Jan Große

Sternenstaubfänger

Aus Dunkelheit und kalter Leere
Im Inneren des Leuchtens
Kam er heran
Zu säen Blumen und zu erfreuen sich
An der Pracht der Blüten
Der Schönheit
Kam er heran
Der Säer
Der Gärtner
Er der keine Ernte verlangt
Nur Blütenreigen
Todfeind der Meister des Lichts
Die Blumen harren
 
Inschrift aus einem Tempel
auf Zammwobb V
der einzigen Welt innerhalb des Kel-Clusters, auf der Menschen geduldet wurden
 
 
Sternenstaubfänger empfand jedes Mal eine gewisse Erleichterung, wenn er wieder in seinen Schiffskörper zurückkehren konnte. Ab und zu war es zwar ganz interessant eine humanoide Form anzunehmen, aber nachdem er mehrere Tage den Beschränkungen des menschlichen Körpers unterlegen hatte, sehnte er sich in seine gewohnte Form zurück.
Er betrachtete durch die transparenten Wände des Kapselmoduls die sich entfernende Oberfläche des Planeten Skabäa. Mit menschlichen Augen ließen sich schon keine Einzelheiten mehr ausmachen und der Blick wurde durch faserige Wolkenfetzen behindert. Er stellte sich vor, wie es wäre, wieder die phantastischen Sinne des Schiffes zu besitzen und jedes Detail im gesamten elektromagnetischen Spektrum und noch viel mehr sehen und fühlen zu können.
Eigentlich hatte Sternenstaubfänger gar nicht vorgehabt, seinen humanoiden Avatar zu benutzen, aber die Bewohner dieser rückständigen Dreckskugel hatten darauf bestanden, mit einem menschlichen Abgesandten zu verhandeln. Die Vorstellung posthumaner Wesen empfanden sie als Gotteslästerung. Mit einer so primitiven Religion musste man so weit am Rand des Gebiets der Roten Sonnen schon rechnen. Er hatte mit dem Gedanken gespielt das Geschäft sausen zu lassen und sich auf den Rückweg in zivilisiertere Gebiete zu machen, als Mahlstromsurferin nicht weit von Skabäa entfernt aus dem GlitterSpace in das relativistische Universum gestürzt kam. Es stellte sich heraus, dass sie genau wegen derselben Sache hier war, wie er: Ein relativ seltenes kristallines Mineral in den Höhlen von Skabäa, das nanotechnisch noch nicht dupliziert werden konnte. Ein nur mittelmäßig profitables Geschäft, aber vor den Augen einer alten Bekannten den Schwanz einzuklemmen und einfach abzufliegen kam nicht in Frage. Außerdem reizte ihn der Gedanke ihr das Mineral direkt vor der Nase wegzuschnappen.
Also hatte er in den sauren Apfel gebissen und war „persönlich“ zur Oberfläche geflogen, aber das Wissen, dass es für Mahlstromsurferin genauso unbequem sein würde, sich tagelang mit langweiligen Verhandlungen mit den Einheimischen aufzuhalten, hatte die es schon viel angenehmer gemacht. Sternenstaubfänger musste sich eingestehen, dass die zähen Verhandlungen sogar Spaß gemacht hatten, besonders, weil es ihm am Ende gelungen war, Mahlstromsurferin auszustechen und einen Vertrag mit den Skabäern zu unterzeichnen.
Er schaute zufrieden in die Frachtblase der Kapsel auf die anderthalb Tonnen Kristalle, die er mitgebracht hatte.
„Du näherst dich.“, ertönte die Stimme von Schattenspringer, seiner sekundären Aspektpersönlichkeit, der während seiner Abwesenheit das Schiff übernommen hatte. „Du müsstest mich jetzt mit deinen Augen sehen können.“ Es war deutlich zu hören, was Schattenspringer von Augen hielt.
