Werner Warnecke

Alles begann im Vorwahlkampf.

Eine Geschichte aus Thailand

In seiner täglichen Kolumne hatte der Lokal-Redakteur der Tageszeitung Thai Rak Thai (Thais lieben Thailand), Thawatchai Boonsongkram geschrieben:
"Und trotz aller gegenteiligen Behauptungen bin ich der festen Überzeugung dass unsere Polizei nicht korrupt ist."
Er wurde noch am Mittag in einem Nudelrestaurant verhaftet und in den Hochsicherheitstrakt vom Tanta-Satang Gefängnis gebracht.
Die Anklage lautete Verunglimpfung von Staatsorganen und Verstoß nach Chapter 4, was in etwa dem Tatbestand der deutschen "Beamtenbeleidigung" entspricht.
In einer Pressekonferenz am Nachmittag machte der Royal Thai Police Chief,General Pornsak Durongkaviboon klar dass er nicht zulassen werde dass der Polizeiarbeit die Basis entzogen werden soll.
Die ganze Aktion sei von Georg Soros, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds zusammen mit anderen Falangs (westliche Ausländer) initiiert um die asiatischen Werte (Achtung der Eltern, Lehrer und, vor allem, der Regierung und der Staatsorgane) zu zerstören um dann ungehindert das Land auszuplündern zu können.
Es handele sich hier wieder um die gleichen Mächte die 1997 die sogenannte Asienkrise initiiert und 1999 den Airbus der Thai Airways so manipuliert hätten dass er beim vierten Anflugversuch bei tropischem Gewittersturm in Surat Thani durch eine Boe aus der Bahn geworfen wurde und nur ganz wenige Kilometer neben der Landebahn zerschellte.
Er lasse seine Leute nicht als Idioten darstellen. Sie haben die gleichen Rechte wie alle anderen Staatsangestellten und Politiker.
Außerdem liegt die Polizei nach dem Zoll und der Steuerbehörde an dritter Stelle in der Korruptionsstatistik und so sei noch viel Arbeit zu tun.
Da der Wahlkampf für die Abgeordnetenwahl begonnen hatte schaltete sich der ehemalige Brigadegeneral Roongchai Chuntarugsiworakul ein ,und wie immer wenn er sich einschaltete kam es zum Desaster.
General Roongchai hatte schon vor vier Monaten für das Amt des Bangkoker Bürgermeisters kandidiert und verkündet er werde als erste Aktion (er ließ keinen Zweifel daran dass er gewählt werden würde ), um die Verkehrslage in Bangkok zu entschärfen, sämtliche Ampeln auf grün schalten lassen.
Nachdem sich auch der letzte Tuk-Tuk Fahrer von seinem Lachanfall erholt hatte sagte er auf einer Pressekonferenz das er aus dem falschen Zusammenhang zitiert worden sei. Er habe nicht gesagt das er alle Ampeln auf grün schalten lassen werde sondern nur diejenigen in einer Richtung.
Ganz davon abgesehen dass sich in Bangkok eh keiner um die Farbe der Ampel kümmert und die meisten Kreuzungen von Verkehrspolizisten geregelt (die Bangkokians behaupten "blockiert") werden wurde er auch nicht gewählt (er bekam 116 Stimmen ,das sind 22 weniger wie die Anzahl der Wahlberechtigten in seiner eigenen Familie).
Seine letzten Worte in der Nachwahlsendung "Krung Thep ratong khrong tao tao mungthai mau gao tong khrathau " (auf deutsch etwa: "Parteien zur Wahl" - es waren nicht alle 86 Parteien anwesend, da in den anderen Programmen ähnliche Sendungen liefen und einige Parteien nur aus einem einzigen Kandidaten bestanden): "Wenn die Bangkoker zu blöd sind meine Kompetenz zu erkennen müssen sie eben die nächsten vier Jahre ohne meine reichhaltige Erfahrung auskommen."

