser Witz oder eine nette Bemerkung, wie wir sie in unserem Zimmer während der Zeit unserer erquicklichen Zusammensein des öfters zu teilen pflegten, noch lange kein Freibrief für mögliche Respektlosigkeiten. Oder meinen Sie etwa, ich hätte nicht bemerkt, wie sie mich zuweilen während der lebhaften Schilderungen von gewissen Ereignissen hinsichtlich meiner Reaktionen genau beobachteten, um daraus - und das kann ich Ihnen versichern - mit Sicherheit etwas völlig Falsches abzuleiten ... ähm ... Sie sehen mich in Erklärungsnöten  ... Vielleicht drücke ich mich etwas umständlich aus, aber da Sie nun mal eine Vertreterin des weiblichen Geschlechtes sind, welches bekanntlich sehr zweckorientiert ist, vornehmlich, wenn es um bestimmte Ziele geht, lassen Sie sich gesagt sein, dass ich, trotz aller warmen und herzlichen Gefühle für Sie, dennoch kaum der rechte Ansprechpartner sein kann. Selbst auf die Gefahr, jetzt damit ihren Unwillen zu erregen, sei der fairneßhalber angemerkt, dass mich Ihre Offenheit natürlich keineswegs ungerührt lässt, im Gegenteil. Es amüsiert mich, mit welch dreister Feder Sie über den Fürsten richten, was mich schon arg verwundert, denn so etwas, Sie werden verzeihen, hätte ich einem solch ’unscheinbaren Mäuschen’, wie sich der Fürst einmal erheitert ausdrückte, gar nicht zugetraut.

Nun gut, ich gebe zu, dass Sie mich damit bis zu einem gewissen Grade beeindruckt haben, aber sagen Sie mal, wollten Sie das wirklich, und wenn ja, warum, und vor allem, warum ausgerechnet mich? Ich bin ein Frauenfeind, dass wissen Sie, bin Junggeselle und lebe bei meiner alten Mutter. Zu meinen Hobbys zählen neben Wanderungen, ausgedehnte Randtouren vor allem ausladende Telefonate mit älteren Kollegen. Ich lache eigentlich nicht sehr gerne und hänge lieber stundenlang meinen dumpfen Gedanken nach, die mich zuweilen völlig spontan überkommen und dann zu manchen, für Außenstehende recht unverständliche, Emotionsausbrüchen führen.

 
Wenn Sie das alles noch nicht wussten, wissen Sie es jetzt. Bisher gab es in meiner Vergangenheit schon mehrfache Versuche des weiblichen Geschlechts, mich auf diese oder jene Weise zu umgarnen, oder, um des deutlicher auszudrücken, hinters Licht zu führen. Doch zu meinen Troste kann ich mit Stolz behaupten, bisher alle Angriffen widerstanden zu haben, jawohl! Sollten Sie sich damit nicht angesprochen fühlen, wäre mir das nur recht und diese Anmerkung überflüssig.
 
Warum ich dennoch fortwährend an Sie denken muss, kann ich mir nur so erklären, dass Sie offenbar über eine besonders subtile Form der Einflussnahme auf einen Mann verfügen, die mir bisher völlig rätselhaft ist, doch welche ich noch ergründen werden, darauf können Sie sich verlassen. Sie werden geneigt sein, sich noch daran zu erinnern, als ich Ihnen am Tisch meine Nichtigkeit, bzw. Randerscheinung offenbarte und Sie daraufhin einen herzerfrischenden Vergleich zu sich anstellten, worauf ich, entgegen meiner sonstigen Art, so schallend lachen musste, dass mir beinahe die Prothese herausgefallen wäre. Glauben sie mir, das war gespielt, denn innerlich habe ich längst gekocht, denn ich hatte sofort bemerkt, wie Sie mich dabei ansahen, oder besser, anfunkelten. Teufelin! Spätestens da wusste ich, dass Sie etwas im Schilde führten, denn wie sonst wäre es zu erklären, dass mich plötzlich das unbändige Verlangen überkam, Ihre Hand zu nehmen und zu streicheln? Natürlich habe ich mich, wie es sich gehört, zusammen genommen, auch wenn es mir alle Mühe machte, dieser plötzliche Wärme und Nähe mit der gewohnten Kälte eines mittleren Beamten zu begegnen. Und nicht nur dass, wenn ich schon dabei bin, gestehe ich Ihnen auch, dass ich für einen winzigen Moment (und das war sicher nur eine hunderstel Sekunde), sogar eine heiße Welle in meinem Nacken fühlte und zwar gerade da, als sie mich anlächelten und ich Sie am liebsten auf den Mund geküsste hätte ...