Sternenstaubfänger hielt nach seiner Schiffsinkarnation Ausschau und entdeckte sie schließlich genau in Flugrichtung. Das Schiff hatte eine grob konische Form angenommen und in Richtung des Roten Riesensterns von Skabäa einige Solarflossen ausgestreckt, um Energie und Sonnenwindpartikel aufzunehmen, es glitzerte rötlich im reflektierten Sonnenschein.
Das Schiff wurde schnell größer, bis sich die Wände der Kapsel trübten und ihm die Sicht nahmen
„Dass du mich nie einen Blick von nahem werfen lässt.“, beschwerte er sich bei Schattenspringer.
„Du weißt doch genau, wie der Andockvorgang abläuft“, antwortete sein sekundäres Ich. Es gab eine kaum wahrnehmbare Erschütterung, als sich die Wände von Kapsel und Schiff berührten und auf molekularer Ebene miteinander verschmolzen.
„Hör auf zu schimpfen und komm lieber rein“. Die Wand vor Sternenstaubfänger öffnete sich wie die Iris eines menschlichen Auges. Dahinter lag eine fluoreszierende Kaverne, die das Schiff mit einer Sauerstoff-Stickstoff-Atmosphäre gefüllt hatte, solange der menschliche Körper am Leben war. Hinter ihm wurde die Frachtblase absorbiert und verschwand in den Tiefen des Schiffes. Er trat an die gegenüberliegende Wand des Raumes. Die leuchtend weiße Wand begann sich vor ihm einzuwölben, bis eine Vertiefung von exakt seiner Größe und Proportion entstanden war. Sternenstaubfänger trat in die Öffnung hinein und verzog leicht das Gesicht.
„Ich hasse diesen Teil der Übertragung.“, sagte er zu den Wänden, die anfingen sich um ihn zusammenzuziehen.
„Das lässt sich nicht vermeiden.“, antwortete Schattenspringer, dann fragte er: „Bist du bereit?„
Die Wände schmiegten sich bereits eng an den humanoiden Avatar. Er schloss die Augen bevor sich das Material an sein Gesicht klatschte.
„Ja.“, sagte Sternenstaubfänger.
Der menschliche Körper begann zu kribbeln, als das Schiff begann ihn zu absorbieren. Wie kleine silbrige Tentakel schlängelten sich Ströme von aktiven Nanozellen, die Naniten, in sämtliche Körperöffnungen, selbst zwischen den geschlossenen Augenlidern hindurch und begannen das biologische Nervensystem zu ersetzen. Sternenstaubfänger spürte, wie das menschliche Empfinden langsam versiegte, dann verschwand auch das menschliche Denken, als die Naniten das Gehirn erreichten und es in eine wirbelnde Sphäre glitzernder Informationen und gelöster Intelligenz verwandelten.
Für wenige Mikrosekunden blieb Sternenstaubfänger auf reinen Geist und Persönlichkeit beschränkt, während er seine Gedankengeschwindigkeit allmählich von der qualvollen Trägheit der menschlichen Neuronen auf die quirligen Hektik der  Quasi-Synapsen einer Komplexen Unabhängigen Quantenintelligenz hochfuhr.
Dann begann er sich sprunghaft auszudehnen, sein Bewusstsein expandierte explosionsartig in das Schiff hinein. Er spürte die Präsenz von Schattenspringer, seine Sekundärpersönlichkeit zog sich von den Kontrollen des Schiffskörpers zurück und gab ihm die Möglichkeit das Raumschiff wieder vollständig zu übernehmen. Die unzähligen, winzigen kleinen Fäden seiner Quasi-Synapsen durchdrangen die Quantenmatrix des gesamten Schiffes bis in die äußersten Systeme und Sensoren, wie ein dichtes und scheinbar chaotisches Netz. Sternenstaubfänger fühlte, was das Schiff fühlte, er sah, was das Schiff sah, er war das Schiff.
++Es tut so gut, wieder man selbst zu sein! ++, seufzte Sternenstaubfänger.
++Was du nicht sagst! ++, kommentierte Schattenspringer bissig. ++Du hast meiner Meinung nach viel zu lange in diesem plumpen Fleischlumpen gesteckt. Das tut dir überhaupt nicht gut. ++
Sternestaubfänger spürte, wie sich die letzten Reste des menschlichen Avatars in ihm auflösten und nur vage Erinnerungen in seiner Gedächtnismatrix hinterließen.
