Angela Kuschel

Die Tiere

Eines Tages sagte ein Löwe zu seiner Frau:
"Schau dir mal an, was aus uns geworden ist.
Wir müssen ständig vor irgend welchen habgierigen Jägern aufpassen.
Sieh doch mal nach Osten. Da haben sie irgendein großes Gebäude errichtet.
Ich weiß zwar nicht, was es ist, doch es kann nichts Gutes bedeuten.
Seitdem es dort steht, sind alle Bäume drumherum abgestorben.
Und dann der Norden:
Dort ist ein Elefantenfriedhof -unzählige Tiere sind dort begraben,
bedeckt von der Erde, die sich mit der Zeit über sie gelegt hat.
Mich wundert ja nur, warum sie alle keine Stoßzähne mehr haben!
Ich bin vor kurzem in Richtung Süden gelaufen, in der Hoffnung, irgendwo Zebras aufzuspüren, als ich mit einem Mal nicht weiterkonnte.
Dort war ein seltsamer Drahtzaun,
bei dessen Berührung es einmal heftig durch mich hindurchzuckte.
Ich blickte also in sicherer Entfernung hindurch und konnte große Gegenstände mit vier Rädern erkennen.
Ach ja! Und dann hörte ich Schüsse, die mich veranlassten,
sofort umzudrehen und woanders meine Jagd fort zu setzten.
Tja, und der Westen, der Westen ist die einzige Himmelsrichtung,
die noch nicht versperrt ist, doch wer weiß wie lange noch?"
"Warum unternimmst Du denn nichts?", fragte seine Frau,
die ihn mit großen Schritten umkreiste.
"Überleg' doch! Du bist der König der Tiere! Auf dich hören sie!", fuhr sie fort.
"Was soll ich denn tun?", fragte der Löwe und ließ sich zu Boden sinken.
"Töte sie!", sagte die Löwin entschlossen und blickte ihm direkt in die Augen.
"Ich soll was?", erwiderte er entsetzt.
"Na du und alle Tiere dieser Welt, ihr sollt die Menschen töten, ermorden, ausrotten -
so wie sie es mit unseren Freunden gemacht haben!"
"Aber wie stellst du dir das vor? Sie haben Gewehre und viele andere Möglichkeiten,
um uns umzubringen. Das haben wir nicht!"
"Nein!", erwiderte seine Frau selbstsicher, "doch wir haben Kraft,
Ausdauer und List und sind außerdem in der Mehrzahl! Rufe noch heute Abend alle Tiere
aus unserer Umgebung zusammen und teile ihnen mit, was du zu sagen hast! Danach sollen sie es an jedes Tier weitergeben."
"Das wird lange dauern", gab der Löwe skeptisch zu bedenken.
"Wir haben Zeit!", erklärte ihm seine Frau.
Und so kamen alle Tiere der Umgebung zusammen, und alle waren mit dem Vorschlag ihres
Königs einverstanden.
Es dauerte vier Jahre, bis jedes Tier von dem Vorhaben wusste.
Einen Tag vor Karfreitag, im Jahre 2020, war die Stunde des Angriffs gekommen.
Die Tiere waren bereit.

Der König stand auf einem Erdhügel, blickte in die Runde, holte tief Luft und rannte los,
gefolgt von seinen unzähligen Untertanen.
Wie viele Tiere in dem Kampf ihr Leben lassen mussten, weiß man nicht, doch am Karfreitag
des Jahres 2020 hatten die übrigen es geschafft, die Welt zu erobern.

"Wir haben es tatsächlich geschafft!", rief die Frau des Königs.
"Ja! Ich wusste, wir würden es schaffen!", erwiderte der König stolz.
Er stellte sich auf ein umgekipptes Auto und sprach:
"Meine Tiere! Wir sind endlich frei! Doch lasst uns, bevor wir unseren Sieg feiern, für die
tapferen unter uns beten, die ihr Leben für diesen Sieg gelassen haben."
In diesem Moment kommt eine Amsel angeflogen.
"Majestät, Majestät! Etwas furchtbares ist geschehen. Wir wissen nicht, wie wir die großen,
dampfenden Gebäude vernichten sollen. Wenn sie weiter so qualmen, kriegen wir bald keine Luft mehr!"
Und ein Pinguin kam angelaufen und erzählte, dass die Meere alle schwarz seien und dass
bereits kein einziges Tier mehr darin leben würde.
"Für die Meeresbewohner ist es also zu spät... doch jetzt müssen wir zusehen, dass wir es
zumindest schaffen!
Schickt die klügsten Affen zu mir!", befahl der König.

Doch auch die Affen wussten nicht, was zu tun war.
Sie konnten die rauchenden Gebäude nicht anhalten.
Innerhalb von sechs Tagen wurde die Luft so schlecht,
dass die meisten Tiere vergiftet wurden und starben.
Am 7. Tage waren alle Tiere bis auf den König tot.
"Ich denke, wir waren naiv, zu glauben, wir könnten die Welt noch ändern!"
Mit diesem Satz brach der König zusammen und verließ die Welt,
ohne seinen Sieg gefeiert zu haben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.05.2001. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Weil ich das Verschwenderische des Lebens begriffen habe, die Extreme erkannte und über den Weg von einem zum anderen nachzudenken anfing, weil ich verstand wie elend es ist, wußte ich auch, wie schön es ist und weil ich erkannte, wie ernst es auch ist wußte ich auch wie fröhlich es ist.

Und weil ich begriff wie lang und wie kurz der Weg zwischen beiden ist, nahm ich ihn auch wahr und so ist mir heute jeder Schritt es wert eingehalten zu werden, weil hinter jedem Ereignis sich ein anderes verbirgt und sichtbar wird.

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