Cellaryl
saß in seinem neu eröffneten Büro. Der junge Privatdetektiv hatte sich lange
auf seinen Start als erster Privatdetektiv Rubi-Ka's vorbereitet. Die
Information an die Presse war draußen, seine Dienstleistung offiziell
registriert. Nun brauchte er nur noch Kunden.
Trotz
seiner Vorbereitungen war Cellaryl vollkommen überrascht, als plötzlich der
Summer seiner Büro-Türe ertönte und eine junge Frau das Büro betrat.
"Guten
Tag, ich bin Privatdetektiv Cellaryl. Wie kann ich Ihnen helfen?"
Die junge
Dame machte einen etwas verwirrten Eindruck. Das dunkle Haar bildete einige
hartnäckige Stränen, die ihr geradezu atemberaubendes Gesicht durchzogen. Sie
war etwa 1,60m groß und der graue, weite Mantel konnte ihre weiblichen Konturen
nicht vollständig unterdrücken. Ihre funkelnden Augen suchten hektisch den Raum
ab.
"Geht
es Ihnen gut, Miss...?"
"Bitte
- können Sie mir helfen? Ich glaube, ich werde verfolgt."
Trotz
ihres merkwürdigen Auftretens und der hektischen Blicke erweckte die Dame nicht
den Eindruck einer von Paranoia verfolgten Spinnerin.
"Nun,
äh, könnten Sie mir erst einmal Ihren Namen..."
"Es
ist wichtig, Herr Cellaryl! Ich bin in Gefahr, ich spüre es. Können Sie mir
helfen?"
Cellaryl
legte seine Strin in Falten.
Dieses
bezaubernde Geschöpf war offensichtlich in Not und gedachte, sich von ihm,
Privatdetektiv Cellaryl, helfen zu lassen. Stolz und Wärme durchströmten seine
Seele, er fühlte sich als heroischer Retter in der Not oder etwas in der Art.
Eine
innere Stimme empfahl ihm, den Auftrag umgehend abzulehnen. Eine sehr nagende
innere Stimme. 'Du bist kein Sicherheitsdienst, Junge! Du bist ein Schnüffler!
Du bist kein Held, kein Ein-Mann-Abrissunternehmen. Schick sie zu einem
ordentlichen Sicherheitsdienst und spiel nicht den Helden!'
Cellaryl
wischte alle Bedenken kurzerhand beiseite, als die mysteriöse Schönheit ihren
Mantel an die Garderobe hängte und ein dunkelrotes Top darunter zum Vorschein
kam. Es war nicht etwa aufreizend, nur.... figurbetont.
"Nun
gut, Miss..."
"Romena.
Einfach nur Romena, kein Miss und so Zeugs."
"Ok.
Setzen Sie sich doch erst mal, Romena. Nun erzählen Sie, was liegt Ihnen denn
auf dem Herzen?"
Sie legte
ihren schmalen Kopf leicht auf eine Seite und begann, während der Detektiv
seinen Blick nicht von ihr wenden konnte.
"Im
Prinzip ist es ganz einfach. Ich werde verfolgt und Sie sollen mir
helfen." Die Einfachheit, wie sie ihr Problem vorbrachte, zertrümmerte den
letzten Rest beruflichen Verstandes, den Cellaryl noch gewahrt hatte.
"Nun...
äh... sollte ich nicht vielleicht mehr über die Situation wissen? Ich soll
Ihnen doch helfen..."
"Im
Augenblick möchte ich Ihnen nichts sagen. Beschützen Sie mich - ich kann Sie
bezahlen!"
"Oh,...hm..
das mit dem Geld regeln wir später. Können Sie mir wenigstens verraten, wo Sie
wohnen und was Sie beruflich tun?"
"Ich
bin freie Journalistin und wohne im Moment im 'The Net'"
Das
"The Net" war ein kleines aber sauberes Hotel in Old Athen. Cellaryl
verfluchte sich innerlich, die Dame nicht gleich wieder weggeschickt zu haben.
Freie Journalistin! Das konnte ja heiter werden.
"Nun.."
sagte der junge Detektiv mit einem leichten Grinsen ", um Sie zu
beschützen muss ich wohl vorerst immer in Ihrer Nähe bleiben."