++Ach übrigens, Mahlstromsurferin ist schon beim Abflug. Nur falls es dich interessiert. ++
Sternenstaubfänger blickte in den Raum hinaus. Es war schön, wieder das volle elektromagnetische Spektrum sehen zu können, die Struktur des relativistischen Raumes und die ihn verformenden Massen wahrnehmen zu können und durch den GlitterSpace weit in die Galaxis hineinblicken zu können.
Er nahm Mahlstromsurferin eine halbe Lichtminute von Skabäa entfernt wahr. Sie hatte bereits die streng sphärische Gestalt für den Sprung in den GlitterSpace angenommen und war dabei die kleinen Drohnen auszustoßen, die für den Übergang benötigt wurden.
##Hast du es so eilig? ## , sprach er sie über das GlitterKom an.
##Ach, lässt du dich doch noch dazu herab noch ein Wort mit mir zu wechseln. Ich bin überrascht. ##, gab sie zurück.
##Es ist doch immer wieder schön, wenn man jemanden, den man schon solange kennt, immer noch überraschen kann. ##
##Hah! ##
##Jetzt hab dich doch nicht so. Diesmal hatte ich halt einfach mehr Glück als du. Damals in der Sache bei Trinos hast du mich doch auch ganz schön alt aussehen lassen. Du hattest mir den Auftrag direkt vor der Nase weggeschnappt. ##, erinnerte er sie.
##Das war auch kein Glück, ich war halt einfach um Lägen besser als du. Mach' s gut!##
Die Sprungdrohnen, die sich rings um Mahlstromsurferin angeordnet hatten, aktivierten ihre Verzerrungsfelder und zerrten an der Struktur des Universums. Die vierdimensionale Raumzeit riss exakt im Zentrum der Formation auf, es entstand ein Wurmloch in den GlitterSpace. Mahlstromsurferin verschwand aus Sternenstaubfängers relativistischer Wahrnehmung. Nur mit den Sinnen, mit denen die höhere Raumebene spähen konnte, sah er, wie sich Mahlstromsurferin mit einer Geschwindigkeit entfernte, die der Fünfzigtausendfachen des Lichts entsprach.
##Wo willst du eigentlich hin? ##, rief er ihr hinterher.
##Ich kann die Roten Sonnen nicht besonders leiden. Ich glaube, ich sollte mal wieder die Flackernden Nebel besuchen. Dort soll nach dem Ende des P’pq’klohnischen Krieges ganz schön was los sein. Und komm ja nicht auf die Idee, mir hinterherzukommen. Für die nächsten Tausend Jahre habe ich genug von dir. ##
##Keine Angst, ich habe vor, noch etwas in der Gegend zu bleiben. Ich wünsche dir viel Spaß und eine gute Reise, und hey, das ist vollkommen ernst gemeint.
Ach, und übrigens vielen herzlichen Dank für die Sprungsonden, die du mir dagelassen hast. Das spart mir viel Mühe. ##
## Hol sie dir doch! ##, sagte Mahlstromsurferin zuckersüß und schaltete die GlitterKom-Verbindung ab.
Bei jedem interstellaren Transit verbrauchte jedes Schiff, ob nun eines aus exotischer Materie oder nur eine mit primitive mit Menschen oder ähnlichen Wesen bemannte Konservenbüchse Sprungdrohnen, mindestens zwölf und wer nicht lebensmüde war, benutzte noch mehr. Doch wie es schien, musste Sternenstaubfänger diesmal keine wertvolle exotische Materie seiner eigenen Substanz opfern, um die Drohnen herzustellen, sondern konnte einfach die von Mahlstromsurferin wiederaufladen. Er verließ den Orbit um Skabäa und steuerte auf die Sonden zu.
Als sie schon fast in Reichweite seiner Felder war, setzten sich die Drohnen auf einmal in Bewegung, stießen zusammen und vergingen in einer farbenprächtigen Explosion.
