Christa Siegl

Das christliche Treffen

Normalerweise macht man eine Wallfahrt, wenn man Sünden abbeten muss. Dies wusste Brigitte spätestens seit ihrer Kommunion, außerdem war ihr zweiter Vorname Maria. Ihre Überlegung war also, dass etwas christlicher Segen auch bei einem Date nicht schaden könne, deshalb wählte sie für das erste Treffen kurzerhand einen Wallfahrtsort in ländlicher, schwäbischer Gegend.

Der kleine Flecken mit Wallfahrtskirche lag idyllisch umgeben von Mischwald auf halber Strecke zwischen beiden Wohnorten,  was die zuvorkommende und gerechtigkeitsliebende Art Brigittes bereits signalisierte. Am Telefon hatte sie ihrem „Blinddater“ ausführlich geschildert, dass dort zwei große Parkplätze vorhanden seien - einer links und einer rechts - auf dem rechten würde sie warten. Dass es vielleicht wichtig gewesen wäre, aus welcher Richtung man anfährt, ging vermutlich in der Vorfreude unter. Im Grunde konnten sie sich also ihrer Meinung nach nicht verfehlen, zumal die Autonummern auch ausgetauscht waren.

Brigitte hatte auf dem rechten Parkplatz bereits 15 Minuten gewartet, das erste Stoßgebet schon hinter sich (welch weise Voraussicht bei der Standortwahl), als ein roter alter BMW auftauchte, dessen Fahrer tastend die Parkreihen abfuhr und die Nummernschilder der Autos eingehend betrachtete. Er war da!

 

 

Automatisch warf Brigitte schnell noch einen Blick in den Innenspiegel, zupfte an einer Haarlocke und stieg dann erwartungsvoll mit ihrem strahlendsten Lächeln aus ihrem Wagen.
 „Wieso stehen Sie hier?“ war seine barsche Begrüßung! Er hatte sein Gefährt umständlich und akkurat neben ihrem geparkt und war bedächtig (oder war es zögerlich) ausgestiegen. Das kann ja heiter werden, war Brigittes erster Gedanke als sie ebenso kurz antwortete: „weil ich rechts stehe und somit richtig.“

Als sie sein musternder Blick aus zugegebenermaßen stahlblauen, schönen Augen traf, erinnerte sie sich schlagartig an seinen Beruf des Anwalts, möglicherweise musste sie sich weiterhin rechtfertigen oder gar ein Alibi für irgendeinen Zeitraum haben.

Seine Erscheinung rief bei ihr sehr widersprüchliche Gefühle hervor. Die körperliche Größe von mindestens - wenn nicht mehr, gebot Achtung. Seine Junggesellenkleidung allerdings mit ganz kleinem, festem Knoten als krönender Abschluss einer Lederkrawatte hatte schon bessere Zeiten gesehen. Irgendwie vermittelte er den Eindruck, in einer früheren Epoche stehen geblieben zu sein, den ein Nyltesthemd und äußerst spitz zulaufende Schuhe noch verstärkte. Dazu sein überaus schlanker Körperbau, dies alles rief Mutterinstinkte wach. Ihm fehlt eindeutig die weibliche Hand schoss es Brigitte durch den Kopf. Ein wenig rausfuttern und neu einkleiden könnte Wunder wirken.

Er ließ bei der Parkplatzanklage wohl Gnade für Recht ergehen und schlug vor, dass sie die Mariengrotte, das Herz des Wallfahrtsortes besichtigen könnten. Nun hatte aber Brigitte diese Grotte schon öfters gesehen, außerdem wäre eine Unterhaltung in der nahegelegenen Gaststätte viel gemütlicher gewesen, was sie auch zum Ausdruck brachte. Ihr Vorschlag wurde mittels einer abwinkenden Handbewegung ignoriert als hätte sie im Gerichtssaal eine irrelevante Äußerung getan.

„Laufen ist gesund,“ war sein Kommentar und schon war er einige Schritte in Richtung Grotte unterwegs. Seine Körpergröße schätzte sie mittlerweile so über den Daumen auf 1.93m und die Länge seiner Beine auf – viel zu lang. Jedenfalls legte er ein Tempo vor, das Brigittes Raucherlunge Angst einjagte, was diese natürlich mit einem kräftigen Husten zum Ausdruck brachte.

 

 

„Sind sie krank?“ kam es wie aus der Pistole geschossen, und zu dieser Bemerkung blieb der Hochgewachsene kurz stehen und schaute ihr prüfend in die Augen. Um einem Vortrag über die Schädlichkeit des Rauchens zu entgehen, lächelte sie ihn  an und säuselte mit einem Rest Atemluft: „nur verschluckt, ich habe mich nur verschluckt.“

Endlich war die Besichtigungstour geschafft (vermutlich hatte auch er ein Stoßgebet gen Himmel gesandt), sie saßen im Landgasthof mit einigen fröhlichen Stubenfliegen und Brigitte-Maria freute sich auf ein intensives Gespräch. Aber – wie es im Volksmund heißt – man soll die Rechnung nicht ohne den Wirt machen.

Eine rundliche Bedienung fragte nach ihren Wünschen, Brigitte bestellte sich Kaffee und schon war sein Widerspruch da!

„Kaffee ist ungesund“ äußerte er knapp, orderte für sich heiße Schokolade, wobei er die Serviererin zustimmungsheischend ansah. Diese muss ebenfalls zu den Kaffeeliebhabern gehört haben, denn nach einem vielsagenden Blick zur Zimmerdecke lächelte sie Brigitte schwesterlich an und fragte süß: „möchten sie gesundes Gebäck  zum Kaffee?“
Nur schleppend kam ein Gespräch in Gang, der Paragraphenmensch war verschlossen wie eine Auster. Irgendwie waren sie dann bei der Gesundheitsreform mit all ihren Auswirkungen angelangt. Das war ein Thema nach Brigittes Herzen, hier hatte sie etwas zu sagen!
Ausführlich erzählte sie, wie ungerecht doch diese Zuzahlungen für manche Patienten seien und dass sie selbst erst kürzlich betroffen gewesen sei bei ihrem Besuch beim Gynäkologen. Erst letzte Woche habe sie doch glatt für eine Eierstockspiegelung 40 € selbst bezahlen sollen. Sie müssen wissen, erklärte sie eifrig, diese Untersuchung soll man bei der Vorsorgeuntersuchung machen lassen, wenn die Gebärmutter bereits entfernt ist und dies sei bei ihr nun mal der Fall. Einige Jahre nach ihrer Scheidung war das, sie bereue den Entschluss bis heute nicht.

Ein Räuspern, fast wie ein Knall unterbrach unsanft ihren Redefluss und große Augen schauten sie konsterniert mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Erst in diesem Moment  wurde der redefreudigen Brigitte bewusst, dass dies wohl nicht das geeignete Thema für einen Junggesellen war. Ein heißes Brennen stieg ihr in beide Wangen, sie musterte eingehend das Tischtuch und rührte dabei weitere zwei Stückchen Zucker in ihren Kaffee.

Das Summen der Stubenfliegen wurde fast überlaut!

Weitere medizinische Berichte hat der Anwalt nicht abgewartet, er verabschiedete sich förmlich und gab der armen Brigitte nicht mal die Chance einer Verteidigung!

Aber sie hat es wieder gut gemacht, als edler Christenmensch hat sie ihre Zeche selbst bezahlt!

© Christa Siegl

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.03.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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