Horst Dreizler

Der Drache

In der Zeit nach den großen Veränderungen, als es die ersten Sonnenorden unter den Strahlen Balor's gab und sich viele Menschen in kleinen Gruppen zusammenschlossen und der Spur des Wildes folgend über Land zogen, als die Riesen zwar schon ausgestorben waren, aber noch viele Drachen die Welt in Atem hielten........zu dieser Zeit hatte sich eine große Nomadengruppe als eine der ersten am Fuße des Kar-Gebirges sesshaft niedergelassen.

Die Gegend war ausgesprochen wildreich , klare Bergbäche versorgten die Menschen mit Wasser und sie konnten sogar erfolgreich Getreide anbauen. Das Leben war ein einzige verschwenderischer Überfluss, der Himmel auf Erden... aber wo ein Himmel ist, dort findet man auch alsbald die Hölle....und die war für diese Menschen ein riesiger schwarzer Drache, der gewaltig wie ein Berg einen Menschen auf einen Sitz verschlingen und dazu noch meterlange Feuersäulen spucken konnte.

Dieser Drache kam mit der Präzision des Zeitenwechsels zweimal im Jahr, kurz vor Weihnachten und zur Sommersonnwende , griff sich wahllos einen Dorfbewohner und verspeiste ihn. Der Drache war schlau, sein Verhalten das eines Hirten, der aus der Schafherde auch immer nur wenige Tiere zur Schlachtbank führte, sich so mit Fleisch versorgte, aber die Herde insgesamt erhielt. Die Dorfbewohner berieten sich, einige waren dafür wegzuziehen, aber die Mehrheit der Menschen sah das reiche Land, das ein gutes Leben bot, niemand musste Hunger leiden....in der damaligen Zeit eher eine Seltenheit. Zudem hoffte jeder insgeheim für sich und seine Familie auf Glück und dem Drachen zu entkommen.

So vergingen die Jahre, glückliche Jahre für die Menschen, die nicht behelligt wurden, aber gallenbitter für diejenigen , die Angehörige verloren oder selbst Opfer der Bestie wurden. Das Dorf setzte einen Preis aus, Ländereien und Wasserrechte, als Belohnung für denjenigen, der den Drachen tötet . Viele fahrende Ritter versuchten sich an der Aufgabe, aber hätten sie lieber weiter nach dem Heiligen Gral gesucht, denn alle mussten sie ihr Leben lassen.

Es war die Woche nach der Sommersonnwende und der Drachen hatte erst wieder drei Tage zuvor zugeschlagen,... diesmal starb der Sohn des Bürgermeisters..., als ein Ritter in glänzend silbernen Rüstung auf einem hochbeinigen, edlen Pferd ins Dorf ritt. Ein blitzendes Schwert aus bestem Damazenerstahl an jeder Seite war er zusätzlich mit einer schweren Wurflanze bewaffnet und am Sattelknauf hing ein Bogen sowie 2 Köcher mit Pfeilen.

Neben dieser Lichtgestalt, auf einem kleinen Maultier, der Knappe, ein schmales Bürschchen in braunem Kapuzengewand mit einem lächerlichen Holzschwert an der Seite. Nur die Augen....faszinierende jadegrüne Blitze....fesselten kurz die Blicke der Betrachter. " Gute Leute", sprach der Ritter, " ich bin Ritter Michael und ich bin gekommen, um euch von diesem Drachenmonster zu befreien. Ich habe schon eine Vielzahl von Drachen getötet, ich werde auch diesen erlegen..." und wies dabei herablassend auf seinen Schild, auf dem 20 Drachenköpfe abgebildet waren, erwähnte dabei allerdings nicht, das zumindest 10 davon allenfalls die Größe von Waranen hatten und das es sich auch beim Rest um junge, unerfahrene Drachen gehandelt hatte.