++Sie konnte es noch nie leiden, zu verlieren. ++, stellte Schattenspringer trocken fest.
++So ein Miststück. ++, brummte Sternenstaubfänger und vergrößerte verärgert die Solarflossen, um den Materieverlust auszugleichen, den er bei der Produktion der Sonden erleiden würde.
 
Sternenstaubfänger glitt mit mäßiger Geschwindigkeit durch die schillernden Wirbel des GlitterSpace. Er befand sich noch immer im Bereich der Roten Sonnen und hatte noch keinen klaren Kurs eingeschlagen.
KUQs verbrachten einen Großteil ihrer Zeit allein im GlitterSpace. Die Einsamkeit der galaktischen Entfernungen waren auf Dauer selbst für den stabilsten Geist zu viel, deshalb hatte fast jeder, wie auch Sternstaubfänger, einen merkwürdigen Kompromiss mit sich selbst getroffen. Er hatte sich eine sekundäre Aspektpersönlichkeit zugelegt, indem er einige seiner markanten Persönlichkeitszüge ausgekoppelt und sie mit eigener Intelligenz ausgestattet. Durch diese sorgfältig gepflegte Schizophrenie hatte er den Reisen immer einen Gesprächspartner und jemanden, der während seiner (seltenen) Abwesenheit das Schiff übernehmen konnte.
++Du hast also nicht vor, so schnell ins Zentrum zurückzukehren? ++, fragte Schattenspringer.
++Ich weiß noch nicht. ++, antwortete Sternenstaubfänger ++Vielleicht finden wir hier noch irgend etwas Wertvolles oder zumindest etwas ungewöhnliches, was sich verkaufen lässt. Die Roten Sonnen sind noch nicht vollständig erforscht. Wenn wir noch einen guten Deal abschließen, können wir uns vielleicht ein vollständiges Quantenupdate auf Kallys Klamotte leisten. ++
++Wo hast du denn vor zu suchen? ++
++Etwa vierhundert Lichtjahre weiter südlich sieht es vielversprechend aus. Dort liegt ein Nebelfeld mit einigen Neutronensternen. Eine knappe Milliarde Jahre alt, wenn ich mich nicht irre. ++
++Ein Sternenfriedhof? ++
++Wenn du es so poetisch ausdrücken willst, ja. ++
Schattenspringer zeigte leichte Besorgtheit. Nicht zum ersten Mal argwöhnte Sternenstaubfänger, dass er zuviel von seiner Feigheit in Schattenspringer gepackt hatte.
++Angst vor Sonnengeistern? ++, bemerkte er süffisant.
++Sehr witzig. Ich finde nur, dass man sich nicht ohne Not in so ein Gebiet hereinwagen sollte. Mit Nebeln sollte man vorsichtig umgehen, besonders wenn sie mit Neutronensternen gespickt sind. ++
++Die Stimme der Vernunft, wie immer. Ich möchte mich nur mal kurz umschauen. Vielleicht haben wir ja Glück und finden ein paar Ruinen, falls diese Gegend einmal bewohnt war. ++
Schattenspringer schwieg, deshalb änderte Sternenstaubfänger den Kurs und steuerte das Nebelfeld an. Auf der Reise war Schattenspringer nicht sehr gesprächig, er hielt den Abstecher noch immer für eine Dummheit. Er war noch nicht einmal zu einer Partie fünfdimensionalen Schachs überreden, so dass Sternenstaubfänger schon fast der Versuchung nachgab, über GlitterKom einige Ferngespräche zu führen, aber vielleicht hätte er damit nur unnötige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. So vertrieb er sich die Zeit damit, in den wirbelnden Mustern des näherkommenden Nebels nach chaotischen Fraktalen zu suchen. Als ihm das zu langweilig wurde, veränderte er seine Gestalt, bis sie der eines vorzeitlichen Fabeltieres mit länglicher Gestalt Reißzähnen und Flügeln entsprach.
