Franjo Franjkovic

Ein Tag im Zoo


Eigentlich sollte es ja nur ein ganz normaler Familienausflug werden. Mama, Papa, Opa und Kind. Man könnte meinen, dass das unter normalen Umständen kein großes Problem darstellen dürfte, aber wer einen 3-jährigen Sohn hat, weiß wie so eine Sache ausarten kann.
 
 
Die Anfahrt bringen wir noch ohne größere Zwischenfälle hinter uns. Kleinere Kratzer und Abschürfungen vor Fahrtantritt gehören nun mal dazu und werden von routinierten Eltern locker weggesteckt. Übung macht schließlich den Meister.
Die erste große Frage stellt sich aber gleich nach der Ankunft auf dem Parkplatz. „Papa, wo ist denn jetzt der Zoo???“ Eins muss ich meinem Sohn lassen. Doof ist er nicht. Natürlich kann man von unserem Parkplatz aus noch nicht einmal den Eingang erkennen und es folgt eine ausgiebige Erklärung meinerseits, dass wir mindestens 1,5km weiter weg parken müssen, um die armen Tiere im Zoo nicht zu erschrecken. 15 Minuten später und 1,3km weiter kommt schließlich der Eingang in Sicht und wir reihen uns frohen Mutes in die Schlange der Wartenden vor der Kasse ein. Zum Glück steht ein paar Meter hinter uns ein pensionierter Kieferchirurg mit seinen Enkeln, der mich aus meiner Ohmacht erwecken kann, nachdem ich aufgrund der Eintrittspreise einem leichten Kreislaufkollaps zum Opfer gefallen bin. Im Fallen habe ich mir noch unglücklich den Kopf an einer der, im Eingang aufgestellten, Affenstatuen gestoßen, was ein leichtes brummen im Schädel zur Folge hat. Im Gegensatz zu mittelalterlichen Wegelagerern hat man am Kassenhäuschen im Zoo keine Wahl zwischen Geld oder Leben, sondern nur ob man ein oder doch lieber zwei Kilo Karotten für die Tiere im Streichelzoo mitnimmt. Bei den Preisen für die Karotten drängt sich mir noch unwillkürlich die Frage auf, ob es sich um frisch eingeflogene Edelmöhren aus Südamerika handelt, von denen jede einzelne liebevoll von einem brasilianischen Topmodel abgespült wurde. Bei näherem Hinsehen scheint es sich aber eher um eine freundliche Spende des türkischen Obsthändlers aus dem nächsten Ort zu handeln, der die blassen Möhrchen dann doch nicht auch noch die zweite Woche in der Auslage liegen lassen wollte, sondern sich lieber artig für die Familien-Jahreskarte bedankt hat, die ihm der Zoodirektor im jährlichen Turnus zukommen lässt.
 
 
Es gibt immer wieder Eltern, die sich über die strategisch günstig platzierten Süßigkeiten an den Supermarktkassen ärgern, aber keiner außer mir scheint sich zu wundern, dass das erste Ziegengehege gleich hinter dem Eingang liegt und die erste Frage meines Sohns ist selbstverständlich, ob er die Ziegen füttern darf. Ich überlege noch, ob ich meinem Sohn eine Geschichte über Darmverschluss durch übermäßigen Rübenverzehr oder tote Zicklein die an Möhrchenvergiftung gestorben sind, erzählen soll, als das erste Zicklein schon Karotten im Wert eines japanischen Kleinwagens verschlungen hat. Ich wundere mich noch, wie diese kleinen Biester es schaffen eine ganze Karotte auf einmal zu schlucken ohne zu kauen, als der erste leere Möhrenbeutel auch schon im Wind davon flattert. (An alle Umweltschützer: Natürlich bin ich über den Zaun des benachbarten Geheges gestiegen, um den leeren Plastikbeutel einzufangen und in einen der zahlreichen Mülleimer zu werfen, was allerdings einige kleinere Verletzungen an meinen Oberschenkeln zur Folge hatte, welche mir durch einen recht rabiaten Fischreiher zugefügt wurden.)
Ich bewundere immer noch die Kaltschnäuzigkeit der Zooplaner, denn nach den ersten 200m versperrt einem erneut ein Eingang, inklusive Kassenhäuschen, den Weg. Der Grund ist sicherlich die Tatsache, dass der Zoo zwei verschiedene Zufahrtswege hat, allerdings kam ich auch an der zweiten Kasse nicht vorbei, ohne meinen Karottenvorrat noch einmal gründlich aufzufüllen. Frohen Mutes betreten wir endlich den „richtigen“ Zoo und auch das Laufen fällt schon wesentlich leichter, nachdem der Inhalt meines Geldbeutels mittlerweile schon um die Hälfte geschrumpft ist. Auf die ersten zoologischen Fragen meines Sohnes kann ich auch noch äußerst souverän antworten: „Papa, was ist das für ein Tier??“ „Ein Hirsch.“ „Und das???“ „Auch ein Hirsch.“ Und die da vorne??“ „Naja...ähhh...sehen auch aus wie Hirsche.“ Obwohl meinen Sohn diese Antworten zufrieden zu stellen scheinen, klopft mir eine aufgebrachte Konrad-Lorenz-Kopie auf die Schulter. „Wie kommen Sie dazu Ihrem Sohn so einen Unfug zu erzählen? Schämen Sie sich denn nicht?“ Es folgt ein 15minütiger Vortrag darüber, dass ich doch nicht die Puduhirsche in einen Topf mit den peruanischen Gabelhirschen stecken könne und das außerdem auch der Sumpfhirsch sich signifikant von den beiden Erstgenannten unterschiedet. Ich werde langsam kribbelig und brauch dringend eine Zigarette, als mich meine Frau endlich aus der ausweglos scheinenden Situation rettet und beherzt in Richtung des nahen Ententeiches zieht. Der Hirschexperte ruft mir noch hinterher, dass ich ihm nie wieder unter die Augen treten solle und meinem Sohn gefälligst den Unterschied zwischen den Zwergtauchern und den Schwarzhalstauchern zu erklären habe, anstatt zu sagen, dass das einfach nur Enten seien.
Am Ententeich besteht mein Sohn darauf, dass wir die Enten füttern müssen und ich frage mich, ob er denn nun die Zwerg- oder Schwarzhalstaucher meint, was einerlei ist, denn der Automat mit dem Entenfutter spuckt klebrigen Körnerfraß für alle Entenarten aus. Für EUR 1,- bekommt man sogar fast eine ganze Hand voll Futter aus dem Gerät und mein Sohn bewirft fröhlich die um uns schnatternden kleinen Vielfrasse die nicht einmal nach fünf weiteren Ladungen Ruhe geben. Wir beschließen weiterzugehen als die anderen Zoobesucher schon mit den Fingern auf uns zeigen, nachdem ich eines der Viecher mit einem beherzten Tritt zurück in den Teich gekickt habe, weil es sich in meinem Daumen verbissen hat, um an die dort klebenden Futterreste zu kommen.
 
