Marina Braun

Vorsicht Schwiegerdrache!

Vorsicht Schwiegerdrache

 

Der perfekte Ehepartner vergisst seine Eltern, sowie er die Ehefesseln in Form eines Ringes übergestreift bekommen hat. OK. bis zum Ende der Hochzeitsfeier dürfen sie noch bleiben, aber dann werden sie für immer aus dem Gedächtnis gestrichen. Und das ist auch gut so, denn Schwiegermütter mischen sich prinzipiell in alles ein, was sie nichts angeht.

Schlimm genug, dass sie schon die Hochzeit arrangierten, die Gästeliste schrieben und das Brautkleid aussuchten. Peinlich genug, dass sie auf der Hochzeitsfeier die schmatzende, sabbernde und außerdem noch schwerhörige Tante Gertrud neben die Braut setzten.

 

"Du hast auf mein Kleid gekotzt." - "Wer hat vor Neid gemotzt?"

 

Kurz nach unserer Hochzeit ergaben sich folgende Gespräche, wie: "Deine Mutter hat angerufen." "Was wollte sie?" "Weiß ich nicht, hab gleich wieder aufgelegt." "Gut gemacht."

 

Allerdings war seine Mutter etwas penetranter als meine. Was sie mir nicht schon während unserer Verlobungszeit einzutrichtern versuchte, schrieb sie auf eine lange Liste, rahmte diese ein und hing sie heimlich über meinem Schreibtisch auf, nachdem sie die Möbel in unserer Wohnung umgestellt hatte. Wie konnten wir auch nur so nachlässig sein und das Haus verlassen, um unserer Arbeit nachzugehen.

 

Auf dieser Liste stand:

ER mag keinen Blumenkohl, keine grünen Bohnen, keine Erbsen, keine Sülze, keine Matschkartoffeln und vor allem keine fetten Speisen. ER reagiert allergisch auf Fisch. ER liebt lange Spaziergänge und hasst Glücksspiele.

 

Tatsache jedoch ist, dass ER für einen gegrillten Schweinebauch mit grünen Bohnen und Kartoffelpüree sogar töten würde. Natürlich mochte er keine wabbelige Schwabbelschwarte, sondern eine knusprige Kruste. Natürlich mochte er kein Majoran in den Bohnen, sondern Bohnenkraut. Und natürlich mochte er keine klumpige Matschkartoffeln, sondern ein feines Püree. Allerdings darf ich das Essen nicht an einem Samstag um 19:45 Uhr auftragen, denn um diese Uhrzeit kommen die Lottozahlen.

Was seine Fischallergie anbetrifft, kann ich nur sagen, dass ER im Handumdrehen meine klägliche Fischsuppe in eine herrliche Bouillabaisse verwandelt und sie mit einem ebenso großen Genuss wie auch Hummer, Krabben, Garnelen, Schollen, Lachs und Kaviar verschlingt, ohne dabei auch nur die geringsten Anzeichen eines Unwohlseins zu verspüren. ER ist immerhin ein echter Hamburger.

Natürlich mag er keinen Kochfisch in verklumpter Mehlsoße mit Matschkartoffeln und Majoran geschwängerten, grünen Bohnen.

 

ER liebt lange Spaziergänge? Er würde am liebsten noch mit dem Auto zum Klo fahren. Sollte er zufällig abends vor mir Zuhause sein und unser Hundemonster Lulu mit kreuzenden Beinen antreffen, weil sie raus muss, um Pipi zu machen, bedauert er es jedes Mal, dass Lulu kein winziger Hund ist, den man nicht einfach zum Pinkeln aus dem Fenster halten kann.

 

Was zum Teufel wollte mein Schwiegerdrache mit ihrer Liste bezwecken? Sollte ich mich mit meinem Süßen so zerstreiten, dass er die Scheidung anstrebt und sie ihn wieder mit offenen Armen empfangen kann?

Immerhin stand sie meiner eigenen Mutter in nichts nach, als beide behaupteten: sie taugt nichts und er ist ein Tunichtgut.