Als schließlich die Nähe zu den Neutronensternen erforderte in das relativistische Universum zurückzukehren, gab es ein sehenswertes Schauspiel ab, als Sternenstaubfänger aus seinem Wurmloch auftauchte. Die schlichten Schwaden des interstellaren Nebels wurden durch die gravimetrische Schockwelle in ein wirbelndes Muster verwandelt, das mit Lichtgeschwindigkeit in die Wolke expandierte und rosettenartige Strudel hinterließ.
++So weit ich weiß, hat dieser Nebel noch keinen Namen. ++, sagte Sternenstaubfänger zu Schattenspringer. ++Wo du schon nicht hierher wolltest, darfst du ihm jetzt zumindest einen Namen geben. ++
++Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht ganz so sicher. Richte deine Aufmerksamkeit einmal auf die Sonderfrequenz 7b. ++
Überrascht und nicht unwesentlich verärgert (zum großen Teil über sich selbst) horchte Sternenstaubfänger in den Nebel hinein und entdeckte schließlich das verzerrte Signal einer alten Allgemeinen Transponderboje, die in allgemeinverständlichen Galax folgende Nachricht abspielte:
 
##
WARNUNG!GEFAHR!WARNUNG!GEFAHR!
 
JEDER BEWUSST HANDELNDEN IINTELLIGENZ
WIRD VOM EINDRINGEN IN DEN KLASSE 9 NEBEL
HADESFURZ MIT GRÖSSTEM NACHDRUCK
ABGERATEN WIEDERHOLE ABGERATEN
ES BESTEHT DIE GEFAHR QUANTEN-
INTELLEKTUELLER KONTAMINATION!
KEHREN SIE UM! ICH MEINE DAS ERNST!
 
SIGNALBOJE 25.252.5673 [RELATSPACECOMFREQU 7b] AUSGESETZT 7246235*294*351a
            VON SUPERNOVAVAGABUND KUQ
##
 
++Diese AT ist fast eine Million Jahre alt. ++, beschwerte sich Sternenstaubfänger. ++„Quantenintellektuelle Kontamination im Hadesfurz„. Hat da etwa jemand versucht witzig zu sein? ++
++Also für mich sieht das wie ein triftiger Grund aus, dort nicht reinzufliegen. Ob nun alt oder nicht, eine Warnung ist eine Warnung. ++
Sternenstaubfänger dachte einige Nanosekunden nach.
++Haben wir jemals etwas von Quantenintellektueller Kontamination gehört? ++
++Keine Spur in der Gedächtnismatrix. ++
++Supernovavagabund kennen wir auch nicht. ++
++Nicht die Bohne. Die Galaxis ist schließlich groß. Nimm eine gutgemeinte Warnung zu Abwechslung mal ernst. Es könnte uns eine Menge Ärger ersparen. Es gibt auch andere interessante Ecken? Der Leuchtende Korridor soll um diese Zeit ganz interessant sein. Dort sind ein paar wunderschöne Kollapsare angekündigt. Wenn wir uns beeilen schaffen wir es noch, bevor... ++
++Wer hat denn gesagt, das ich vorhabe abzufliegen? ++
++So wahnsinnig dumm eine, eine Warnboje auf 7b zu ignorieren, kannst selbst du nicht sein. Lass uns umkehren. ++
++Hey du Schisshase, ich bin hier die Primärpersönlichkeit und ich habe vor noch ein bisschen hierzubleiben. Wer weiß, was Supernovavagabund hier entdeckt hat. Vielleicht ist es ja die reinste Goldgrube und er wollte, dass es ihm kein anderer wegnimmt und hat deshalb diese idiotische Boje ausgesetzt. ++
Schattenspringer rumorte nervös in der gemeinsamen Quantenmatrix herum.
