Mein geliebter
Spargel!
Immer wenn ich gezwungen
werde, warum auch immer, mit der U-Bahn zu fahren dann fröstelt es mich!
Natürlich zieht es
da unten immer wie Hechtsuppe… aber das ist es nicht alleine! Es ist einfach
nicht meine Welt. Schon gar nicht wenn einer wie ich vom Lande kommt.
Na gut, heute war
ich wie gesagt mal wieder gezwungen… kein Auto!
Nur ein kleiner
Schaden!
Und oben in den
Straßen ist es auch nicht gerade angenehm um zu Fuß zu gehen. Es weht gerade
ein starker Nordostwind, typisches Aprilwetter und dazu gießt es mal wieder in
Strömen!
>Na ja, ist ja bald
wieder Mai dann wird’s bestimmt besser<.
Nichts los hier
auf dem langen Bahnsteig, ist ja auch gerade kein Berufsverkehr.
Zehn Uhr
vormittags und kaum eine Menschenseele.
Zu dieser Zeit kommt
die U-Bahn nur alle zehn Minuten vorbei.
Hab schon überlegt
für die eine Station mal schwarz zu fahren.
Das Problem ist
nur, wenn man mal keinen Fahrschein hat, dann kommen garantiert auch noch die
Kontrolleure und dann wird das erst teuer!
Eine Scheißlaune
habe ich noch dazu, alles so Nasskalt und falsche Klamotten habe ich auch
angezogen, viel zu Sommerlich!
Und überhaupt, man
sieht nichts hier unten außer graue und kahle Wände.
Ich wollte ja zu
fuß gehen bis zum Supermarkt, aber dieses Sauwetter ließ es einfach nicht zu!
Das Geld war auch wieder
mal knapp, schon fast Ebbe im Portemonnaie und das wie immer am Ende eines
Monats!
Diesmal war es
beinahe schon zu knapp!
Aber es reicht immer
noch für ein paar lebenswichtige Fressalien.
Sozusagen für die Grundnahrungsmittel,
also ein notwendiger Einkauf, nur so zum Überleben!
Dabei dachte ich
an Brot, ich war mir nur noch nicht sicher ob Schwarzbrot oder Feinbrot. Vom
Feinbrot bekomme ich aber immer Sodbrennen, egal, ist dafür aber billiger!
So… dann brauche
ich noch Margarine und drei Liter Milch. Damit ich übers Wochenende komme. Da
nehme ich immer die Kondensierte fettarme Milch, die hält eben länger.
Lieber trinke ich
natürlich frische Milch, die trinke ich für mein Leben gerne.
Am liebsten allerdings
frisch von der Kuh, nur gut dass ich schon als kleiner Junge auf dem Land
gelebt habe!
Da lernt man so was
nämlich, direkt beim Melken… aus dem Euter und ab in den Mund!
Natürlich ist das
nicht jedermanns Sache, aber so was „Frisches“ bekommt man hier in der Stadt ja
sowieso nicht.
Durch einen Stoß
an der Schulter wurde ich aus meinem kurzen Traum gerissen, wieder mal so ein
ungehobelter Schwachkopf der es besonders eilig hat und nicht aufpassen kann!
Die U – Bahn kam
wie immer quietschend um die Kurve und erzeugte auch gleich wieder bei mir die
typische Gänsehaut und Ablehnung!
Na gut, lieber die
eine Station in fünf Minuten als zwanzig Minuten durch den Regen!
Man könnte meinen
der Regen hätte meinetwegen aufgehört. Als ich nach oben zur Straße kam hat es
nur noch ein wenig getröpfelt.
Zugegeben, die
Luft war klar und man konnte wieder so richtig tief durchatmen. Das tat gut bei
all den Abgasen!
Der Supermarkt war
erfreulicher Weise auch nicht besonders voll heute.
Das konnte daran
liegen, dass bei vielen anderen auch nichts los war im Geldbeutel und nicht nur
bei mir!
Auf jeden Fall schnappte
ich mir gleich einen Einkaufwagen und stolzierte mit einem netten Liedchen auf
den Lippen >pfeifend< und fast alleine durch die Gänge.
Die Milch, was ja
keine Frischmilch war, stand auf Paletten neben dem Brotregal. >Drei Liter
müssten reichen<.
Warum die Milch
nicht bei der Frischmilch liegt?
Milch zu Milch!
Ich hab das nie
begriffen!
Na ja, die haben
sich bestimmt was dabei gedacht!
Die Butter und die
Margarine gab es da hinten neben dem Gemüsestand nur zwei Gänge weiter.