"Tun
Sie, was Sie für richtig halten, aber bitte beschützen Sie mich!"
Die
Aussicht, mit diesem engelsgleichen Geschöpf den Tag zu verbringen, ließ alle
seine Bedenken augenblicklich verstummen. Da die Lady nicht gewillt war,
weitere Informationen herauszugeben und bemerkte, sie müsse noch einiges
erledigen, zog Cellaryl seinen Trenchcoat an, steckte seine beiden BBI Faithful
Pistolen in die dafür vorgesehenen Schulterhalfter und folgte ihr, sich ganz
als Held und Beschützer fühlend, nach draußen. Ihr Parfüm hinterließ einen
lieblichen Duft in seiner Nase und benebelten kurzzeitig seinen Verstand. Aber
nur kurzzeitig.
Im
Gefolge seiner ersten Klientin betrat Cellaryl diverse Zeitungsarchive,
Informationszentren und Computerbibliotheken. Meist hielt er sich dezent im
Hintergrund und beobachtete mit vollster Konzentration die umstehenden
Personen, um im Ernstfall sofort eingreifen zu können.
Es
dunkelte bereits, als sie ihre Odyssee durch halb Rubi-Ka beendeten. Cellaryl
war sichtlich geschlaucht, doch er ließ sich nichts anmerken. Nicht vor dieser
Frau, die ihn wie magisch anzog. Er wollte es sich selbst nicht eingestehen,
doch langsam machte sich ein Gefühl in seinem Innern breit, das alles andere
als professionell war. „Verlieb’ dich niemals in deine Klientin“ – war nicht
das der allseits zitierte Spruch von beinahe jedem Fernsehdetektiv? Ha, die
hatten gut reden.
Ohne es
wirklich zu wollen, hatte er sie den ganzen Tag über genau beobachtet. Jede
ihrer anmutigen Bewegungen hatte er förmlich in sich aufgesogen. „Alles nur
rein berufliches Interesse“ versuchte er sich selbst einzureden. Er musste
beinahe selbst über sich lachen.
„Es ist
spät, ich werde in mein Hotel gehen...“ Ihre weiche, dunkle Stimme riss ihn aus
seinen Träumereien.
„In
Ordnung, ich begleite Sie noch dorthin.“ Seine Worte hörten sich für ihn
seltsam fremd an, während ihre Blicke sich trafen und ihre Augen seinen Körper
elektrisierten. Einen kurzen Moment lang verharrten sie so, bis sie lächelte
und ihm aufmunternd zunickte.
„Na denn,
Mister Detektiv. Gehen wir. Passen Sie gut auf mich auf...“ neckte sie mit
einem Blitzen in den Augen. Im Laufe des Tages war die Spannung fast vollkommen
von ihr abgefallen. Cellaryl gab sich selbst den Verdienst daran und er musste
zugeben – er fühlte sich gut. Ein bisschen wie der starke Mann, der er gern
sein wollte, ein bisschen wie der erfolgreiche Detektiv, der alles fest im
Griff hat und immer weiß, was zu tun ist.
Gemeinsam
schlenderten sie die dunklen Straßen von Old Athen entlang. Eine seltsame
Spannung lag in der Luft. Der Privatdetektiv wollte etwas zu ihr sagen, doch
ihre Nähe verwirrte seinen Verstand dermaßen, dass er keinen klaren Satz hätte
formulieren können. Also schwieg er – lief einfach neben ihr her, genoß ihre
unmittelbare Nähe, den unaufdringlichen und doch betörenden Duft ihres Parfüms
und das Gefühl, für sie Beschützer und ein Stück weit Held zu sein.
Auch sie
sagte nichts, ging schweigend neben ihm her. Er hätte ewig so mit ihr
weitergehen können, Zeit spielte keine Rolle. Nichts spielte eine Rolle.
Irgendetwas
in ihm drängte ihn dazu, nach ihrer Hand zu greifen. Wie sie sich wohl
anfühlte? Der ihm sonst eigene Instinkt schien vollkommen von ihrer Gegenwart
überblendet worden zu sein. Nur mit Mühe widerstand er dem Drang, sie zu
berühren, die unsichtbare Wand zwischen sich und ihr zu durchbrechen und mit
ihr Richtung Ewigkeit zu fliegen.