Na gut, dieser Khun (Herr) Roongchai hatte irgend etwas nicht richtig verstanden und sagte bei seiner täglichen Pressekonferenz in der Parlamentslobby zu einer, zufällig ,auf dem Weg zur Toilette an ihm vorbeieilenden Fernsehjournalistin:
"Selbstverständlich ist die Polizei sauber. Sie ist genau so wenig korrupt wie ich!"
Als dieses Statement in den 12 Uhr Nachrichten gesendet wurde kam es zum Eklat.
Der Innenminister wurde umgehend aus einer wichtigen Sitzung vom Golfplatz geholt und versuchte zu retten was nicht mehr zu retten war.
Seine letzten hörbaren Worte, bevor er im Tumult nicht mehr zu verstehen war, waren : "Korruption ist in diesem Lande überhaupt kein Thema und solange wir an der Regierung sind wird es auch nie eines werden."
Nun holte die Polizeiführung zum Gegenschlag aus und verkündete das sie nicht zulassen werde dass hunderttausende von Polizistenfamilien in die Armut abrutschen werden und dass niemand von ihnen verlangen könnte nur mit dem miesen Polizisten-Gehalt allein zurechtzukommen.
Um ein Exempel zu statuieren werde man ab sofort einen Monat Dienst nach Vorschrift machen.

Die erste Woche passierte garnichts. Alle waren damit beschäftigt die Vorschriften zu suchen, dann ging es aber los:
Angehaltene Auto-und Motorradfahrer mussten nun den vollen Einheitspreis für Verkehrsvergehen zahlen.
Selbst die 38 Radfahrer Bangkoks, die bisher den Status unantastbarer Vollidioten hatten , mussten damit rechnen angehalten zu werden .
Das machte jeweils eine Summe zwischen 1000 bis 2000 Baht (etwa 25 - 50 €), die dann anstelle der bisher unbürokratisch verlangten 200 Baht ( etwa 5€) zu bezahlen waren.
Da nun auch Quittungen für die Verwarnungsgelder ausgestellt wurden bildeten sich überall lange Warteschlangen.
(Später fand man heraus dass jeder Verwaltungsakt pro Fall mehr als 2500 Baht Kosten verursachte)
Da auch die sogenannten Abos nicht mehr akzeptiert wurden mussten nun auch Fahrer die täglich die gleiche Strecke fuhren auch täglich für ihre Missachtung der Vorschriften zahlen.
(Wie es der Fernsehsender IPC so schön dokumentiert hatte musste der Fahrer das zusammengeknüllte Geld im Vorbeifahren nur aus dem Fenster werfen. Ein Polizist brauchte es nur noch einzusammeln. Das bewahrte den Fahrer davor auf diesem Straßenstück angehalten zu werden und steigerte die Effektivität der Polizeiarbeit).
Nun musste er anhalten und ein offizielles Strafmandat in Empfang nehmen. Das führte zur totalen Blockade der Expressway's, den Lebensadern der Stadt.

Leute die darauf bestanden zu erfahren warum sie zahlen sollen, also gegen welche Vorschrift sie verstoßen hätten, wurden umgehend in Arrest genommen und mussten solange dort verweilen bis man eine einigermaßen plausible, anwendbare Vorschrift gefunden hatte.
Nicht nur die Verkehrs-sondern auch Metropolitan-und Kriminalpolizei schlossen sich dem Streik an.
Hühnerdiebe wurden plötzlich verfolgt, die Benutzer wilder Müllkippen wurden bestraft und Schwerverbrecher wie Autodiebe , Rauschgiftdealer und fliehende Strafgefangene wurden nicht mehr auf der Flucht erschossen sondern festgenommen.
Illegale Fremdarbeiter aus Burma, Laos oder Kambodscha wurden nicht nur ausgewiesen sondern mussten nun auch wirklich gehen.
Das führte dazu dass das gesamte Hauspersonal aus dem Verkehr gezogen wurde.
Selbst das Einreiseverbot von Wolfgang Ullrich *) fand sich nun in den Computern der Grenzorgane.
Sogar die Elefanten wurden, wie seit 15 Jahren angekündigt, aus der Stadt verbracht.
Da viele die nun viel höheren Strafen nicht zahlen konnten füllten sich die Gefängnisse .Da dort kein Essen gereicht sondern die Nahrung von Verwandten und Bekannten gebracht werden muss, die Strassen aber total verstopft waren ,kam es zu ersten Hungersnöten.
Es wurden Krisenstäbe gegründet. Die konnten aber nur über Handy konferieren , denn durch die chaotische Verkehrslage war es nicht möglich sich zu bestimmten Zeiten an irgendwelchen Orten zu verabreden.
Der Ministerpräsident regierte nur von seiner Villa aus und die Hälfte der Minister bat vergeblich darum sich die Akten auf den Golfplatz bringen zu lassen.
Eine Lösung schien nicht in Sicht.
Alle hofften auf die Ehefrauen der Polizisten, da diese nun den Haushalt mit weniger als der Hälfte des alten Einkommens bestreiten mussten.
Doch plötzlich passierte etwas womit niemand gerechnet hatte.
Die beiden thailändische Boxer Wijan Ponlid und Pornchai Thongburan waren ins Halbfinale bei den Olympischen Spielen in Sydney gekommen und boxten nun um Medaillen.
Das wollte sich niemand entgehen lassen.
Jeder versuchte so schnell wie möglich nach Hause zu kommen um die Übertragungen aus Sydney im Fernsehen zu sehen.
Viele hatten das Glück gerade noch mitzukriegen wie Wijan Ponlid die Goldmedaille um den Hals gehängt wurde. Pornchai gewann die Bronzemedaille.
Die Begeisterung kannte keine Grenzen und der König ordnete an das die beiden Boxer und die Bronzemedaillengewinnerin im Gewichtheben in Bangkok mit einer Elefantenparade geehrt werden sollen.
Also wurden die Strassen freigemacht, die Elefanten wurden wieder in die Stadt geholt und die Polizei musste die Strassen absperren um die Elefantenparade reibungslos über die Bühne zu bringen.

