Jürgen Behr

Die geheimnisvollen Zeichen Teil II

„Julius“, fährt Jonathan fort: „Mark und ich sind uns eins, dass wir dich in unseren Bund der Treue und Freundschaft aufnehmen wollen. Wir denken, dass wir uns recht gut verstehen“.
Kaum hat Jonathan diese Worte zu Ende gesprochen, zieht Julius sein Hemd vom Leib. Mark desinfizierte derweil den Dolch ähnlichen Gegenstand mit Schnaps. Vom schlechten Geruch des Schnaps unbeeindruckt begann Mark die Zeichen der Treue und Freundschaft in die Brust von Julius zu ritzen.  Julius rührte sich nicht.
Jonathans Blick wandert von Julius hin zum Mauerteil. Jonathan spricht mit sanfter Stimme: „In der Suche nach der unbekannten Grösse sind wir uns eins“ und begann aus dem Nietzsche-Gedicht: ´´Dem unbekannten Gott``  die Schlussverse zu zitieren:
 
Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rolle
auch bis zur Stunde bin geblieben:
Sein bin ich – und fühl die Schlingen,
die mich im Kampf darniederziehn
und, mag ich fliehn,
mich doch zu seinem Dienste
zwingen.
Ich will dich kennen, Unbekannter,
du tief in meine Seele Greifender,
mein Leben wie ein Sturm
Durchschweifender,
du Unfassbarer mir Verwandter!
Ich will dich kennen, selbst
Dir dienen.
 
Julius beginnt zu erzählen, wie oft er nächtens schon über Gott nachstudierte und sagt: „dem Unbekannten, Unfassbaren, dem will ich auch dienen und leidenschaftlich gerne kennen. Ich danke euch.

 

