Susanne Keck

Bad Day

Es kam wie es kommen musste. Strömender Regen prasselte gegen mein Dachflächenfenster. Stöhnend kroch ich aus dem warmen Bett. 6.05 Uhr. Mein Wecker würde zwar erst in 10 Minuten angehen, aber da ich schon einmal wach war, konnte ich genauso gut gleich aufstehen. Müde schlurfte ich ins Bad. Erst mal duschen. Kalt wäre es mit Sicherheit effektiver, doch ich war schon jahrelang eine eingefleischte Warmduscherin. Nachdem ich meine Morgentoilette abgeschlossen hatte, war immer noch reichlich Zeit zum frühstücken. Und das obwohl meine Frisur und mein Make-up heute wesentlich mehr Zeit, als sonst in Anspruch genommen hatten. Das neue schwarze Kostüm hatte ich vorsorglich noch nicht angezogen. Bei meinem Glück wäre schon beim ersten Bissen, die Marmelade zum größten Teil auf meinem Blazer, anstatt auf der Semmel. „Mm? Uähh! Was ist das denn?" Der Kaffee schmeckte irgendwie furchtbar süß. Seltsam ich hatte mir eingebildet, wie immer zwei Süßstoff reingetan zu haben. Das Zeug brachte ich auf jeden Fall nicht runter. Genervt stand ich auf und schüttete die süße Brühe in den Abfluss. Einen neuen zu machen, hatte jetzt auch keinen Sinn mehr. Dann musste ich diesen Tag wohl oder übel ohne Koffein überstehen. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es langsam Zeit wurde sich auf den Weg zu machen. Rasch zog ich mich um und raffte meine Unterlagen zusammen. Auf dem Weg in die hauseigene Tiefgarage begegnete mir leider niemand. Ein Lächeln meines süßen Nachbarn hätte mir bestimmt Mut gemacht, den ich für das heutige Vorstellungsgespräch gut gebrauchen hätte können.
Die Stelle als Umwelt-Managerin in dem mittelständischen Betrieb wäre wie geschaffen für mich. Blöd nur, dass ich bei so einem Bewerbungsgespräch immer total aufgeregt war. Als ich in meinen kleinen Peugeot stieg, musste ich erst einmal meine Stöckelschuhe gegen Turnschuhe austauschen. Ich hatte sicherheitshalber immer ein Paar im Auto, die waren zum Auto fahren einfach viel besser geeignet. Es waren ziemlich alte Treter, weiß mit neongelben Streifen an der Seite. Außerdem hatten sie, einen zwar veralteten, dafür aber äußerst praktischen Klettverschluss, und es waren die bequemsten Schuhe, die ich besaß. Voller Elan fuhr ich um die Ecke und die Rampe zum Ausgang hoch. Schon ganz automatisch drückte ich den Knopf für den elektrischen Fensterheber, bevor ich meinen Arm hinausstreckte, um an der Kette für das Tor zu ziehen. Nanu? „Das darf doch nicht wahr sein!" Nun fuhr ich wirklich jeden Tag hier raus und jedes Mal war es kein Problem. Aber heute, wo ich es einmal eilig hatte, stand ich ein wenig zu weit weg. Jetzt hatte ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich stieg extra aus, um einen Schritt zur Schnur zu machen, oder ich blieb sitzen und versuchte irgendwie von meinem Platz aus an die Schnur zu kommen. Soweit kann die ja nun auch wieder nicht weg sein. Faul wie ich war entschied ich mich für Letzteres. Also schnallte ich mich ab und beugte mich aus dem Fenster. Verdammt. Das war doch weiter als ich dachte. „Na warte!" Jetzt hing ich fast bis zur Hüfte aus dem Fenster. „Ha!" Geschafft! Da ging auch schon das Tor auf. Und draußen stand: Mein Nachbar. Er hatte gerade den Müll runter gebracht und starrte mich überrascht an. „Morgen!" „Hi…" Mehr bekam ich nicht heraus, bevor ich mich, hochrot im Gesicht, zurück ins Auto kämpfte. Grinsend wandte er sich ab und verschwand wieder im Haus. Schlimmer kann es heute gar nicht mehr kommen. Resigniert fuhr ich los und bahnte mir einen Weg durch den Großstadtjungle. „Was ist denn jetzt schon wieder?", seufzte ich. Vor mir hatte sich eine riesen Autoschlange gebildet, de! n Grund dafür konnte ich jedoch noch nicht ausmachen. Naja, dann hieß es jetzt erst einmal warten. Ich lehnte mich bequem in meinem Sitz zurück und schaltete das Radio an. „Cause you have a bad day …" Das beschrieb meinen bisherigen Tag ziemlich genau. Ob Daniel Powter schon einmal einen ähnlichen