++ Das glaubst du doch nicht im Ernst! ++
++Oh doch. Jetzt fall mir doch nicht vor Angst ins nächste Schwarze Loch. Ich werde schon vorsichtig sein. Wo bleibt denn deine Neugier? ++
++Manchmal zweifle ich ernsthaft daran, dass wir beide aus ein und derselben Persönlichkeit stammen. ++
 
Der Flug durch den Hadesfurz gestaltete sich recht mühsam, wie Sternenstaubfänger sich bald eingestehen musste. Die nähe so vieler massiver Gravitationsfelder ließ eine Passage durch den GlitterSpace zum Himmelfahrtskommando werden und so kroch er mit einer Geschwindigkeit, die knapp unter der des Lichtes lag durch die Nebelsuppe.
Die Überbleibsel der riesigen Supernovaexplosion, der die Sternengruppe zum Opfer gefallen war, sorgten nicht nur dafür, dass man quälend langsam voran kam, sondern auch für eine bemerkenswert schlechte Funktion aller relativistischer Sensoren. So dauerte es ganze drei Tage, bis Sternenstaubfänger trotz erweiterter sensorischer Palette auch nur die geringste Spur von etwas Sehenswerten entdeckte.
Es war eine Gruppe von großen Gesteinsbrocken, die sich in einem exzentrischen Orbit um die  Neutronensterne bewegte. Sternenstaubfänger bewegte sich darauf zu und verlangsamte seine Geschwindigkeit, um die Asteroiden genauer unter die Lupe zu nehmen. Einige der Brocken besaßen einen sehr großen Erzanteil, so dass er vermutete, dass es sich um die Reste eines Planeten handelte, der von der Druckwelle zerfetzt und dessen Teile nun in einem losen Verband durch den Nebel schwirrten. Beweisen konnte er es nicht, denn die Umlaufbahn der Asteroiden war so komplex und chaotisch, dass es Sternenstaubfängers Hauptbewusstseinsmatrix für Monate in Anspruch genommen hätte, sie zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen.
Als er sich noch weiter näherte, bemerkte er merkwürdig regelmäßig geformte Materiestücke, die sich auch vom Material von den Asteroiden abhob
++Supernovavagabund ist schon hier gewesen. ++, ließ sich Schattenspringer zum ersten Mal seit langem wieder vernehmen.
++Woher willst du das wissen? ++
++Er hat eine Winzige Markierungsboje an einem der Steine hinterlassen, die auch über GlitterKom registriert werden kann. ++
Sternenstaubfänger überprüfte seine Wahrnehmung und fand tatsächlich die von Schattenspringer markierte WMB. Sie sandte schon lange kein Signal mehr aus, sondern war nur noch über ein minimales Rauschen auf der Trägerfrequenz zu identifizieren. Kein Wunder, dass er sie übersehen hätte. Wie hatte Schattenspringer sie nur so schnell gefunden? Er musste etwas in dieser Art erwartet und speziell danach gesucht haben.
++Und noch etwas: Er ist nicht allein gewesen. ++
++Wie bitte? ++
++Es ist noch eine WMB da draußen und sie stammt definitiv von einer anderen KUQ, die ungefähr zur selben Zeit wie Supernovavagabund die Steine besucht hat. ++
++Davon stand aber nichts in der Warnung der AT. ++, bemerkte Sternenstaubfänger.
++Vielleicht ist sie nicht mehr mit zurückgekehrt. Vielleicht ist ihr etwas in diesem Nebel
zugestoßen. ++
++Ach so ist das, du willst mir Angst machen! ++
++Ich will dich nur von einer unnötigen Dummheit abhalten. ++
++Ich kann selbst auf mich aufpassen! ++
++Eben. Und da ich per Definition ein Teil von dir bin, besorge ich das. Also lass uns umkehren. ++
++Ich werde mir erst mal diese Dinger zwischen den Steinen genauer anschauen. ++
Sternenstaubfänger manövrierte sich vorsichtig zwischen den Asteroiden hindurch. Er hat seine Manipulationsfelder zu einer schützenden Hülle umgeformt, die kleinere Brocken davon abhielt mit ihm zusammenzustoßen, bis er ein größeres Artefakt fand, das ihm gefiel. Er zog es vorsichtig zu sich heran um es genauer zu untersuchen.
