Aus der strahlenden Wärme der letzten Tage ist eine leicht drückende Helligkeit geworden. Eine, wo ich meine Sonnenbrille vermisse, weil die Sonne nicht nur scheint, sondern sie sich ein klitzekleines bisschen bösartig unter meine Netzhaut drängelt. Ich mag nicht aufschauen, und ich weiß ganz genau, dass ich diese Falte über den Augen habe, die immer da ist, wenn ich etwas anzweifle oder ich die Augen zusammen kneife, um schärfer zu sehen oder eben einfach nur ein Zuviel an Licht da ist. Zu viel Licht ist auch nicht gut...es hindert manchmal wirklich daran, klar zu sehen.
Oft verlasse ich den Sandkasten, um mich im kühlen Raum von der Sonne zu erholen. Ich kann nicht genau einordnen, welches Gefühl ich lieber spüre, - den warmen, körnigen Sand, der sich zwischen die Zehen drückt und sich anfühlt, als ob ich auf einem dicken Wollteppich laufe, oder das bläuliche Linoleum, das angenehm glatt und kühl unter meinen Fußsohlen dafür sorgt, dass meine Körpertemperatur augenblicklich absinkt.
Ich bleibe in der Tür zum Garten stehen und schaue nach draußen. Dorthin, wo die Kinder mit der Wasserbahn spielen, sich mitten in die entstandenen Wasserlachen stellen und anfangen, laut aufzulachen, weil die Eiseskälte des Grundwassers sie dennoch nicht abschrecken kann, das geliebte Element, das den Pulversand zu einer formbaren Masse macht, wieder zu verlassen.
Der Spaß und die Phantasie der Kinder, aus Sand eine kleine Mauer zu formen, sie wieder einstürzen zu lassen und zu schauen, wie viele Wassertropfen eine Brücke zerstören können, besiegt die eigene Empfindlichkeit ...ihre Füße stehen mitten im Graben, schmerzen vor Kälte und dennoch kann sie das nicht zwingen, ihre Lust zu beenden.
Wie ich sie beneide.
Und wie enttäuscht sie sind, als ihre Eltern zur Abholzeit kommen, ihnen die Füße abspülen, sie trocknen, ihnen Socken und Schuhe anziehen.
Die letzten Spuren, die die feuchtsandigen Kinderfüße im Gruppenraum hinterlassen haben, kehre ich eine halbe Stunde später auf und schütte sie zusammen mit Papierschnipseln von Fähnchen für Faltboote in den Mülleimer.
Ein Blick ins Freie lässt mich auf eine dunkelgraue Wolkenwand schauen. Das Licht ist beißend, Regen kündigt sich an und ich bin froh, diesen Tag mit den Kinder nicht drinnen verbracht zu haben. Die Sinnlichkeit, mit der sie den Vormittag angefüllt haben, klingt noch nach...der Nachmittag wird später nach nassem Gras und nasser Erde duften, ein wenig vielleicht nach Staub, von Autos heruntergewaschen und nach trocknendem Asphalt. Und der aufsteigende, feine Nebel wird sich warm und feucht anfühlen und das Licht wieder unangenehm gleißend einfärben. Und in diesem Augenblick werden die Vögel den Nachmittag begrüßen, so wie sie morgens den Tag begrüßen, wenn sich die Nacht dem Ende neigt.
Und ich..?
Ich werde völlig durchnässt auf der Wiese stehen, an der ich morgens auf dem Weg zur Arbeit entlang fahren muss. Meine Schuhe baumeln an meiner Hand und ich werde meine Sonnenbrille nicht vermissen, ich werde mir meine nassen Haare aus den Augen streichen und mir nicht überlegen, ob meine triefenden Kleidungsstücke eine nasse Spur auf meinem Autositz hinterlassen.
© Birgit Seitz 17.06.2003