erlebt hatte? Oder stammte der Text aus der Feder eines äußerst talentierten Ghostwriters? Egal, meine Gedanken wanderten zurück zu meinem süßen Nachbarn. Er hieß David Keller und wohnte seit gut einem Monat neben mir. Leider hatte ich noch nicht den Mut dazu aufgebracht ihn anzusprechen. Jedenfalls nie mehr als ein schüchternes „Morgen" oder „Hi". Er konnte ja schließlich auch den ersten Schritt machen. Was war nur aus den zuvorkommenden Gentleman geworden? Aber nach diesem Auftritt heute Morgen konnte ich mir das sowieso abschminken. Oh man! Genervt lehnte ich meine Stirn gegen das Lenkrad und wollte schon losschimpfen warum das da vorne so lange dauerte, als mich wildes Hupen erschocken auffahren ließ. Die Schlange hatte sich wieder in Bewegung gesetzt und jetzt war ich es, die den Verkehr blockierte. Schuldbewusst startete ich schnell den Motor und fuhr los. Blöde Tagträumerei.
Wieder Erwarten erreichte ich den Parkplatz der Artona GmbH ohne weitere Zwischenfälle, und das sogar noch rechtzeitig. „Na Gott sei Dank." Jetzt musste ich es nur noch schaffen einiger Maßen trocken in das Gebäude zu kommen. Das Problem war das der Parkplatz und der Weg zum Eingang nicht gepflastert, sondern geschottert war. Mit den Pumps dürfte es schwierig werden schnell, und vor allem ohne sich den Hals zu brechen, bis zum überdachten Eingang zu gelangen. Da kam mir eine Idee. Was wäre wenn ich die Turnschuhe einfach anließ und mit den Stöckelschuhen in der Hand zum Eingang sprintete? Dort konnte ich ja dann die Schuhe tauschen. Vor der Tür stand ein riesen Pflanzenkübel mit jeder Menge Grünzeug, da konnte ich das Paar doch locker eine Zeit lang verstecken. Sollte ich? „Ach was soll´s, wird schon schief gehen!" Entschlossen schnappte ich mir meine Unterlagen, die Stöckelschuhe und einen Regenschirm. Als ich die Tür öffnete schlug mir erst einmal ein kräftiger und kalter Wind entgegen, der es mir erschwerte den Schirm aufzuspannen, ohne ihn mir aus der Hand zu reißen. Umständlich kraxelte ich aus meinem Peugeot und wollte die Tür zumachen, als mir auffiel, dass ich dazu gar keine Hand mehr freihatte. Naja, das war nach dem Einkaufen ja auch manchmal so, da hatte ich schon eine ganz gute Methode. Automatisch drehte ich mich mit dem Rücken zur Tür, um mit einem gekonnten Hüftschwung die Tür zu schließen. „Aah!" Wie blöd konnte man eigentlich sein? Das Auto war von dem strömende Regen natürlich klitschnass und jetzt hatte ich auf meinem Hintern einen tennisballgroßen nassen dunklen, nicht zu übersehenden Fleck! Noch während ich krampfhaft überlegte, wie man diese Tatsache am besten verbergen konnte, entglitten meiner vom Regen nassen Hand, die schwarzen Pumps und landeten im Kies. „Scheiße!" Knirsch, knirsch. Was war das jetzt schon wieder? „Aah!" Plötzlich kam wie aus demNichts ein supergroßer, pitschnasser Wolfshund auf mich zu. Starr vor Schreck sah ich gerade noch wie er sich einen meiner Schuhe schn! appte. E rst als er wie ein Pfeil davonschoss kam ich wieder zu mir und nahm sofort die Verfolgung auf. „Hey bleib gefälligst stehn!" Der starke Wind riss mir jetzt doch den Schirm aus den Händen, sodass ich von einer Sekunde zur anderen bis auf die Haut durchnässt war. Dieses Vieh war wirklich verdammt schnell. Keuchend hetzte ich ihm hinterher, ohne weiter auf meine Umgebung zu achten. Nanu?! Der Regen hatte komischer Weise schlagartig aufgehört und es blies auch kein Wind mehr.
„Kann ich Ihnen helfen?" Die besorgte Stimme riss mich aus dem Zustand des blinden Verfolgungswahns. Vielleicht wäre ich heute lieber daheim geblieben. Jetzt spürte ich nämlich die Blicke zahlreicher verwunderte Menschen auf mir ruhen. Das war ja auch nicht weiter verwunderlich, wenn man meine etwas exzentrische Aufmachung bedachte. Da stand ich nun tropfnass mitten in der Empfangshalle der Artona GmbH. Die zuvor sorgfältig frisierten Haare klebten formlos an meinem Kopf und meine weiße Bluse verfärbte sich am Rand leicht grau, da mein schwarzes Kostüm abfärbte. Das auffallendste jedoch war meine Fußbekleidung. Die weißen Turnschuhe standen im starken Kontrast zu meiner Kleidung und ihr Klobigkeit wurde nur noch von den „topmodischen" neongelben Streifen übertroffen. Um das Bild zu vervollkommnen, glühte mein Kopf hochrot, ob vor Scham oder Wut wegen meiner Dummheit war mir selbst nicht ganz klar.
„Ähm, möchten Sie zu jemand Bestimmten?" Die Frau vom Empfang hatte sich noch ein Stück näher an mich herangewagt und wies einladend zum Empfangstisch. Schnell folgte ich ihrer Einladung, um wenigstens nicht mehr ganz so im Mittelpunkt zu stehen. „Entschuldigen Sie bitte, da war ein Hund, der…", stotterte ich. Das klang ja nun wirklich zu blöd, also entschloss ich mich die Erklärung zu überspringen und das Beste aus der Situation zu machen. „Mein Name ist Sophie Haller. Ich habe um neun Uhr ein Vorstellungsgespräch bei Herrn Schädler." „Ah ja. Sie müssen in den zweiten Stock und dann rechts. Sie können es gar nicht verfehlen." Anscheinend war die Empfangsdame sehr froh, dass ich einigermaßen normal zu sein schien. Das half ihr erheblich über mein äußeres Erscheinungsbild hinwegzusehen.
Mit schmatzenden Geräuschen, die meine Turnschuhe bei jedem Schritt von sich gaben, bewegte ich mich auf den Fahrstuhl zu. Hoffentlich war da niemand drin. Wenigstens hier hatte ich Glück. Im Schutz des abgeschlossenen Raumes, versuchte ich mich einigermaßen zurecht zu machen.
Ehe ich es mich versah stand ich auch schon vor der Tür meines potentiellen Arbeitgebers. „Schlimmer kann es jetzt aber wirklich nicht mehr kommen", beruhigte ich mich. Auf mein Klopfen hin ertönte ein gedämpftes „Herein." „Guten Morgen Herr Schädler", begrüßte ich ihn betont munter beim eintreten. Zu einer Antwort war er im ersten Moment gar nicht fähig. „Gu…guten Morgen." „Mein Name ist Sophie Haller, ich komme wegen dem Vorstellungsgespräch. Aber erst möchte ich Ihnen erklären, warum ich in so einem Aufzug hier auftauche." Ich wollte schon zu einer Erklärung ansetzen, als mein Blick auf einen Hundekorb in der Ecke des Zimmers fiel. Darin lag, genüsslich auf meinem Schuh kauend, dieser verflixte Wolfshund. „Du!" Wütend wollte ich mich schon auf ihn stürzen, als mir auffiel, dass Herr Schädler mich entgeistert anstarrte. „Ich, ähm, also, …" Resigniert ließ ich den Kopf sinken. „Warum setzen Sie sich nicht erst einmal? Kaffee?"
Nachdem ich meine ersehnte Dosis Koffein doch noch bekommen hatte, fühlte ich mich gleich viel besser und erzählte meinem Gegenüber von meinem turbulenten Morgen und der fatalen Begegnung mit seinem Hund. Daraufhin wirkte er reichlich zerknirscht und versicherte mir vielfach, dass er natürlich für meine Schuhe und das Kostüm aufkommen würde. Als wir uns in die Augen sahen, brachen wir plötzlich beide gleichzeitig in schallendes Gelächter aus und das Eis war endgültig gebrochen.
Danach verlief das Vorstellungsgespräch angenehm locker und ich war überhaupt nicht aufgeregt. Zudem waren meine Qualifikationen anscheinend sehr eindrucksvoll, denn am Ende lehnte er sich lächelnd zurück und fragte: „Also Frau Haller, wann können Sie anfangen?" Ich konnte mein Glück kaum fassen. Begeistert erwiderte ich: „ Wann immer Sie wollen!"
Nachdem wir das formelle geregelt hatten verabschiedeten wir uns und ich machte mich auf den Weg zum Ausgang. Als ich die Eingansgshalle zum zweiten Mal durchschritt spürte ich erneut zahlreiche Blicke auf mich gerichtet, aber das war mir nun vollkommen egal. Ich war glücklich, denn schließlich hatte ich jetzt meinen Traumjob!
 
- Ende -

Hallo,

das ist meine erste Kurzgeschichte und ich weiß, dass ich noch viel üben muss, aber ich wollte einfach mal ausprobieren was andere dazu sagen.

Also ich würde mich freuen, wenn ihr mir ein paar Tipps geben könntet.

Danke Susi
Susanne Keck, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.07.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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