 
Natürlich darf man nicht alle Tiere in dem Zoo füttern. Am Gehege der Zwergaffen ist ein freundliches Hinweisschild angebracht, das den geneigten Zoobesucher auffordert die Affen bitte nicht zu füttern. Leider macht mich mein Vater, der sich bis dahin höflich zurückgehalten hat, auf das 5cm x 5cm große Schild aufmerksam. Zu meinem Unglück hat einer der Zwergaffen zu diesem Zeitpunkt schon die Reste des Entenfutters von meiner Hand geleckt und sieht mich mit seinen großen Knopfaugen an, als er plötzlich von seinem Ast kippt und zu Boden stürzt. Als dem armen Tier plötzlich Schaum aus der Nase läuft, nehme ich schnell meinen Sohn auf den Arm und schlage vor, dass wir uns doch vielleicht eher das Nilpferd ansehen sollten, was auch mein entgeisterter Vater und meine Frau mit schreckgeweiteten Augen bejahen. Ich höre noch wie einer der Wärter ruft: „Wer hat dem armen Zwergaffen was zu fressen gegeben??“ und eine kleine Klugscheißergöre antwortet „Der Mann da vorne war’s. Der hat auch die Ente getreten!!“ Ich überlege umzudrehen und der kleinen verzogenen Petze einen Vortrag zu halten, dass ich noch nie in meinem Leben eine Ente getreten habe, höchstens mal einen Zwerg- bzw. Schwarzhalstaucher, was aber vom zoologischen Standpunkt ein riesengroßer Unterschied ist, entscheide mich dann aber doch für die Flucht zum Nilpferdbecken.
 
 
Beim Nilpferd angekommen muss ich mit Schrecken feststellen, dass ich keine Karotten mehr bei mir habe und während die anderen Zoobesucher munter ganze Karottensäcke in den aufgerissenen Schlund des Nilpferds werfen, sehe ich wie sich die ersten Tränen in den Augenwinkeln meines Sohnes sammeln. Um dem drohenden Tornado vorzubeugen, ziehe ich schnell zwei Packungen gepresstes Trockenfutter aus einem der Futterautomaten und lasse meinen Sohn eine ganze Packung in das Nilpferdmaul schütten. Natürlich habe ich meinem Sohn dazu erzogen, seinen Müll nicht einfach so irgendwo hinzuschmeißen, sondern immer gleich fachgerecht zu entsorgen, was er aber wohl noch nicht so ganz verstanden hat, denn ich sehe nur noch wie der leere Karton ebenfalls im Maul des Nilpferds landet. Unter den wüsten Beschimpfungen der anderen Besucher entschließen wir uns erneut unseren Standort zu wechseln. Ich kann es nicht 100%ig sagen, aber ich könnte schwören, dass eine ältere Dame noch mit ihrem Schirm nach mir geschlagen hat, da meine Schulter so komisch wehtut.
Jetzt aber auf zum großen Finale. Der Streichelzoo!! Ein Haufen Esel, Ziegen, Lämmer und was weiß ich noch, die nur darauf warten mir die letzten Haare vom Kopf zu fressen und mit ihren schlabbrigen Zungen meine gute Hose zu ruinieren. Leider kommen wir nicht so weit, denn wir laufen an einer Art Auto-Scooter für 3-6jährige vorbei. Mein Sohn stürzt sich sofort mit einem spitzen Schrei in eines der freien Autos und wartet ungeduldig, dass ich einen Euro für die Fahrt einwerfe.
EUR 25,- später beschließen wir dann doch noch weiterzugehen und versuchen unseren Sohn aus dem Wagen zu ziehen. Während ich an seinem rechten und meine Frau an seinem linken Bein zerrt, rufe ich seinem Opa noch zu uns zu helfen, schließlich muss ja jemand die kleinen Finger vom Lenkrad losreißen. Mit vereinten Kräften gelingt es uns schließlich von diesem Auto-Scooter wegzukommen und ich werfe einen kurzen Blick in die Runde. Mein Sohn steht mitten auf dem Weg und heult Rotz und Wasser. Mein Vater scheint einige tiefe Kratzer am Unterarm abbekommen zu haben und meine Frau liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden und hält sich die Magengrube. Ich selbst bin mit einer angebrochenen Nase davongekommen und ich merke wie mir auch Blut aus einer kleinen Platzwunde auf der Stirn läuft. Mein Sohn hat inzwischen eine härtere Gangart eingeschlagen und statt dem üblichen Gezeter ist er jetzt in ein hysterisches Schreien verfallen, was ihm die Aufmerksamkeit der übrigen Besucher beschert. Da er es liebt im Mittelpunkt zu stehen, erhöht er seine Lautstärke noch ein weiteres Mal von „Feuermelder-laut“ auf „Startbahn-West-laut“. Ich versuche beruhigend auf Ihn einzureden und ich bekomme nur Wortfetzen anderer besorgter Eltern wie „...ein Fall für die Supernanny...“, „...Rabeneltern...“ oder „...verwöhnte Göre...“ zu hören. Ich höre das wütende Trompeten aus dem Elefantengehege, da die Dickhäuter bestimmt denken, dass einer ihrer Artgenossen verzweifelt nach Hilfe ruft, obwohl es sich doch nur um einen ganz normalen 3jährigen handelt. Ich versuche meinen Sohn in den Arm zu nehmen, um ihn zu beruhigen, was mir allerdings nur einen kräftigen Biss ins Ohr einbringt. Ich sehe noch wie die Elefanten mit vereinter Kraft den Zaun ihres Geheges einreissen, um das kleine „Elefantenbaby“ zu retten und das Unglück nimmt seinen Lauf...
Als wir schließlich alle gemeinsam vor dem Ausgang des Zoos sitzen und mich noch einer der Notärzte in eine wärmende Decke hüllt, versuche ich mich gar nicht erst an alle Details der ausgebrochenen Elefanten zu erinnern. Ein Polizist kommt auf mich zu und schaut verachtend auf mich herab. „Schämen Sie sich nicht?? Sie tarnen sich als harmloser Familienvater und verüben einen Anschlag nach dem anderen gegen diese armen, unschuldigen Tiere! So was abartiges wie Sie ist mir im Leben noch nicht untergekommen!!“ Schließlich gelingt es zwei seiner Kollegen ihn noch wegzuzerren, aber nicht ohne dass er mir noch einen Tritt gegen die Schläfe verpasst. Ein weiterer Polizist taucht auf und schaut ungläubig auf seinen Notizblock. „Also...nach Aussage einiger sehr glaubwürdiger Zeugen haben Sie heute einen Fischreiher und eine Ente gequält, einen Affen vergiftet, es bei einem Nilpferd versucht, Ihr Kind misshandelt und das Elefantengehege zerstört. Außerdem haben Sie auch noch eine große Menge Marihuana bei sich. Dafür wandern Sie in den Knast!!!“ Ich versuche mich aufzuraffen, um Ihm zu erklären dass ich keine Ente, sondern höchstens einen Zwerg- bzw. Schwarzhalstaucher getreten habe und das auch nur aus Notwehr. Ich versuche zu sagen, dass es sich bei dem Marihuana um nichts anderes handelt als gepresstes Tierfutter, das man im Zoo an jedem Automaten ziehen kann. Außer einem heiseren Krächzen bringe ich aber keinen Ton heraus, da ich mir mehrere Rippen gebrochen habe, nachdem mich eine wütende Elefantenkuh in das Stachelschweingehege geschleudert hat.Naja...was soll ich sagen. Kleinere Verletzungen gehören nun mal dazu und werden von routinierten Eltern locker weggesteckt. Übung macht schließlich den Meister. Und wenn meine Frau das Geld für die Kaution zusammenbekommt, gehen wir nächstes Wochenende in den Zirkus...

Welche Eltern kennen das nicht?! Man unternimmt einen Ausflug mit den Kindern, in der Hoffnung einen schönen Nachmittag zu verleben, aber am Ende läuft alles irgendwie nicht ganz erwartungsgemäß.

Meinen letzten Zoobesuch habe ich immer noch nicht wirklich verkraftet. Diese Geschichte ist der Versuch, das Geschehene zu verarbeiten ;-)
Franjo Franjkovic, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.06.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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