 

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es immer nur die Schwiegerdrachen und nie die Schwiegerväter sind, die sich ungefragt in die Ehe ihrer Kinder, beziehungsweise Schwiegerkinder einmischen?

Vielleicht liegt es an der älteren Generation. Vielleicht daran, dass unsere Vorfahrinnen ihre Männer, sowie ihre Kinder unterjocht haben.

Mit Sicherheit mussten die Frauen nach dem zweiten Weltkrieg stark und listig sein, um in einem zertrümmerten Deutschland eine Behausung zu finden, die geeignet war, ihre Nachkommenschaft aufziehen zu können und die auch einladend genug war, damit die aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrenden Ehemänner sich heimisch fühlen konnten. Besagte Heimkehrer trauten sich aus lauter Dankbarkeit nie wieder im Leben aufzumucken und ihr Verhalten wurde auch in die nächste Generation weiter vererbt.

 

Mein Süßer und ich, sowie Millionen anderer Menschen gehörten jedoch zu der aufmüpfigen Generation. Ja, wir genossen damals die Musik von Genesis, der Beatles, Black Sabbath, Jim Morrison und nicht zuletzt Frank Zappa. Der Einfluss Amerikas, der uns einst von der Geißel Hitlers befreite, fesselte uns anschließend mit seiner Musik, seiner Flower-Power und seinem nicht endenden Streben nach Freiheit und Individualität.

 

Während wir in unserer Jugend jeden Samstag Abend sabbernd vor dem Bildschirm saßen und mit zwei Suppenlöffel den Takt der Musik nachklapperten, stand Muttern in der Küche, bereitete den Kartoffelsalat für morgen zu und Vater hockte vor dem Radio und lauschte zittrig erregt den Worten von Jilio Iglesias: "Komm in das Boot heute Nacht, Anna Lena".

 

Nein, wir sind auf keinen Fall wie unsere Eltern geraten. Wir haben uns von ihnen distanziert. Wir werden niemals Schwiegerdrachen werden.

 

OK, ich habe nur ein einziges Mal zu dem damaligen Freund meiner Tochter gesagt, dass er mit Mafiamethoden ähnlichen Vergeltungsmaßnahmen rechnen kann, wenn er sie verletzt oder fremd geht oder sonst irgendeine Dummheit begeht. Kann man mir das verübeln? Bin ich deswegen auch zu einem Schwiegerdrachen mutiert?

 

Immerhin habe ich nicht die Fehler meiner eigenen Mutter begangen, indem ich meine Tochter unterdrückte und ihr meinen Willen aufzwang. Unsere Süße hatte die Gelegenheit, ihre Konsequenzen aus ihren eigenen Fehlern ziehen zu können, auch wenn es manchmal sehr schmerzhaft für sie war. (Ich erinnere mich da nur an ihren Verlust von mindestens 47,50 DM Taschengeld, bis sie von selbst merkte, dass es sich nicht lohnt, Wundertüten zu kaufen. Als sie ihr Elternhaus verließ, um zu studieren, hinterließ sie 27 funkelnagelneue Bleistiftspitzer sowie 18 unbenutzte Radiergummis; die Ausbeute von ca. 35 Wundertüten)

 

Aber zurück zu den Schwiegerdrachen. Was die Eltern ihren Kindern nicht in 18 Jahren beibringen können, sollten sie danach auch nicht weiter versuchen und schon gar nicht über die Schwiegerkinder.

 

Der Tunichtgut wurde übrigens Dozent an der Industrie- und Handelskammer Hamburg, sowie Chef eines großen, eigenen Unternehmens. Die kleine Göre, die nichts taugt, wurde eine Kolumnistin und Kummerkastentante in einem der größten Radioanstalten Norddeutschlands, sowie erfolgreiche Autorin zahlreicher Bücher. Außerdem zeugten sie eine liebenswerte und höchst intelligente Tochter, die heute eine sehr erfolgreiche Biologin ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.05.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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