Pierre-André Hentzien

Kobolde im Kleiderschrank

Kevin hatte immer an Feen, Elfen und Regenbogen, an deren Enden man einen Topf, gefüllt mit Silberstücken, finden konnte, geglaubt; aber er glaubte auch an Gnome, böse Geister und an Kobolde...Ja, Kobolde!
Kobolde waren für ihn die schrecklichsten aller Gesellen, die die dunkle Nacht beherrschten.
Sicher, Gnome waren auch sehr unheimlich, aber Kobolde hatten so etwas ungreifbares an sich und waren dennoch so all gegenwärtig - nicht auszudenken, wenn sich einer in seiner Nähe befände.
"Ich bin 7 Jahre alt und habe keine Angst vor euch", sagte Kevin zu sich selbst, wenn ihn seine Mutter in den Keller schickte, um ein Glas von dem Eingemachten zu holen, oder wenn sie ihn bat auf dem Dachboden nach einer alten Tischdecke oder sonst einem Gegenstand zu suchen. Und tatsächlich überkam ihn nur selten der Schauer von Angst, der allen Menschen zu eigen ist, wenn sie in eine unbekannte und dazu noch dunkle Welt eintreten mußten. Doch in seinem eigenen Zimmer hatte er Angst, denn in seinem Kleiderschrank, genau dort, wo Mutter immer die Socken hintat, hatte sich einer Gruppe dieser finsteren Gesellen eingenistet. Nachts scharrte und rumpelte es im Kleiderschrank, und wenn man lange den Atem anhielt, dann konnte man ein Wispern von kaum hörbaren Stimmen vernehmen. Es waren keine greifbaren Wörter, sondern nur Fetzen von wirr durcheinander gesprochenen Formeln oder Fluchen.
Manchmal sprang Kevin aus seinen Bett und rannte zu seiner Mutter ins Schlafzimmer, wenn die Kobolde ihr Unwesen wieder einmal zu weit trieben, aber das kam selten vor, denn Kevin wußte genau, daß ihm seine Mutter keinen Schutz geben würde.
Früher, als er noch ganz klein war, da hatte sie immer Verständnis gehabt und ließ ihn mit in ihrem Bett schlafen.
Wie schön doch die Erinnerung war; der Gedanke an die Wärme und Geborgenheit, deshalb traf es ihn auch um so härter, wenn die ungebetenen Gäste wieder einmal keine Ruhe geben wollten.
Als Kevin die Kobolde das erste Mal hörte, da konnte er sie noch mit einem gezielten Hausschuhwurf zum Schweigen bringen, doch diese Zeiten waren längst vorbei.
Inzwischen trieben diese Winzlinge immer mehr Schabernack und ließ sich durch nichts mehr erschrecken.
Kevins Mutter hielt nichts von diesen Fabelgestalten, die, davon war sie fest überzeugt, nur der allzu lebhaften Phantasie eines kleinen Jungen entsprungen waren.
Ihr war es lästig, daß Kevin in fast jeder Nacht darum bat bei ihr schlafen zu dürfen, aber noch lästiger war ihr die immer selbe Ausrede, die ihr Sohn benutzte um sie zu veranlassen ihn doch wieder bei sich aufzunehmen.
Keine noch so glaubwürdige Erklärung und kein noch so ernster Gesichtsausdruck konnten sie von der Existenz der Kobolde überzeugen.
Konnte Kevin es seiner Mutter verübeln?
Schließlich hatte sie viele Male nachgesehen, aber niemals war auch nur eine einzige Spur von Kevins Peinigern zu entdecken.
"Kobolde im Kleiderschrank!?", hatte sein Vater ungläubig gefragt, als er endlich einmal zu Hause war, "das ist doch wohl eher etwas für die Märchenstunde, oder?"
Und nach dem Abendessen hatte er hinzu gefügt: "Ich frage mich, ob du nicht ein bißchen zuviel fern siehst?"
Kevin schwieg, denn was hätte er als Beweis anführen sollen? Was hätte er noch sagen sollen, was er nicht schon gesagt hatte? Er wußte es nicht.
Er wußte nur, daß er diese Bande von Quälgeistern irgendwie los werden mußte.
Die Frage war nur wie?
Kevin war nur eines klar; er mußte alles versuchen, um endlich wieder Ruhe zu finden.

Irgendwann, in einer Nacht, in der er wieder keinen Schlaf finden konnte, gelang es ihm das Nest der Kobolde zu untersuchen.
Die wilden Gesellen hatten sich scheinbar auf eine Erkundungstour durch das Haus begeben und so war der Weg für Kevins Nachforschungen frei.
Es war nicht viel was er fand : Einige winzige Decken, ein paar Beutel, gefüllt mit merkwürdigen Kristallen und Wurzeln, sowie einige vergilbte Schriftrollen.

Was sollte er mit diesen Dingen anfangen? Schließlich kannte er die Bedeutung dieser Utensilien nicht.
Gerade, als er seine Suche abbrechen wollte fiel ihm eine steinerne Platte mit runden Vertiefungen in die Hände.
Als er sich dieses eigenartige Gerät genauer betrachtet sah er drei Kugeln, die sich in den Vertiefungen um die Achse der Steinplatte drehten.
Nicht wissend, daß es sich dabei um die Uhr der Kobold handelte, legte er sie auf die Fensterbank seines Zimmers und ging wieder in sein Bett.

Gegen drei Uhr früh wurde Kevin von einem lauten Geräusch geweckt.
Sein Kater war auf die Fensterbank gesprungen und hatte dabei die Kobolduhr hinunter geworfen.
Als er sich den Schlaf aus den Augen gerieben hatte sah er die Überreste der Uhr, in tausend Einzelteile zersprungen, auf dem Boden liegen.
Er stand auf, sammelte die Einzelteile zusammen und warf sie in den Papierkorb der neben seinem Schreibtisch stand.
Er sah sich nach den Kobolden um, konnte aber nur leise Geräusche aus der Küche vernehmen.
Kevin legte sich wieder in sein Bett, gähnte noch einmal und war Sekunden später wieder eingeschlafen.

Als er am nächsten Morgen erwachte fand er vor seinem Kleiderschrank fünf winzige Häufen Asche.
Die Kobolde erschienen seit diesem Tage nicht mehr und Kevin fand endlich zu seiner alten Ruhe zurück.....

Nun, die Kobolde hatte ohne ihre Uhr keine Möglichkeit dem Sonnenaufgang zu entgehen und bereits der erste Sonnenstrahl verwandelte sie in Staub.
Doch es gibt noch mehr von ihnen....viel mehr!


©Copyright 28.05.1996 Pierre-André Hentzien. Alle Rechte vorbehalten. Verwendung des Textes, auch Auszugweise, nur mit schriftlicher Zustimmung des Autoren!
PAHPub© 01782322718 "Kobolde im Kleiderschrank"

Man verschone mich bitte mit Benotungen, ohne eine entsprechende Kritik abzugeben (egal ob positiv oder negativ!).
Ich finde es feige eine 6 zu vergeben, nur weil man einer persönlichen Abneigung zuspricht, aber nicht den "Arsch in der Hose hat", derlei auch kurz zu begründen!
Und für all jene, die dies' dennoch so handhaben: Arm, wer ein Gesicht hat, das der Courage nicht erlaubt sich zu zeigen!
Pierre-André Hentzien, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.07.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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