Etwas Belag fürs
Brot kann ja auch nicht schaden dachte ich mir und erreichte zwischenzeitlich
die Wurstabteilung.
Die grobe
Leberwurst sieht heute besonders einladend aus.
Na und dann die gute
Jagdwurst erstmal oder nehme ich doch die Salami die mich anlachte!?
Vielleicht nehme
ich aber doch lieber die Bauernmettwurst?
Mit dem von mir
gerade noch entdeckten geräucherten Bauernschinken, landete schließlich alles
in den Einkaufswagen!
Die Margarine
schon im Visier blieb ich aber erst einmal stehen und prüfte unauffällig und rein
oberflächlich meine Finanzen.
Rosig sah es wie
gesagt nicht aus aber es könnte für einiges reichen.
Ich zählte alle
Preise meiner Lebensmittel zusammen die schon im Wagen lagen und war erschrocken
was dabei heraus kam.
Aber Margarine
musste ich trotzdem haben also marschierte ich an den bunten Auslagen der
Gemüsekisten entlang in Richtung Feinkostabteilung.
Drei verschiedene
Farben von Paprika, schöne knallrote Strauchtomaten und grüne Salatköpfe und
vieles mehr…
und dann plötzlich,
ich traute meinen Augen nicht!
Da sah ich ihn
liegen… aufgereiht in Mengen, in großen Mengen…, den langen weißen Spargel!
Eine Spargelstange
schöner als die andere.
Mein über alles
geliebter Spargel! Liegt einfach so da.
>Man sollte
unbedingt noch wissen das ich, als ich noch auf dem Lande lebte, meine eigenen
Spargelbeete hatte<!
Und das waren
nicht wenige.
Und über den
Spargel hing ein rotes Schild mit weißer Aufschrift!
>„Heute im Angebot“<
>Frisch
gestochener Deutscher Spargel<!
Spargel, schoss es
mir immer wieder durch den Kopf.
Das muss dann ja der
erste Spargel sein in diesem Jahr!
Ist das denn schon
wieder so weit?
Oh Mann, schon
lange keinen frischen Spargel mehr gegessen, zu lange schon nicht!
Ja richtig, fast
ein Jahr.
Und ausgerechnet
jetzt wo das Geld hinten und vorne nicht so richtig reicht gibt es den ersten
Spargel!
Und daneben auf
einer Pappwand gab es auch noch viele Beispiele wie man den Spargel anrichten
kann.
Aber das weiß ich doch
selber.
Warum werde ich bloß
so gequält, warum musste ausgerechnet heute der Spargel dort liegen.
Ich merkte wie mir
das Wasser buchstäblich im Mund zusammen lief, ungefähr so als würde ich in
eine Zitrone beißen!
Spargel mit
Kartoffeln, die hatte ich übrigens noch zu Hause, dazu geräucherten Schinken
und dann den Spargel mit etwas Paniermehl bestreuen und zuletzt alles mit
zerlassener Butter übergießen.
In meinen Gedanken
versunken hatte ich schon Messer und Gabel in der Hand und ein Duft zog an
meiner Nase vorbei.
Doch leider war es
nur der Duft irgendeiner Suppe, die eine Propagandistin einen Gang weiter den
Kunden zum Verkosten anbot!
Trotzdem, für
Spargel lasse ich alles andere stehen, nicht mal ein schöner Braten könnte mich
gegen ihn Stimmen!
Nur ein kleines
Problem hatte dieser frisch gestochene Spargel, er war einfach noch zu teuer.
Jetzt wurde ich langsam
nervös, ein Griff in die Gesäßtasche wo sich die Geldbörse befand.
Was blieb mir nun
anderes übrig als jetzt richtig mal nachzuzählen wie viel Geld denn nun
wirklich noch vorhanden ist!
Na gut, wollen
doch mal sehen auf was ich verzichten kann?
Bei der Leberwurst
hab ich mich sowieso vergriffen.
So richtig mochte
ich die eigentlich noch nie, und wenn ich auf die Jagdwurst auch noch verzichte…,
dann könnte vielleicht das Geld für den Spargel reichen.
Oder aber, wer
braucht denn überhaupt drei Liter Milch?
Schon gar nicht am
Wochenende!
Ich ganz gewiss
nicht! Da wollen wir mal nicht so prassen, ein Liter Milch reicht doch völlig
aus!
Als ich mich auch
noch von der Salami trennte, war außer meinem geräucherten Schinken fast nichts
mehr im Einkaufswagen.
Aber dafür kam ja nun
noch mein geliebter Spargel hinzu!
Eigentlich haben ja
alle Spargelbunde gleich viele Stangen.
Bei den dicken
Spargelstangen sind es aber weitaus weniger.
Doch letztlich
habe ich ein Bund mit zwölf gleichmäßigen und fingerdicken Spargelstangen
entdeckt. Genau das richtige für eine Mahlzeit.
Schon fast
feierlich nahm ich es aus dem Regal und legte es in den Wagen. Es soll ja um
„Gottes Willen“ keine Spargelstange dabei zerbrochen werden!
Was tut man auch
nicht alles für sein Leibgericht, da verzichtet man doch gerne auf anderes wie
Wurst und dergleichen!
Irgendwie trieb es
mich zum Ausgang, denn nach meiner Rechnung war mein Geld jetzt aufgebraucht
und ich wollte einfach schnell und gradlinig nach Hause.
An der Kasse war nicht
viel los, ich zahlte und war froh endlich wieder draußen zu sein.
Nur gut, dass die
Fahrkarte innerhalb zwei Stunden für die Hin- und Rückfahrt zählt sonst hätte
ich jetzt auch noch zu Fuß laufen müssen!
Als ich zum Himmel
hoch schaute, sah ich wie sich plötzlich alles wieder zuzog und es wurde dabei
verdächtig Dunkel.
Was da von oben zu
kommen drohte sah fast wie ein Wolkenbruch aus.
Nicht einmal zu
Ende gedacht fing es auch schon zu regnen an.
Aber, wieder mal
Glück gehabt und mit etwas angefeuchteter Jacke bin ich wieder im Untergrund
angekommen.
Dieses Mal brauchte
ich nicht lange auf die U – Bahn zu warten, dachte ich…, denn als die typisch gelbe
Bahn einlief hörte ich über Lautsprecher eine laute Stimme sagen :> bitte
zurück bleiben an der Bahnsteigkante, dass ist eine Betriebsfahrt, der Zug
fährt durch! Und dann… wir haben etwas Verspätung der nächste Zug kommt in etwa
zehn Minuten<!
Na Danke, dachte
ich und fing dabei leise an zu fluchen.
Eine ältere Dame muss
das wohl bemerkte haben wie verstimmt ich über die Verspätung war und das mir
die unvorhergesehene Situation nun überhaupt nicht passte!
Sie sah mich mit
einem tröstlichem lächeln an und hob die Schulter.
Da kann man nichts
machen, sagte sie etwas niedergedrückt!
Bestimmt stand sie
schon länger an der Bahnsteigkante und ich nahm an, dass sie wohl in die
gleiche Richtung wollte wie ich.
Mein Magen fing
nun an zu Knurren und die Vorfreude auf mein Spargelessen war kaum zu
überbieten!
Erst jetzt sah ich
auch warum sie so gequält lächelte, die alte Dame musste sich beim gehen auf
einem Krückstock abstützen.
Aber trotz dieser
Gehhilfe fiel es ihr offensichtlich schwer damit voran zu kommen.
Sicherlich ist sie
beim Einfahren des Zuges umsonst und unter großen Anstrengungen zur Bahnsteigkante
geschlürft.
Und weil sie jetzt
auch wie ich die frei gewordenen Sitzbänke ansteuerte
>die Bahn auf
der anderen Seite war gerade raus gefahren<
bot ich ihr doch
gleich mal meine Hilfe an.
Das hat sie aber
strickt abgelehnt und meinte noch >wenn ich mal im Rollstuhl sitze junger
Mann, dann können wir mal da drüber reden<!
Donnerwetter
dachte ich nur, diese Dame ist aber resolut!
Na gut, ich wollte
ja nur höflich sein!
Bis die nächste
Bahn kommt, hatte ich jetzt etwas Zeit mir über mein Spargelessen Gedanken zu
machen.
Vielleicht reicht
es ja auch für zwei Mahlzeiten.
Oder doch mal
richtig schlemmen und den ganzen Spargel auf einmal aufessen?
Als ich noch
einmal die Menge meiner Spargelstangen in der Tüte nachzählte und noch über
zwei Mahlzeiten nachdachte, hätte ich doch beinahe nicht bemerkt das nun endlich
die Bahn einrollte.
Fast jedes Abteil
war leer, also hätte ich mich setzen können aber für die eine Station lohnte es
sich nicht.
Ich stellte mich
also gleich an die Tür und klemmte meine Einkaufstüte zwischen meinem rechten
Bein und der Wand von dem dahinter liegenden Sitzplätzen.
Warum weiß ich
nicht, aber ich schaute noch einmal zum Bahnsteig und bemerkte, wie die ältere
gehbehinderte Dame die gerade noch neben mir auf der Bank gesessen hatte, den
Zug ansteuerte in dem ich stand.
Das wäre ja nichts
besonderes, wenn ich nicht gewusst hätte dass die U – Bahn hier nicht lange
hält. Zumal der Zug ja auch noch Verspätung hatte!
Das schafft sie
doch nie dachte ich und in diesem Augenblick sagte eine Stimme über
Lautsprecher…
> bitte
Beeilung und schnell Einsteigen<
während eine
andere Person mit einem Hechtsprung an mir vorbei ins Abteil stürmte.
Und dann geschah
es!
Noch bevor die
alte Dame nur annähernd die Tür erreichen konnte, verlor sie doch glatt den Halt
unter den Füßen und fiel der Länge nach hin!
Nach meiner Einschätzung
waren es noch fünf bis sechs Meter zum Zug.
Höflich wie ich
nun mal bin, so wurde ich erzogen, sprang ich sofort auf den Bahnsteig zurück um
der alten Dame wieder auf die Beine zu helfen.
Anscheinend hat
das keiner anderer Fahrgast mitbekommen geschweige noch der Zugführer.
Die Dame fing
leise an zu wimmern… wahrscheinlich vor Schmerzen.
Offensichtlich hat
sie sich das Knie aufgeschlagen denn es rann etwas Blut am Bein herunter.
Ich half ihr
wieder auf die Beine und reichte ihr den Krückstock dann sammelte ihr schnell
ihr Hab und Gut ein und begleitete sie zu einem freien Platz auf einer Bank.
Durch den relativ
leichten Sturz wurde ihr Strumpf am rechten Bein völlig zerfetzt und es sah aus
als hätte sie sich den Strumpf gerade von „Pippi Langstrumpf“ geliehen.
Es war natürlich
nicht zum Lachen aber es sah eben so aus!
Mit einem Schalk
im Nacken meinte ich zu ihr: gute Frau, mit Rollstuhl wäre das aber nicht
passiert!
Als ich ihr einen
Krankenwagen holen wollte, lehnte sie das strickt ab.
Sie bedankte sich aber
bei mir und streckte mir ihre zitternde Hand entgegen. Dann schaute sie mich
mit angezogenen Augenbrauen und einem stöhnendem Lachen an und sagte: also
junger Mann, mit dem Rollstuhl überlege ich es mir jetzt wirklich!
Schon klar, alles
Gute weiterhin sagte ich und wollte nach meiner Einkaufstüte greifen.
Doch leider griff
ich völlig ins leere.
Noch in gebückter
Haltung drehte ich mich um die eigene Achse und suchte meine Tüte!
Aber da war
nichts, rein gar nichts.
Und nun viel es mir
wie Schuppen von den Augen… natürlich!
Die U – Bahn!
Und ich hörte nur
noch das entfernte Geräusch von quietschenden Rädern.
Als ich zur
Bahnsteigkante kam sah den Schienenstrang entlang und konnte nur noch in weiter
Ferne die roten Rücklichter der Bahn im Dunkeln des Tunnels verschwinden sehen.
Einen Moment stand
ich wie versteinert da und dachte über meine Tüte nach!
Bestimmt klemmte
nun ein anderer mit seinem rechten Bein meine Einkaufstüte an die Wand mit den
dahinter liegenden Sitzplätzen.
Ich schaute zurück
zur alten Dame die noch immer mit schmerzverzehrtem Gesicht auf der Bank kauerte.
Doch sie wusste
nichts von dem was mir gerade entgangen war!
Jedenfalls, mit
der Bahn verschwand auch die Tüte mit meinem „Spargel“ für immer!
Ich habe ihn nie
wieder gesehen!
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Dieter Ruhland).
Der Beitrag wurde von Dieter Ruhland auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.05.2006.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Dieter Ruhland als Lieblingsautor markieren
Felix Esch: Ein gesellschaftskritischer Roman
von Madelaine Kaufmann
Felix Esch ist ein Schriftsteller mit einer besonderen analytischen Gabe, die Menschen und die Welt um sich herum zu betrachten. Gesellschaftskritisch, philosophisch und entlarvend schauen die Figuren des Romans in ihr Inneres, thematisieren die Liebe, den Hass, den Tod, manchmal dem Guten, manchmal dem Schlechten zugewandt.
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: