Barbara Heerdt

Luna oder Beth?

"Wir fahren jetzt. Du bist schon alt genug und kommst alleine zurecht. In einer Woche sind wir wieder hier!", haben meine Eltern vor zwei Tagen gesagt. Sie mussten wieder irgendwo hinfliegen, zu so einem dummen Kongress.

Heute war der 24. Dezember, Weihnachten. Ein schönes Weihnachtsfest war das, ohne Eltern und erst kürzlich war meine liebe Tante Elizabeth unter unerklärlichen Umständen verstorben. An dem Tag, als ich das erfuhr, war ich nur in meinem Zimmer und weinte. Wir hatten so viele Gemeinsamkeiten, unter anderem das Interesse am Übernatürlichen.

Ich saß allein mit meiner schwarzen Katze Luna in meinem Zimmer. Die Geschenke hatte ich schon ausgepackt. Doch erfreuten sie mich nicht. Das teure Nokia 3310, die Karten für ein Bon Jovi Konzert im Sommer, nichts freute mich so richtig. "Ja, Luna, ein einsames Weihnachten, meinst du nicht auch?", sprach ich zu meiner Katze. Als Antwort nickte sie mit dem Kopf, eine seltsame Angewohnheit. Da nichts besonders Tolles im Fernsehen lief, schaltete ich das Gerät aus und zündete Kerzen und Räucherstäbchen an. Im Zimmer war es nun schön schummerig. Dann ging ich in die Küche, schob eine Pizza in den Ofen und stellte den Wecker so, dass er in 25 Minuten klingeln würde. Zurück in meinem Zimmer legte ich das Album " Keep the faith" von Bon Jovi ein. Ich setzte mich zu Luna auf das Bett und lauschte der Musik. Das erste Lied war zu Ende und das zweite begann: "... Keep the faith, keep the faith...", forderte mich die Stimme aus den Lautsprechern des CD Players auf. Dieses Lied erinnerte mich an Elizabeth, die mir auch immer sagte,ich solle den Glauben bewahren.

Eine Träne rollt meine Wange hinunter. Das Jasminaroma der Räucherstäbchen macht mich schläfrig. Die Kerzen flimmern. Ihr schwaches Licht dringt kaum noch durch den Nebel, der sich langsam über das Zimmer breitet. Geschieht es wirklich, oder träume ich? Der Nebel verdichtet sich zu einem schlanken Körper. Eine Stimme haucht: " Olivia, ich bin es, deine Tante Elizabeth. Erschrick nicht. Meine Lilli, wie freue ich mich dich zu sehen!" Mein Kosename, sie ist wirklich hier! " Beth, ich vermisse dich!" , mehr bringe ich nicht hervor, obwohl es doch so viel zu erzählen gäbe. In der bleiernen Stille leuchten Lunas smaragdgrüne Augen für einen kurzen Moment blendend hell auf. Einen Augenblick später sehe ich die Katze nicht mehr. Der Nebelkörper löst sich in einem Luftwirbel auf, die Kerzen flackern kurz auf, bevor sie erlöschen. Es ist ganz dunkel.

"I want to lay you down on a bed of roses, for tonight...", ertönten die Lautsprecher. Der Wecker klingelte, die Pizza war fertig. "Mensch hab ich Hunger!" , sagte ich zu mir selber. Ich machte das Licht an und ging in die Küche. " Hast du auch Hunger, Luna?", fragte ich meine Katze. " Ja!", antwortete sie. Ich stand wie vom Blitz getroffen da. Langsam drehte ich mich zu Luna um. " Worauf wartest du, die Pizza verbrennt!", maunzte sie. Ich glaubte den Anflug eines Lächelns in ihrem Gesicht zu erkennen.

Seit diesem Tag antwortet Luna nicht mit Kopfnicken, sondern mit Worten. Beth ist jetzt immer bei mir.

Allerdings kann nur ich die Katze sprechen hören. Meine Eltern wundern sich nur, das Luna in letzter Zeit so viel miaut.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Barbara Heerdt).
Der Beitrag wurde von Barbara Heerdt auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.06.2001. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Barbara Heerdt als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Anfang – Ein leiser Traum von Thorsteiin Spicker



Eine Expedition in dass Auf- und Ab des Lebens, der Sehnsucht und kleine leise Träume, Gefühle aus einer Welt die tief das innere selbst bewohnen, beschreibt der Autor in einer Auswahl von Gedichten die von Hoffnung genährt die Tinte auf das Papier zwischen den Jahren 2002 und 2003 fließen ließen. "Unentdecktes Niemandsland ist immer eine Herausforderung die Gänsehaut zaubert. Auf den Blickwinkel kommt es an, den man sich dabei selbst zurechtrückt..."

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Fantasy" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Barbara Heerdt

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der Zauberlehrling von Barbara Heerdt (Fantasy)
Das Abenteuer LEBEN! von Heidemarie Rottermanner (Fantasy)
Hier lebe ich von Rüdiger Nazar (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen