Thomas Kössler

Wo das Meer zu Ende ist...


"Glasige Augen... Hände wie Eis... Wie unscheinbar
er doch hier liegt. Als würde er schlafen. Und doch schläft er... Er schläft
den ewigen Schlaf des Todes..."
Nur das Licht ihrer Kerze schimmerte in der Finsterniss, als sie über
den Leichnam stand. Sie hielt seine Hand, sah ihn an und sehnte sich danach, wieder mit ihm
vereint zu sein.
Doch wusste sie dass sie nie mehr eins sein würden, dass
der Mann den sie einst geliebt von ihr gegangen war, gerissen aus ihrem Leben,
jedoch nicht aus ihrem Herzen.
Sein Herz gehörte bis zuletzt nicht ihr, doch seine
Tränen machte sie zu einem Teil von ihr. Er war ihre Dunkelheit, diese
Dunkelheit die ihr Licht so hell erscheinen ließ.
Er wurde ihr genommen... Doch sie würden sich sehr bald
wiedersehen. Weiter, immer weiter in ihr verderben führten sie ihre Gedanken.
Sie hatte nicht die Kraft in ihrem Herzen um weiter zu machen. Sie konnte es
einfach nicht ohne ihn...
Also beschloss sie, sich selbst zu erlösen. Sie würde die
Ewigkeit mit ihm verbringen. Das war es was sie wollte. Sie nahm den toten
körper, diese leere Hülle ohne Erinnerungen, ohne Seele und trug ihn in die
Finsterniss. Zurück blieb nur das schimmern einer Kerze, die langsam nach unten
brannte... und erlosch...

Der Himmel war klar und das Korn war golden, an jenem
Sommer an dem sie mit ihm im flüsternden Gras lag. Ihre Hand auf seiner Haut
war zärtlich und warm. Es war der schönste Sommer ihres Lebens. Und sie wusste
nicht, dass nun für ihn der letzte Sommer zu ende gehen sollte. Er war immer
ein Krieger, doch war er all seiner Kraft beraubt. Er liebte sie, doch diese
Liebe war dem Tode geweiht. Bis zu letzt vermisste er sie, und als es endlich
an der Zeit war, dass beide sich ihrer innigen Liebe bewusst wurden, war es
bereits zu spät.

SIe lagen da, unter dieser Weide, inmitten von Feldern
goldenen Korns, auf diesem Hügel der in das offene Meer mündete. Der Wind wehte
über das Meer in die Hügel, und ihr Haar wallte im Duft der Roen, die er ihr
schenkte.

Die sonne ging unter, und er fühlte wie ihn das Licht
verriet. Wie ein Schatten legte sich die kalte Hand des Todes um ihn. Das
rauschen des Meeres vernahm er nicht mehr, denn seine Gedanken galten nurmehr
ihr.

Er wollte ihr die Wahrheit sagen, und flüsterte ihr die
Worte in ihr Ohr. Doch Seine Worte fraß der Wind. Er hielt zitternd ihre Hand,
und sie küsste ihn auf die Stirn. Er trägt den Abend in der Brust.

Er legte seinen Kopf in ihren schoß, doch sie wusste
nicht dass er verleben würde. Dort wo das Meer zu ende war, lag er bei ihr, die
Hände gefaltet, eine einzelne blutige Träne kam über sein Gesicht, als er einen
letzten Kuss erbat.

Sie sah ihn an, und küsste die Träne von seinen schwachen
und blassen Lippen. Der letzte Kuss. Er sah sie an, und lächelte. Dann starb er
in ihren Armen...

Sie trug ihn zu jenem Ort, zur Weide auf dem Hügel über
dem Meer. Sie erinnerte sich an jene Zeit. Diese Zeit in der sie glücklich war,
wenn auch nur für den Bruchteil eines Augenblicks.

Sie legte ihn unter den Baum, unter die Rose die er in
die Rinde ritzte. Diese Rose die ihren Namen trug. Ihre Tränen waren warm, als
sie von ihren Wangen auf ihn fielen. Sie kniete sich hin, und als sie ihn da
liegen sah, wie einst als die Zeiten besser war, lag sie sich zu ihm um zu
sinieren, Erinnerungen an Zeiten in denen alles perfekt war...

 

Sie trafen sich das erste mal vor ewigen Zeiten. Damals
waren sie unbekannt, jung und unerfahren. Sie, die namenlose Schönheit, er das
Seelenlose Monster. Sie sah ihn nicht an, denn er schein unter ihrer Würde. Er
jedoch sah sie, und er wird sich immer an jenen magischen Moment erinnern. Der
Moment an dem sie den Raum betrat und ihm den Atem stahl. Wie sie graziös an
ihm vorbei glitt, wie ein Engel ohne Flügel.

