Dieter Ruhland

Eine "einsame" Frau

Eine „ einsame“ Frau!

 

Als ich damals zum Bootssteg eilte um schleunigst nach dem Rechten zu sehen, weil mal wieder ein heftiges Unwetter mit Regen und Sturmböen unsere Küste durchschüttelte, traf ich dort zufällig meinen alten Freund >Bengt Larsson<.

Zuerst hab ich ihn gar nicht bemerkt, doch durch das peitschende Geräusch der Sehne beim Auswerfen seiner Angel, sah ich ihn im mannshohen Schilf stehen.

Und wer hier im Schilf steht und angelt, der ist gerade dabei den Hecht an den Kragen zu gehen, denn da wo viel Schilf ist, da ist auch viel Hecht!

Die Schweden schwören auf diese Aussage!

Mit einem leisen >hey Bengt<, machte ich mich bemerkbar.

Hey Björn, (in Schweden nennt man mich Björn) kam es zurück ohne dass er sich umdrehte!

Entweder hat er mich schon vorher kommen sehen, oder er hat mich sofort an meiner Stimme erkannt.     

Ohne stehen zu bleiben versuchte ich möglichst leise mit meinen Holzschuhen über den Steg, der ebenfalls aus Holz war zu schleichen um nicht >seine< Hechte zu verscheuchen.

Einige Boote sahen schon etwas mitgenommen aus doch bei meinem Boot war alles in Ordnung.

Neben mir lag ein offenes Ruderboot, das war von meinem Nachbarn > Per Anderson< und der bat mich schon vor einiger Zeit doch auch mal nach seinem Boot zu schauen, besonders nach heftigem Regen, um dann eventuell das Wasser aus seinem Boot zu schöpfen, >wenn es Not tut< sagte er damals und das tat es!

Noch ein großer Regenguss und das Wasser hätte fast die Oberkante vom Bootsrand erreicht!

Als ich schon kräftig am ausschöpfen war, kam Bengt mit seiner Beute zu mir den Bootssteg entlang.

Na Björn, hörte ich seine fragende Stimme, machst du heute etwa wieder Nachbarschaftshilfe?

Ich war gerade dabei noch den letzten Rest aus dem Boot zu schöpfen.

Was sein muss, muss sein! Erwiderte ich.

Dann hörte ich schon das blecherne Geräusch von seinem Zinkeimer, den er mit einer Bravour auf den Steg stellte das es nur so schepperte.

Als ich nun endlich meinen Kopf hob, worauf er ja wohl gewartet hatte, zeigte er nicht ohne Stolz, den in seiner rechten Hand hängenden Hecht.

Ein wirkliches Prachtexemplar!

Dann schob er mir lässig mit seinem Fuß den Eimer direkt unter meine Nase um mir den Rest seiner Beute zu zeigen.

Mit einem skeptischen Blick in den Eimer musste ich allerdings neidlos anerkennen, die drei prächtigen Hechte die sich da noch des Lebens erfreuten, die waren nicht von schlechten Eltern!

Ich sah ihn an und nickte zustimmend, dabei meine ich eine gewisse Zufriedenheit und mächtigen Stolz in Bengt`s Gesicht gesehen zu haben.

Von uns beiden war er nämlich der beste Hechtangler. Ich dagegen war mehr auf Hochseeangeln spezialisiert.

Beim einsammeln meiner Schöpfwerkzeuge fragte ich Bengt was er denn jetzt von einer schönen Tasse Kaffee halten würde?

Mit seiner klaren Aussage >ja tack< nahm er also meine Einladung >deutlich< an!  

Mit dem >deutlich< wollte ich nur sagen, wer je in Schweden war der weiß wie wortkarg die Schweden sind.

Das soll aber beileibe keine Abwertung sein sondern nur eine Feststellung!

Und bei all meinem Staunen über seine Fische, strengte ich mich natürlich auch an so wortkarg wie alle hier zu sein.

Bengt wusste natürlich dass ich mich immer so köstlich darüber aufrege, bei so viel Schweigsamkeit der Schweden!

 

Als wir beide es uns endlich am Kamin mit etwas Gebäck und einer Tasse Kaffee gemütlich gemacht hatten, fiel dem Bengt zu dem Thema „ Schweigsamkeit der Schweden“ doch sofort folgende Geschichte ein!

 

Da war mal eine allein lebende also „einsame“ Frau.

Es soll um das Jahr „1930“ gewesen sein, und sie war so um die fünfzig Jahre alt. 

Das Alleinsein war ja nicht so schlimm, aber die nächsten Nachbarn mit dem sie sich mal unter vier Augen hätte unterhalten können, die waren mindestens über eine Stunde Fußweg entfernt und das beinahe in jede Himmelsrichtung.

Also gut!

Eines Tages im Dezember, es war schon spät am Nachmittag, saß sie mal wieder oder besser gesagt wie immer, einsam auf ihrem Sessel am Fenster und schaute ab und zu hoch um die weiße und schöne Winterlandschaft zu genießen.

Ab und zu deshalb, weil sie eifrig dabei war sich einen, wer weiß den wievielten, Schal aus der Wolle ihrer kleinen Schafherde zu Stricken.

Als sie plötzlich in der Ferne eine Gestalt auf ihr Haus zukommen sah.

Besuch hatte sich ihr aber doch nicht angekündigt!

Auch in keinem der letzten zwei Briefe die im Oktober und November gekommen sind.

Also wer in Gottes Namen konnte das denn sein?

 

Als dieser Mensch, der da mit schweren Schritten durch den hohen Schnee immer näher kam, war sie sich ganz sicher bei so einer mächtigen Gestalt konnte es sich nur um einen Mann handeln.

