Florian Kolbe

Die Schreibmaschine

Der junge Mann war ungehalten.
Seit einem Jahr mußte er die Gefängniszelle mit dem alten Spinner
teilen.
Seine Verlegungsgesuche waren abgelehnt worden.
Er versuchte wieder einmal mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Das war schwierig, denn der Alte lebte in seiner eigenen Welt.
Sein Haß wuchs von Minute zu Minute, er wollte wenigstens wissen
was dieser Vergeistigte verbrochen hatte.
Er riß ihn hoch und forderte ihn auf zu reden. Müde Augen starrten
ihn begriffsstutzig an.
Eine Welle der Wut durchströmte seinen Körper und erreichte seine
Hände.
Sie umfassten den Kopf und schlugen ihn gegen die Wand.
Immer gegen die rissige, vergilbte Wand.

Der Greis stöhnte :"Seit zwei Jahren nur Hosenbeine und Röcke...
Bevor ich weine, trinke ich lieber noch einen Roten. Die meisten
trinken ihn weil er billig ist. Bei mir ist das anders, ich saufe den
Fusel weil er zu mir passt.
Bin genauso billig und niveaulos. Manchmal denke ich er war vor mir
da und hat sich hier auf der Straße in Fleisch und Blut verwandelt."
"Was faselst du da? Rede gescheit, ehe ich dich erschlage!"
Gleich einer Schnecke war er an der Wand heruntergerutscht.
Seine Worte klangen jedoch jetzt vernünftiger.
"Mein Leben war nicht übel, nur etwas langweilig. Ich hatte einen
Job, nichts besonderes, aber zu ertragen.Das genügte mir nicht, ich
wollte Erfolg haben.
Mir kam der Gedanke es mit dem Schreiben zu versuchen. Ich bat
meine Frau, die Schreibmaschine vom Dachboden ihrer Eltern zu
holen.
Sie hatte früher ihrem Großvater gehört, der einige Jahre ein recht
bekannter Schriftsteller gewesen war, bis er an den Folgen seiner
Trunksucht starb.
Sobald ich vor ihr saß tippten meine Finger wie eigenständige
Wesen. Ich las Worte, Zeilen, Geschichten, die mir völlig fremd
waren.
"Ob du es glaubst oder nicht Kumpel, eine Minute bevor ich an der
Maschine sitze, habe ich noch keinen blassen Schimmer," sagte
ich zu dem jungen Burschen, der sich neben mich gesetzt hatte.

Meine Finger hämmerten nächtelang, ohne daß ich mein Gehirn
anstrengen mußte.
Seltsame Werke...
Lange schämte ich mich sie einem Menschen zu zeigen.
Meine Hemmungen verflogen, als ich sie mit den Büchern bekannter
Autoren verglich. Sie waren einen Dreh besser!
Irgendwie neu und aufregend, irre und trotzdem logisch.
Einige Verlage lehnten ab.
Ein Verleger ging das Risiko.
Das war der Auftakt eines jahrelangen, unaufhaltsamen Erfolges.
Irgendwann mußte mein Schatz in die Werkstatt.
Du kannst dir mein Entsetzen vorstellen, als der Inhaber mir von dem
Einbruch erzählte. Schmunzelnd erwähnte er, daß mein antikes
Stück auch verschwunden ist.
Er bot mir einen modernen Textverarbeiter an.
Ich überspielte meine Gefühle.
Selbstverständlich würde ich auch jetzt gute Literatur herstellen.
Bestimmt noch besser als vorher, denn ich konnte Korrekturen ohne
Zeitverlust durchführen.
Monatelang versuchte ich etwas großartiges zu schreiben.
Alles was dabei herauskam war ein durchschnittlicher Roman.
Ich war unfähig. Die Magie lag in der alten Schreibmaschine.
Alle Nachforschungen über deren Verbleib blieben erfolglos.

Ich begann zu trinken und es dauerte nicht lange bis meine Frau
mich verließ.
Unser Haus wurde zwangsversteigert und aus der kleinen Wohnung,
die ich danach bezogen hatte, warf man mich raus.

Der junge Mann auf der Einkaufsstraße lachte hemmungslos.
"Ich kann es nun erzählen, die Tat ist verjährt. Siebzehn war ich und
die Gang hatte sich eine Aufnahmeprüfung ausgedacht. Ein Haufen
von zehn verwahrlosten Jugendlichen, aber ich wollte unbedingt
dazugehören.Ich bin in das Geschäft eingebrochen. Über deine
Schreibmaschine haben sie alle gelacht, deswegen warf ich sie in die
Mülltonne."Konnte ja nicht ahnen, daß du so daran hängst."
Er hörte nicht auf zu lachen.
Ringsherum lachten alle.
Ich mußte dem ein Ende setzen!

Als das Blut, einem Springbrunnen gleich, aus seinem Hals sprudelte
und ich das Messer wieder einsteckte verstummte das Gelächter."

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.06.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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