Er ahnte nicht dass sie nur ein Schatten seiner selbst
war, weder wusste er von ihrem Schicksal. Diese Nacht blieb die schönste seines
Lebens. Wieder sah er sie nie, zumindest nicht so wie er sich an sie erinnerte.
Erst jahre danach wollte es das Schicksal dass sie sich erneut begegnen. Es war
der WInter eingefallen, und die Zeit der Schönheit war für ihn vorüber. Und
selbst sein Leben war zu ende, doch wusste er es noch nicht.

Sie begegneten sich wieder, und nur durch Zufall begannen
sie, sich zu unterhalten. Es schien eine Oberflächlichkeit zu herrschen, die
sie die Welt noch nie sah. Arroganz und Ignoranz, das waren die einzigen
Gefühle dieser Konversation.

Doch sie verbanden. Ein Bann der erst später Konsequenzen
haben sollte. Es sollten noch einige Konversationen und treffen wie diese
folgen. Doch keine würde offensichtlich von Bedeutung sein. So schien es
zumindest. Ihr Herz war vergeben, genau wie das seine. Keiner rechnete mit dem
was folgen würde...

Gehasst wird wer Schmerzen kennt. Jene, die Schmerz
erfuhren werden ihn nicht vergessen. Sie werden aufstehen, und weitergehen wenn
sie Schmerz empfinden. Diese Art von Mensch wird geachtet, aus Angst vor ihrer
Kraft.

Sie sah ihn an, wie er leblos neben ihr lag. Das Feuer in
seinen Augen, das einst sie war ist erloschen, und alles was sie verband ist
vergangen. Und doch, sie konnte und wollte ihn nicht vergessen. Sie würde die
Liebe die sie verband nicht zu Grabe tragen. Eher würde sie sterben. Deshalb
war sie hier. Sie vernahm das rauschen des Meeres. Der Wind streifte ihr Haar
und es schien, als ob das Licht, welches durch die Bäume fiel und auf seiner
Brust lag, so aussah, als ob er Atmen würde.

Tränen die nie versiegen würden quolen aus ihren Augen
und sie erinnerte sich an die Zeit die ihr Leben verändern sollte...

Maskenball! Niemand ist was er zu sein scheint. Alles ist
erlaubt solange es der Fassade dient. Sie liebte Maskenball. Ihr ganzes Leben,
ihre Existenz und gefühle waren eine einzige Maskerade, und an jenem Tag sollte
dies eine Ausnahme sein. Sie würde so sein wie sie wirklich war, und niemand
würde Verdacht schöpfen.

Dies war zumindest das, was sie sich erhoffte. Sie ahnte
nicht, dass sich unter den Gästen auch er befand. Er hoffte dass sie kommen
würde und deshalb war er erfreut, dass sie tatsächlich hier war. Als sie ihn
sah war sie Überrascht. Es war ein schöner Abend. Beide genossen ihn. Und dann
geschah etwas, womit keiner der beiden gerechnet hätte. Sie wurde unsicher, und
als sie Halt brauchte, war er für sie da. Er dachte sich nichts dabei, er half
ihr nur.

Doch für sie änderte dies einiges. Sie begann, dinge zu
lesen die er ihr geschrieben. Sie verstand nicht wie ihr geschah, war sie doch
fasziniert von ihm.

Sie trafen sich erneut, und erneut, und jedesmal stahl er
etwas mehr von ihrem Herzen. Ungeahnt von ihm, sie tat das selbe. Doch würde er
es nicht merken, vorerst.

Erst als er erfuhr dass er sterben würde erkannte er, wie
stark er sie doch liebte. Das, was ihn innerlich zerfraß und letztendlich sein
Leben kosten würde, gab ihm dieses Leben das es Enden würde. Erst zuletzt, als
es bereits zu spät war begann er zu Leben...

Sie nahm ihn wieder auf den Arm, und trug ihn den Hügel
hinab. Ihr weises Nachthemd wallte im Wind und die Finsterniss begann sie zu
frieren. Sie ging mit ihm auf das Meer zu, und ihre Gedanken kreisten nur mehr
um die Ewigkeit mit ihm. Sie entsannte sich ein letztes Mal der schönen Zeiten
mit ihm, so kurz sie auch waren. Das Wasser berührte ihre Zehen, und Tränen
tropften auf seine Wangen, als ob es seine wären. Das Licht der Morgensonne
brach die Finsterniss, und als man die abgebrannte Kerze neben seinem leeren
Totenbett fand, waren beide auf ewig in den Tiefen der Wasser vereint...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.03.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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