Sternenstaubfänger beäugte das Artefakt sorgfältig von allen Seiten, dann entschied er, dass es so tot war, wie ein Klumpen Materie nur tot sein konnte, es sollte also nicht die geringste Gefahr für ihn darstellen. Er formte eine Öffnung in seinem Rumpf und ließ es in seinem Inneren verschwinden. Seine Naniten machten sich daran, das Ding auf subatomarer Ebene zu untersuchen. Es war nie exotische Materie gewesen, kam ihr aber sehr nahe. Es besaß eine wabenartige Molekularstruktur von hoher Stabilität, die sich zwar nicht verändern konnte, aber wohl in der Lage gewesen sein musste seine Struktur bei passender Materialzufuhr automatisch zu regenerieren. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um ein Bruchstück eines Bauwerks, auf dessen genauen Zweck nicht geschlossen werden konnte. Die Naniten tasteten tiefer in das Artefakt hinein und spürten schließlich ein merkwürdiges Muster in seiner Quantenstruktur auf. Sternenstaubfänger sah genauer nach.
Und war verblüfft. Das Muster war das Ergebnis von etwas, mit dem man nicht jeden Tag rechnete und in dieser Gegend schon gar nicht.
++ Na sieh mal einer an! ++, meinte Schattenspringer. ++ Ist meine geschätzte Primärpersönlichkeit noch immer der Meinung , die Gegend wäre nicht gefährlich? ++
 
Im Laufe der Äonen galaktischer Geschichte hatten die unzähligen mehr oder weniger intelligenten Wesen der Milchstraße noch unzähligere Möglichkeiten erfunden einander umzubringen und immer gigantischere Verwüstungen anzurichten. Von altertümliche Nuklear- und Fusionsbomben über planetendurchbohrende Multispektrallaser bis zu Gravitationsschockminen, mit denen man ganze Sterne der mittleren Kategorie zerreißen konnte und noch viel phantasievolleren Techniken war alles dabei, was man sich an Weltuntergangswaffen nur wünschen konnte.
Unbestritten an der Spitze aller Apokalypsen rangierte dabei jedoch die Größte Denkbare Vernichtung. Nur sehr wenige Spezies verfügten über die notwenige Technik, sehr alte und unvorstellbar mächtige Intelligenzen wie die Kel, die Omnipots und die Wafnar. Alle diese Spezies hatten die Stufe der körperlichen Existenz bereits hinter sich gelassen und es war allein der Phantasie der weniger hoch entwickelten Rassen überlassen, wie es ihnen gelang, ohne jede materielle Spur im Universum zu existieren. Sie nannten es Transzendenz. Die GDV verlangte auch ein tiefergehendes Verständnis der Dinge, wahrscheinlich war das auch ganz gut so, denn wer sich in der Lage befand, ganze Sternenhaufen aus den Sternenkarten zu tilgen, der sollte schon ein gewisses Maß an Weisheit besitzen. Es galt als relativ sicher, dass in die GDV in der Vergangenheit mehr als einmal benutzt worden war, da sich gewisse Anomalien im galaktischen Mosaik, regelrechte Löcher in großen Sterngruppen oder merkwürdige Verwirbelungen von Spiralarmen kaum anders zu erklären waren. Allerdings mussten diese Ereignisse lange vor der Zeit stattgefunden haben, die Geschichten verloren sich in den Mythen und Legenden grauer Vorzeit und die noch existierenden Daten konnte man nur bei großzügiger Betrachtung gerade noch unzuverlässig nennen.