Das geschah dann auch und wurde ein wundervolles Fest.
Die Strassen waren voll von Menschen und alle sangen die Nationalhymne und die Sportler bekamen vom König hohe Orden verliehen.
Danach war alles wieder beim alten.
Da die Polizisten durch den Streik viel Geld verloren hatten waren sie nun bemüht dieses wieder hereinzuholen. So kam es dass die Polizei kurzfristig sogar den Zoll vom ersten Platz der Korruptionstabelle verdrängen konnten.
Davon schwärmen sie heute noch.

Übrigens:
Der Redakteur Thawatchai wurde nach Zahlung einer Kaution auf freien Fuß gesetzt. Die Kaution war auf 200.000 Baht festgesetzt ,er hat sie dann aber auf 200 Baht (ohne Quittung) herunterhandeln können.
Auf die Frage seines Chefs warum er diesen Artikel geschrieben habe antwortete er er sei Buddhist und glaube grundsätzlich immer an das Gute im Menschen.
Sein Chefredakteur versetzte ihn erst in die Sportredaktion.
Hier erwischte man ihn als er an einem Artikel mit der Überschrift:
"Keine Anhaltspunkte für Korruption beim Internationalen Olympischen Komitee."
schrieb.
Nun ist er für das Horoskop zuständig und hat als erstes den Titel von
"Die Sterne Lügen nicht" in "Das Schicksal ist unbestechlich" abgeändert.

Ex-Brigadegeneral Roongchai hat wieder Schlagzeilen gemacht.
Er hat verlautbart endlich eine Lösung für die Frage gefunden zu haben warum Bangkok zwei Internationale Flughäfen benötigt (der zweite ist im Bau):
"Man sollte den einen Flughafen nur zum Starten und den anderen nur zum Landen benutzen."

*) ein deutscher "Geschäftsmann" dem das größte bayerische Restaurant in Patthaya gehörte .Er wurde vor 5 Jahren zur "Persona non Grata" erklärt und ihm damit die Einreise nach Thailand verwehrt.
Danach ist er noch mindestens 30 mal unbehelligt ein- und ausgereist obwohl er im Fahndungscomputer der Grenzorgane war.
Deutschland hat einen Auslieferungsantrag gestellt da er Millionen aus einem Tierschutzfond veruntreut haben soll. Mittlerweile ist er nach Deutschland ausgeliefert worden.

Anmerkung:
Dieses ist nur eine Satire. Die Geschichte ist so nicht passiert. Wenn sie aber passiert wäre wäre sie so passiert.
Kursiv geschriebene Passagen entsprechen weitgehend der Wahrheit soweit ich sie den englischsprachigen Tageszeitungen Bangkok Post und The Nation entnehmen konnte. Sie sind für diese Geschichte nur leicht verfremdet oder in einen etwas anderen Zusammenhang gestellt.
Werner Warnecke
Bangkok - Thailand

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.07.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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