Brücke der Gemeinsamkeit

 
Noch am gleichen Tag spüren Jonathan, Mark und Julius einen ungeheuren Drang, etwas zu tun, sich auszudrücken, sich mitzuteilen. Sie schmieden einen gemeinsamen Plan. Sie beschliessen, zusammen eine  Novelle  zu schreiben. Über den Titel  gibt es unterschiedliche Ansichten, aber über den Inhalt sind sie sich gleich einig, da sie alle drei dem Unbekannten, Ungreifbaren dienen und  ihn leidenschaftlich gerne kennen wollen.
Jonathan ergreift das Wort: „ Ich weiss, dass zwischen uns drei magnetischen Persönlichkeiten und zwischen der unbekannten Grösse ein meterdicker Graben klafft, den keiner von uns überbrücken kann,  Ich weiss, im Grunde ist es unsere menschliche Schwachheit, aber was unsere Stärke ausmacht, ist, das sehr feste Eingebettetsein in einem Kreis bestimmter Gedanken, Gefühle, und Vorstellungen, den wir bestimmt um nichts in der Welt verlassen wollen. Das macht unsere Brücke der Gemeinsamkeit aus“.
Julius ergänzend: „Klar, es ist der Grundzug unseres Wesens. Wir sind anders als andere, wir neigen dazu unsere Welt von einem auf den anderen Augenblick völlig umzupolen und neu auszurichten. Dadurch besitzen wir natürlich nicht so ein schönes, festes Persönlichkeits-Kastell, in das wir uns zurückziehen und verteidigen können wie in ein Privatschneckenhaus, wenn neue Eindrücke auf uns losdreschen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass unser eigener Horizont deshalb auch viel weiter ist als die Vorstellungswelt der meisten Menschen. Sie leben ein Leben, was die meisten nicht befriedigt, im Grunde genommen sind sie völlig verschlossen  und haben nach aussen und innen die Schatten dicht“.
Mark: „Aber sie fühlen sich freilich ganz wohl dabei, und wir wollen es ihnen nicht verdenken, wenn sie derweilen noch ganz zufrieden in ihren Nichtschwimmer-Bassin herumplantschen“.
Jonathan: „ich denke, wir werden unseren gemeinsamen Plan, ein Tagebuch über uns zu
schreiben, bestimmt nicht bereuen, im Gegenteil, wir können mit der Möglichkeit spielen und jonglieren durch eine spätere Veröffentlichung des Tagebuches unseren kleinen Kreis zu erweitern. Wir werden so bestimmt noch Dutzenden solcher andeutungsweisen  Seelenverwandtschaften begegnen“.
Und Jonathan weiter: „Ich schlage vor, dass jeder für sich Tagebuchblätter führt und wir uns einmal in der Woche treffen und unsere Gedanken austauschen, dabei dürfen auch kleine abenteuerliche Vorstellungen einfliessen. Abenteuerlich ist vieles auf der Welt, auch kleine Dinge, auch wenn man auf einem Weinberg herumstreicht, zum Beispiel dem Schlossberg bei Freiburg (=kleine Stadt im Breisgau), um in den verwilderten Garten eines geheimnisvollen Herrenhauses zu gelangen, hintenherum, weil vorne alles zu ist, verriegelt zur Ferienzeit, mit Schildern verstellt „Betreten verboten“,  „Warnung vor dem Hunde“ und mit Schlössern versperrt und verrammelt. Darum muss man darauf sehen, von der anderen Richtung in den Parkgarten einzugelangen, von der Bergseite heranzuschleichen, über die Weinhänge zu klettern, dann durchs schattige Unterholz, alles morsch hier, jahrelang ist hier kein Mensch gelaufen, der Boden ist steilschüssig und bröckelt unter den Füssen weg, die Äste und Zweigstreben der Bäume und des Strauchwerks, an denen man sich halten möchte, sind so morsch vom langen sonnenlosen Schattenleben unter dem urwaldartigen Verfilz der Laubmasse des oben vor dem freien Himmel, dass sie einem in der Hand bleiben, wenn man sie ergreifen will. Endlich vor dem Haus stehen:  dichte Brennnesselherde wuchern und machen den weiteren Zugang beinahe unmöglich, vor allem wenn man nur eine kurze blaue Hose trägt. Trotzdem weiter ans Haus heranpirschen, so lang es gehen will. Flüstern! Vorsichtig! Leisetreten! Die Gegend ist hier heller und freundlicher, der Grund nicht mehr so morschig, Nussbäume stehen, Mirabellzweige mit reifenden Früchten, die weisse Blüte der Trompetenbäumchen leuchtet hervor. Ganz dicht an der Rückenseite des Hauses aber fliesst ein etwa zwei Meter breiter Kanal wie ein Wassergraben vorbei, und, als hätte man unser Kommen vorausgesehen, ist hart am Bachrand noch ein hoher Drahtzaun gezogen, überstrübt von Windengewächsen, und Brennnesseln jede Menge davon, so dass ein Eindringen vollkommen aussichtslos erscheint. Wir sehen uns etwas dumm in die Gesichter; die Gegend, in der wir stehen, ist ganz still, Sonntag Nachmittagsstille, völlig unberührt, überall wildgrünend, freiwuchernd. Wie, wenn jetzt plötzlich der Schrei, der Schrei irgendeines Tieres unsichtbar die beiden Eingeschlichenen ängstigte? Wir schlagen uns seitwärts ins Gesträuche und entdecken eine Hang ab führende Treppe (alte, eingesunkene, überwachsene Stufen). Hinab gelangen wir in eine Art Vor- oder Hinterhof des Herrenhauses, finden uns plötzlich hinter einer der verschlossenen Schildertüren stehend wieder, die die Aufschrift tragen: „Betreten verboten“ oder „Betteln nicht erlaubt“ oder „Warnung vor dem Hunde“. Die Zeit drängt, dein Zug fährt in einer halben Stunde und du musst noch zusammenpacken, wie du sagst. Also klettern wir linkerhand über das Törchen hinweg. Hoffentlich sieht uns keiner, und hoffentlich glotzt die alte Frau nicht mehr aus dem Haus vis-à-vis, die uns schon vorhin, bei der Ankunft, mit misstrauischen Augen verfolgt hat. Aber es gelingt alles gut.
 
Julius und Mark staunten über Jonathans  eindrucksvolle Schilderung.
 
Julius: „Da fällt mir auch ein Erlebnis ein. Es war Spätherbst, es ging mir an jenem Tag ziemlich mies, das Wetter war schwül, unentschlossen, nichts voranbringend, nichts Halbes nichts Ganzes, lag auf der Stimmung ein Zentner Steine, der Himmel hatte sich bei aller Hitze wieder betrübt, den man sich herumtragen und immer anheben muss, um nicht darunter beerdigt zu werden. An diesem Tag war meine Laune zerschmettert. Lustlos und seelisch im Käfig lag ich bei weitgeöffnetem Fenster auf dem Bett, zu müde,  es zu schliessen. Vom Bett aus konnte ich das bedrohliche Zusammenziehen der Wolken beobachten. Ein gewaltiger Sturm kam auf und plötzlich, von einer Windböe getragen,  wirbelte ein bedrucktes Blatt Papier durch mein Fenster und blieb auf meinem Bett liegen. Huch! Was ist denn das?
 
Mark: „Was stand denn auf dem Blatt?“
 
 
Fortsetzung folgt!!!
 
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.02.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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