Die Dorfbewohner, geblendet vom Glanz der Rüstung, gaben dem Ritter ihr bestes Haus zur Übernachtung an , tischten feinste Getränke und Speisen auf und boten allerlei andere Annehmlichkeiten. Der Knappe wurde bei Brotsuppe im Stall bei den Pferden einquartiert. Am nächste Morgen sollte der Kampf stattfinden.

Tatsächlich sah man am nächsten Morgen den Knappen bei Sonnenaufgang in Nebeln das Ross seines Herrn satteln , während der Ritter noch mit weinschwerem Kopf in den Armen einer üppigen Magd süßen Träumen nachhing. Die Sonne stand bereits mehrere Handbreit über dem östlichen Horizont als der Ritter endlich mit Rüstung und schwerem Kopf im Sattel saß. Neben ihm der Knappe, der zur Sonne blickte und seine Augen leuchteten wie Smaragde. Über der Schulter hatte er ein starkes Seil hängen. Alle Dorfbewohner standen Spalier, als die beiden das Dorf Richtung Drachenhöhle verließen und winkten ihnen zum Abschied zu. Es sollte das letzte Mal sein, dass man beide zusammen sah. Die nachfolgenden Ereignisse ließen sich nur an Hand einzelner Berichte nachvollziehen. Tatsache war, dass um die Mittagszeit Ritter Michael völlig aufgelöst mit seinem Ross durchs Dorf galoppierte und irgendwas schrie von... der Drache ist unbezwingbar.... Kurze Zeit später rannte ein Hirte ins Dorf und rief freudestrahlend, der Drache sei tot. Er hatte sein Vieh in der Nähe der Drachenhöhle auf der Weide und sah, wie der Ritter, nach dem ersten zornigen Fauchen des Untiers vor Angst brüllend die Flucht ergriff.

Der Hirte konnte aber auch beobachten, wie der Knappe, flink wie ein Pfeil, unter dem feurigen Atem des Drachens hindurch auf das Untier zurannte, blitzschnell die Vorderbeine mit dem starken Seil umschlang und so das Monster zu Fall brachte. Anschließend habe er sein Holzschwert gezogen, kurz den Blick gen Sonne gehoben, einige Worte gerufen um dann das Holz tief in das Auge des Drachens zu treiben und ihn zu töten.

Die noch zuckende Schwanzspitze des Ungeheuers setzte im selben Augenblick auch dem Leben des mutigen Knappen ein Ende. Die Dorfbewohner begaben sich sofort zur Drachenhöhle und fanden alles so, wie vom Hirten berichtet. Als sie den Leichnam des tapferen Drachentöters vorsichtig anhoben, löste sich das braune Gewand und sie sahen, dass der Knappe...... ein Mädchen war, ein wunderschönes Mädchen mit goldschimmerndem Haar, das sich wie ein Helm an den Kopf schmiegte. An beiden Unterarmen hatte sie Tätowierungen, rechts den siebenzackigen Strahlenkranz der Sonne, links 2 linsenförmige Punkte als Symbol für Feueraugen. Sie war eine Hohepriesterin des Sonnenordens.

Epilog: Die Drachensage geistert heute noch durch die Dörfer des Kar-Gebirges. Ritter Michael wird meist als der Bezwinger genannt, St. Michaels Kapellen gibt's ihm zu Ehren zu Hauf. Im Dorf Fant aber, dort wo die Nachfahren der damaligen Bewohner leben, hat sich die alte Überlieferung erhalten.

Dort wird selbst die Schöpfungsgeschichte eine Nuance anders erzählt:.....ER schuf Wasser, Land, Berge ...Tiere und Pflanzen.....und eine Frau, und ER sah, dass sie ihm wohlgeraten war... und aus ihrer Rippe......
In einem Schrein neben dem Altar in der Dorfkirche ist die alte Drachenkampfszene in einer Steinlegearbeit nachgestellt.

Der riesige Drachen , die goldglänzenden Haare des tapferen Mädchens, das den Todesstoss führt... ...darunter der Name und die letzten Worte der Heldin: Goldhelm, Sonnenpriesterin..........für Dich, Balor....

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.04.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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