„Was tust
du hier eigentlich? Bist du verrückt? Das ist eine Klientin!“ Die warnende
Stimme in seinem Innern kämpfte mit aller Macht gegen die aufkeimenden Gefühle
in seinem Herzen an. Er malte er sich aus, wie er sie an der Hand nahm, sie
anblickte und innig küsste. Schnell wischte er diese Gedanken wieder beiseite.
Es war seine Klientin! Ein Verhältnis mit einer Klientin war alles, aber
bestimmt nicht förderlich für seine Objektivität, auf die er als Privatdetektiv
so sehr angewiesen war. Was passierte hier bloß mit ihm?
Die
surrenden Türen des „The Net“ rissen ihn aus seinen Tagträumen. Er hatte gar
nicht gemerkt, wie schnell sie vorangekommen waren.
„Zu
meinem Zimmer schaff ich es schon alleine“ meinte sie mit einem Grinsen.
„Ok...
dann ... bis morgen?“
Ihr
Lächeln ließ sein Herz einen Moment aussetzen.
Sie
zwinkerte ihm zu. „Natürlich. Schließlich möchte ich weiterhin beschützt
werden. 7 Uhr hier am Empfang.“
Er
stöhnte innerlich auf. 7 Uhr früh war nicht seine bevorzugte Uhrzeit. Doch der
Gedanke daran, einen weiteren Tag mit Romena verbringen zu können, überspielte
den Missmut über den frühen Arbeitsbeginn.
„Dann ...
bis morgen...“
Er kam
sich irgendwie dämlich vor. Normalerweise wäre jetzt irgendein cooler Spruch
vom Held gekommen, doch sein Gehirn war wie leergefegt. Sie schauten sich
einfach nur an.
„Bis
morgen...“
Einen
Moment schien es, als würde sie etwas erwarten. Die Lippen leicht geöffnet,
einen seltsamen Ausdruck in den Augen sah sie zu ihm auf. Die Momente
erschienen ihm wie eine Ewigkeit, während er in ihren dunklen Augen versank.
Doch zu mehr war er nicht in der Lage. Sein Körper war wie erstarrt. Er wollte
etwas sagen. Sie im Sturm erobern. Sie an sich ziehen und leidenschaftlich
küssen.
Wie aus
weiter Ferne hörte er sich selbst sagen: „Schlafen Sie gut.“
Sie
lächelte ihn an. Falls sie enttäuscht war, ließ sie es sich nicht anmerken.
Dann drehte sie sich um und ging in das Hotel hinein. Verschwand aus seinem
Blickfeld.
Innerlich
verfluchte er sich selbst für seine Dummheit. Langsam ging er zurück nach West
Athen, während ihr Gesicht unaufhörlich in seinem Kopf herumschwirrte. Auf was
hatte er sich da nur eingelassen.
Punkt 7
Uhr stand Cellaryl, noch etwas müde aber voller Vorfreude, im Foyer des kleinen
Hotels. Sein Herz begann wieder unregelmäßig zu schlagen, als Romena die
Treppen hinunterglitt. Sie lächelte ihn an. Mit einiger Mühe brachte er
ebenfalls ein Lächeln und sogar einige klare Worte zustande.
„Guten
Morgen. Gut geschlafen?“
„Die
Betten sind ok.“
Sie
schien nicht sehr gesprächig zu sein. Heute morgen war sie wieder ganz die
Journalistin, die hinter einer Sache her war, welche sie voll und ganz
fesselte.
Die
Beiden machten sich auf, wieder von Zeitungsarchiv zu Bibliothek und zurück.
Mittags machten sie eine kurze Pause an einem Burgerstand und stärkten sich mit
einem Brontoburger. Die Konzentration des Privatdetektivs hatte im Vergleich
zum gestrigen Tag kein wenig nachgelassen. Nur ertappte er sich einige Male
dabei, wie er nicht die Gegend, sondern die Konturen von Romenas Körper absuchte.
Professionalität war um einiges schwerer, als man annehmen könnte.
