Rudolf Geiser

Herzlichen Glückwunsch! (2)

Heute: Er gratuliert seinem Frisör zum 54. Geburtstag
 
Lieber Dieter, liebe Gäste!
 
 
Sehet mein Haupthaar und staunet ob prächtigen Wuchses, der wuchtigem Schädel zum Vorteil gereicht.
 
Öffnet die Nüstern zu ahnen den Sinne betörenden Ruch, der dem kunstvoll Frisierten entströmt.
 
Näher heran um zu spüren der Haare so üppige Fülle und sehnige Spannkraft.
 
Schützet die Augen mit dunkelen Brillen vor gleißender Farbkraft des blendenden Gelbblonds.
 
Hebet die Arme zu preisen die Anmut des Scheitels, den "grade" zu nennen ihm grad noch gerecht wird, weil "makellos" treffender wäre.
 
Knieet nun nieder und huldigt dem Meister, der selbst einer Pläte noch Strähnchen und Löckchen entlocken zu können imstand ist, dem Dieter.
 
 
Was will uns der Dichter damit sagen? Wenn einer sein Handwerk versteht, dann unser Dieter.
 
Vor nunmehr 54 Jahren kam er auf die Welt, in der linken Hand einen Kamm, in der rechten eine Schere, und verpasste der verdutzten Hebamme erst mal einen flotten Bubikopf. "Und, Schwester? Was ist es?" "Ein Frisör, Frau Bartscher, es ist ein Frisör." Und so stand tags darauf im Tagblatt zu lesen: Familie B. hat einen Dieter, le Figaro est arrivee.
 
Aber er kam nicht nur, er blieb auch hier, so dass ich lediglich über die Straße gehen muss, wenn wir eine Einladung zum Geburtstag haben, meine Frau sich vor mir aufbaut, mich lange mustert, einen tiefen Seufzer macht und schließlich sagt: Wenigstens zum Frisör solltest du vorher noch gehen.
 
Dieter blieb also am Ort und wäre doch um ein Haar nach Sevilla gezogen, wenn er nicht Rapunzel, seine Jugendliebe, geheiratet und den Salon ihrer Eltern übernommen hätte. Und Dieter blieb Frisör, er mutierte nicht zum Art Director of Modern Hair Design, der computergestützte Haaranalysen in Verbund mit Typ- und Farbberatung anbietet und im Hightec-Haircut-Tempel zu Cocktails und Kaffee Lachshäppchen und Suppe reicht. Was soll auch der Quatsch? Möchten Sie etwa, dass Ihnen im Restaurant der Ober die Haare schneidet? Na also.
 
Dieter blieb im besten Sinne des Wortes bodenständig und traditionsbewusst, verwöhnt seine Kunden mit sauberem Schnitt und glatter Rasur in einem seit Jahrzehnten bewährten Ambiente und hat für alle haarigen Probleme eine Lösung parat: "Nimb Blut-Igeln brenne sie zu Pulver / siede dasselbige in Wasser bis ein drittheil eingangen / wasche dich offt mit diesem Wasser wo du Haar haben willt / so wächst es bald heraus".
 
Womit wir wieder am Anfang meiner kurzen Rede wären. Lieber Dieter, liebe Gäste, sehet mein Haupthaar und staunet ...
 
Dem Geburtstagskind viel Glück, Gesundheit und - stets eine ruhige Hand. Dankeschön.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.04.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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