Es dauerte auch nicht lange und es wurde kräftig an der Tür gerüttelt und geklopft. Es war doch schon mehr ein Hämmern als ein Klopfen.

Als sie dem Fremden die Tür öffnete drang sofort ein ziemlich kalter Wind in die kleine aber warme Hütte.

Damit es nicht auskühlt, zog sie ihn mehr oder weniger schnell ins Warme und schloss schnell wieder hinter ihm die Tür.

Der fremde Mann stand wie erstarrt vor Kälte vor ihr und sagte kaum ein Wort.

Nur ein >Hey< brachte er hervor.

Seine Kleidung war fast überall mit Schnee bedeckt und an den Beinen waren bis zum Knie Schneeklumpen zu Eis gefroren.

Mit einer Handbewegung bat sie ihn wortlos zu dem warmen Kachelofen.

Als er an dem Küchenherd vorbeikam hielt er plötzlich inne und ohne ein Wort zog er seine schwere und nasse Kleidung aus um sie dann vor dem Herd auf dem Boden auszulegen um sie zu trocknen.

Etwas verwundert sah sich das ganze an, machte sich aber gleichzeitig einige Gedanken wie sie ihn wieder einigermaßen auftauen könnte!

Da sie vorsorglich immer viele Eimer mit Wasser auf dem Herd zu stehen hatte, schon wegen der Tiere, machte sie ihm gleich ein warmes Bad mit verschiedenen Kräutern.

Nicht umsonst hatte sie die Kräuter im letzten Sommer so fleißig gesammelt.

Nun kommen sie gerade richtig und dienen auch noch einem guten Zweck.

 

Als er von ihr die dampfende und mit heißem Wasser gefüllte Zinkwanne angeboten bekam, zog er den Rest seiner Kleider aus und legte sich in die Wanne und schwieg.

Weil er aber auch nichts sagte ob es zu Warm oder zu Kalt sei, hat sie auch nicht gefragt und auch nichts weiter gesagt!

Da sie der Meinung war das er auch Hunger haben müsste, bereitete sie ihm inzwischen auch noch ein deftiges Abendbrot.

Nachdem er das frische Bad aus Kräutern so richtig genossen hatte, zog er sich von dem was an was einigermaßen schon trocken war, setzte sich an den gedeckten Tisch und fing auch gleich zu speisen an.

Ohne etwas zu sagen!

Er ließ es sich hörbar schmecken, nickte ihr zu, sagte aber weiter nichts.

Sie schaute vom Fenster zu ihm herüber, nickte zurück und sagte aber auch nichts!  

 

So allmählich merkte sie, dass er jetzt etwas müde wurde.

Er reckte und streckte sich und gähnte mit weit geöffnetem Mund.  

Es war ja auch kein Wunder dachte sie. Erst die Wanderung durch den tiefen Schnee und in eisiger Kälte, dann das warme Bad und nun auch noch das Essen!

 

Inzwischen ist es draußen schon stockdunkel geworden.

Sie konnte ihn jetzt unmöglich wieder in die Kälte schicken, also zeigte sie ihm mit einer Handbewegung das Schlaflager und bot  ihm die eine Hälfte von ihrem Bett an.

Er stand auf, warf ein Blick auf seine Kleidung, die da noch immer vor dem Herd lag und ging ohne irgendetwas zu sagen zur Schlafstätte und legte sich in das Bett.

 

Sie stand nun etwas hilflos da und sagte aber auch nichts!

Nach alldem unverhofften was sie heute nun erlebt hatte, verspürte auch sie eine leichte Müdigkeit und folgte dem Mann ins Bett und legte sich in die andere noch freie Hälfte.

Als sie sich zugedeckt hatte und das Bett so gemütlich und mollig warm wurde, war sie schon fast im Halbschlaf als plötzlich der fremde Mann in ihre Hälfte gekrabbelt kam. Er schmiegte sich an sie, streichelte sie und fing nach einiger Zeit heftig an zu stöhnen.

Sie merkte das irgendetwas passiert, aber was?  

Auch sie fing an zu stöhnen konnte es sich aber nicht erklären!

Nur das es ihr Wohltat.

Aber gesagt haben beide nichts!

 

Als er sich dann wieder in seine Betthälfte zurückzog, hat er nichts gesagt und sie hat auch geschwiegen!   

Am nächsten Morgen hat er nach einem guten Frühstück sich seinen getrockneten Kleidern zugewandt sich wieder angezogen. Seine hart gewordenen Schuhe geknetet, geschnürt und ist schnurstracks ohne ein Wort zu sagen zur Tür.

Im Türrahmen drehte er sich noch einmal um und sagte nur „Hey“ dann ging er hinaus in den Winter.

Sie sah ihn noch nach wie er schweren Schrittes durch den Schnee stampfend und dann allmählich in der Ferne verschwand.

Er ward nie mehr gesehen!

Sie senkte fragend ihren Blick und schob schweigend den Holzriegel der Tür vor!

 

Als dann sehr viel später, es war schon Frühling, ihre Freundin zu Besuch kam, hat sie ihr die ganze Geschichte erzählt.

Von dem Mann der da kam und nichts gesagt hat.

Auch das alles so eigenartig war, weil vorher nie erlebt aber doch so wunderschön.

Und als sie ihrer Freundin das alles erzählt hatte, stellte sie ihr die eine Frage:

 

Sag Lotta: kannst  „Du“ mir erklären was der eigentlich wollte?

 

Ja, so und nicht anders soll es damals gewesen sein, und genau so hat mir auch mein Freund „Bengt Larsson“ die Geschichte erzählt

Und die Geschichte soll wahr sein!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.04.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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