Nachdem
sie den ganzen Tag unterwegs gewesen waren, schlug Romena vor, etwas Essen zu
gehen.
"Ich
kenne da eine wirklich gemütliche Bar in West Athen." bemerkte Cellaryl,
dessen Füße sich nach dem vielen Herumstehen seltsam taub anfühlten.
Zielstrebig
steuerte er auf seine Lieblingsbar zu, dennoch niemals die Höflichkeit
vergessend.
Ben, der
Barkeeper des „The Cup“, machte große Augen, seinen Freund in weiblicher
Begleitung zu sehen, doch Cellaryl bedeutete ihm mit einem recht eindeutigen
Blick, keine dummen Sprüche zu reißen.
Nachdem
sie einen kleinen Tisch in einer Ecke ausgesucht hatten, bestellte der Detektiv
ihr einen nicht gerade billigen Rotwein und sich selbst einen Scottish Leetburner,
seiner Meinung nach der beste Whiskey auf ganz Rubi-Ka.
Während
sie so gemeinsam am Tisch saßen, überkam ihn eine seltsame Wärme. Es erschien
ihm beinahe, als würde ihre Anwesenheit ihm direkt ins Herz scheinen.
Der
anstrengende Tag und der Alkohol waren nicht ohne Wirkung und der sonst so
zurückhaltende Detektiv schien in der Gegenwart der hübschen Journalistin
richtig aufzuleben.
Er
brachte sie mit Omni-Witzen zum Lachen, philosophierte gemeinsam mit ihr über
verschiedene Dinge des Lebens und erzählte aus seinem nicht vorhandenen
Berufsalltag. Dass alle Geschichten erstunken und erlogen waren, störte keinen
der Beiden.
"Romena..."
sagte Cellaryl kurz nach Mitternacht schließlich mit gedämpfter Stimme.
"Ich
glaube, es ist sicherer für Sie, wenn Sie in meinem Appartement übernachten.
Ihre Verfolger könnten Sie ja im Hotel abfangen..."
Romena
funkelte ihn aus ihren tiefschwarzen Augen an und lächelte nur. Nicht mehr ganz
festen Schrittes erreichten sie schließlich Cellaryls Appartement, das nicht
weit vom „The Cup“ entfernt lag. Der Abenteurer fühlte sich glücklich wie
selten zuvor. Die Nähe zu der geheimnisvollen Frau erquickte ihn, belebte ihn
und schien einen von ihm bisher nicht gekannten Teil seines Herzens
aufzuerwecken. Sie war etwas Besonderes.
Er
wünschte sich nichts sehnlicher, als dass dieser Abend nie vergehen würde,
während er zusammen mit Romena in das dunkle Appartement trat.
"Also,
Sie können das Bett haben. Ich übernachte dann hier auf dem Sofa..."
Als Cellaryl sich zu Romena umdrehte, spürte er, wie sich
zwei warme, zarte Hände an seine Wangen legten und sein Gesicht nach unten
zogen. Völlig überrascht war er zunächst nicht im Stande, die weichen, süßen
Küsse, die seine Lippen berührten, zu erwidern. Er genoss den Duft, die Arme,
die sich um ihn schlangen und den warmen Körper, der sich an seine Brust
drückte. Sanft umarmte er sie und hob sie sachte hoch, nie von ihren vollen,
weichen Lippen ablassend. Er drückte ihren Körper an den seinen, während er
spürte, wie ihre schlanken Finger sein Hemd öffneten. Eine nie gekannte Einheit
überkam ihn, als er sie langsam zum Bett trug, ihren Hals mit seinen Lippen
immer und immer wieder küssend. In einer Innigkeit, die er niemals für möglich
gehalten hätte, liebkoste er ihre helle, weiche Haut, während sie langsam in
die Unendlichkeit eintauchten.
Als ihre
beiden Körper schließlich miteinander verschmolzen, wünschte er sich, dass die
Zeit still stünde und er ihr ewig so nah sein könnte. Oh ja, er würde sie
beschützen. Mehr als sein eigenes Leben und er würde sie nie wieder loslassen.
Nie wieder!
"Romena,"
flüsterte er ihr leise ins Ohr "ich liebe dich!"