Andreas Wienpahl

Rastlos

Da saß er. Er sagte kein Wort und starte einfach auf die Turmuhr. Um ihn herum sammelte sich eine hektische Menschenmasse. Ich stellte mich dazu.
„Er sitz da schon genau acht Tage ohne einmal aufgestanden zu sein“, hörte ich jemanden neben mir sagen.
„Was will er denn?“, fragte eine Frau besorgt.
Der sitzende Mann schien diese Frage gehört zu haben und antwortete: „ Ich ruhe mich aus, ich habe einen langen Weg hinter mir.“
Die Menschenmenge schien verwirrt zu sein und löste sich langsam auf. Auch ich ging, etwas verunsichert, nach Hause.
Eine Woche später ging ich wieder am Kirchplatz entlang und sah den Mann dort immer noch sitzen. Vor ihm standen Polizisten und der Bürgermeister. Langsam näherte ich mich.
„Warum stehen sie nicht auf und gehen endlich?!“, schrie der Bürgermeister energisch.
Der Mann schaute noch immer auf die Turmuhr und antwortete: „Ich ruhe mich aus, ich habe einen langen Weg hinter mir. Wieso wollen Sie, dass ich gehe?“
„Sie verbreiten Unruhe und machen nichts als Ärger!“, fuhr der Bürgermeister den Mann an.
„Indem ich hier sitze?“, fragte der Mann erstaunt.
Der Bürgermeister gab den Polizisten ein Zeichen und lächelte.
Der Mann wurde abgeführt. „Ruhen Sie sich nicht auf Kosten der Öffentlichkeit aus!“, rief der Bürgermeister hinterher.
Ich schaute hinterher und dachte nach.
Ich setze mich auf die Bank und schaue auf die Turmuhr.

Nach so langer Zeit, wollte ich mal meine Intention zu diesem Text erläutern.
Meine Art und Weise, wie ich den Text sehe, ist auch bestimmt nicht die einzige Sichtweise, das ist ja das Schöne an Kurzgeschichten.
Aber ich wollte eine Parabel schreiben, also ein Bild vermitteln, das man erst deuten muss, um es zu verstehen.
Was der Leser nicht weiß, ich habe als ich diesen Text verfasst habe, mich intensiv mit Kafka beschäftigt und das Motiv Turmuhr, was der meiner Meinung nach größte Geist des letzten Jahrhunderts, oft in seinen Bildern verwendet hat, auch selbst mit der gleichen Bedeutung übernommen.
Natürlich vergleiche ich mich in keiner Weise mit Kafka, ich wollte nur einen Text in seiner typischen Bauart erstellen.
Zur Deutung:
Die Turmuhr steht natürlich für die Vergänglichkeit. Gleichzeitig symbolisiert sie was festes und unantastbares. Die Zeit vergeht, man kann sie nicht aufhalten. Sie stellt also eine Art Autorität dar.
Mein sitzender Mann sagt von sich selbst, "er habe einen langen Weg" hinter sich => alter Mensch => Rentner
Auf Kosten der Öffentlichkeit sollte jetzt auch eindeutig sein?
Und warum setzt sich das lyrische Ich? Wegen der Autorität der Zeit, ist es unvermeidlich, das auch wir einmal nicht mehr können und uns "setzen" müssen.

Zudem Zeitpunkt der Erstellung des Textes gab es in der Politik und Wirtschaft, eine Diskussion über die Rentenreform.

Der Ausspruch eines Bekannten: " Gib Gas dahinten ist ein Rentner auf der Straße, die liegen uns nur auf der Tasche" veranlasste mich zu diesem kurzen Text und soll,wie alle meine Werke nicht bewerten, sondern zum Denken anregen.

A. Wienpahl
Andreas Wienpahl, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.02.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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