So jetzt ist es raus, verdammt noch mal! Zum Glück habe ich es nicht getan, und bin froh darüber. An jenem Abend jedoch, als ich nach meiner Verabschiedung wie ein bockiges Kind nach draußen gegangen war, nur weil man mir einen Salatteller vorenthielt, der mir doch zustand, ärgerte ich mich furchtbar und zwar so sehr, dass ich am liebsten, das verstehe wer will, wieder umgekehrt und mich  zu Ihnen gesetzt hätte, nur, um Ihnen nahe. Ist das noch normal?

 
So weit ist es also schon mit mir gekommen. Aber wie hätte das wohl ausgesehen, ich, der mittlere Beamte, die Randerscheinung, und Sie, die kleine Praktikantin, der Partikel in der Stratosphäre. Ich bitte Sie, das müssen Sie doch zugeben ... was hätte der Fürst, was der Direktor W-dt. von mir gedacht? ... Aber ich glaube, Sie verstehen das, und das ist schlimm. Lieber wäre es mir, Sie verstünden es nicht und ließen mich erklären. Doch so habe ich manchmal das Gefühl eines Dummkopfes, der sich in Ihrer Gegenwart schrecklich töricht aufführt.
 
Wissen Sie, Männer wollen herrschen, müssen das Gefühl haben zu dominieren, und Sie haben ein absonderliches Talent, mir dies Gefühl zu lassen, so das es mir unmöglich wird, Sie, wie Ihre Vorgängerinnen zu hassen. Das wäre aber nötig, um Ihnen zu widerstehen, d.h. nicht mehr an Sie zu denken. Zum ersten Mal fühle ich mich einer Frau ausgeliefert, in deren Gnade es allein liegt, mich hassen oder lieben zu lassen, wobei ich mir Letzteres nicht vorstellen kann. Jetzt ist es jedenfalls dazu gekommen, dass ich unsere kleine Korrespondenz genieße, auch wenn ich nach wie vor nicht frei von Argwohn bin, und es irgendwie bedauere, dass Sie uns schon bald wieder verlassen werden. Wissen Sie, da Sie nunmehr schon das Zimmer geräumt haben und nur noch die leeren Möbel dort stehen, wo sie einst gesessen haben, betrachte ich manchmal lange ihren nunmehr leeren Schreibtisch. Dann stelle ich mir vor, sie säßen noch dort und rede sogar mit ihnen, freilich nur, wenn dieser, für meine Begriffe doch reichlich gelackte W. endlich einmal aus dem Zimmer ist. Und welche Wunder, dann höre ich sogar ihre Stimme und führe richtige Dialoge - ist das nicht ulkig?

 

 

Hab sogar schon im Lexikon nach Ihrem Sternzeichen nachgeschlagen, kindisch nicht? Mutti sagt, ich hätte mich sehr verändert, hätte jetzt des öfteren rote Backen und einen verträumten Blick. Ich bin verwirrt, Sie werden verzeihen. Schon jetzt hoffe ich inständig auf einen neuerlichen Bericht über ihre Ankunft im neuen Abschnitt und mögen Ihnen auch weiterhin alles bestens gewogen sein.

 

 

Ergebenst Ihr K., der jetzt erst mal sein Gläschen Milch trinkt

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.02.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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