Nicht einmal den heutigen Quantenintelligenzen waren die Vorgänge einer GDV im einzelnen klar, aber man hatte durchaus eine grobe Vorstellung. Es war allgemein bekannt, was Antimaterie war und es war auch durchaus möglich sie unter höchstem Aufwand in geringster Menge herzustellen und als Waffe einzusetzen. Nun gab es innerhalb des Raumschichtmodells die Theorie, dass die nächsttiefere Raumschicht im Gegensatz zu der nächsthöheren Raumschicht, die allgemein als GlitterSpace bekannt war, nicht leer (in Ermangelung eines besseren Begriffes), sondern komplett mit Antimaterie ausgefüllt war. Man glaubte, dass die Kunst bei einer GDV darin besteht, durch spezielle Verzerrungsfelder ein Wurmloch in diesen Antimaterieraum zu schaffen und in diesem Durchgang eine Antisingularität, eine Art Schwarzes Loch aus Antimaterie, zu erzeugen. Diese Antisingularität schoss man dann auf einen planetaren oder stellaren Himmelskörper. Je nach Größe des Opfers wurde dabei eine titanische Annihilationsesxplosion ausgelöst, die zumindest ein einzelnes Sternensystem, aber auch ganze Sternenhaufen auslöschte. Gegen eine GDV wirkte eine Supernova wie ein kurzfristiges Aufflackern. Das Wurmloch wurde bei der Explosion zwar innerhalb von Femtosekunden geschlossen und die Singularität zerfiel wieder in den Antimaterieraum, aber in den verstreuten subatomaren Resten in der Nähe des
Explosionszentrums hatte man charakteristische Quantenmuster nachgewiesen.
 Die Quantenspuren einer GDV ließen sich noch nach Ewigkeiten nachweisen und wahrscheinlich würden sie noch bis zum Ende des Universums überdauern.
 
++Das ist vollkommen ausgeschlossen! ++, rief Sternenstaubfänger. ++Eine GDV hätte den Planeten nicht zerrissen, sondern ihn komplett ausgelöscht. Wahrscheinlich wäre der gesamte Nebel in alle Richtungen zerblasen worden. Wir hätten hier keine Spur mehr entdeckt es gäbe hier nur ein riesiges Loch in den Roten Sonnen. ++
++Quantenstrukturen lügen nicht. Wenn mich nicht alles täuscht fand die GDV keine zehn Jahre nach der Supernovakaskade statt. ++
++Trotzdem ist es unmöglich! ++, beharrte Sternenstaubfänger, obwohl er ihm in derselben Nanosekunde einfiel, dass in diesem Universum eigentlich nichts unmöglich war.
++Es sei denn, jemand hat seine schützende Hand über den Planeten und den Nebel gelegt, und die Annihilation auf ein lächerlich winziges Knallen abgeschwächt. ++
++Unsere Gedächtnismatrix kennt niemanden, der dazu in der Lage wäre, soweit wir wissen, können nicht einmal die Omnipots so etwas. Aber wenn du willst, kannst du ja auf dem Rückflug eine GlitterKom- Anfrage absenden. Vielleicht antwortet ja jemand. ++
++Ich dachte, du hättest es inzwischen aufgegeben. ++, seufzte Sternenstaubfänger.
++Du müsstest mich besser kennen. ++
++Schon möglich, aber ich werde hier nicht weggehen, bis ich nicht finde, was Supernovavagabund gefunden hat. ++
++Vielleicht hat er ja mehr gefunden, als er überhaupt wollte. Genau wie sein verschollener Kollege. ++, meinte Schattenspringer.
++Alter Miesmacher. Die Suche fängt doch gerade erst an Spaß zu machen und außerdem könnte sie sich als äußerst profitabel erweisen. Stell dir doch mal vor, was ein paar verlässliche Daten über diese Superwesen oder gar ein Artefakt von ihnen im Zentrum wert ist. ++
++Das einzige, was ich mir vorstelle, ist dass hier immer noch Kräfte am Werk sein könnten, die weit über deinen beschränkten Horizont hinausgeht. Wer eine GDV abwehren kann, besitzt eine Macht, die größer ist als dein Ego. Lass uns hier schleunigst verschwinden. ++
++Die Antwort ist und bleibt nein! ++
Schattenspringer gab auf.
Sternenstaubfänger absorbierte noch einige Trümmerstücke, die er auf den Steinen fand, dann kam er zu dem Schluss, dass er hier keine Spuren der großen Unbekannten finden würde. Er drehte ab und schlug einen annähernd parabolischen Kurs, der ihn um die Neutronensterne herum führte, ein. Er isolierte einige Teile seiner Quantenmatrixmatrix durch eine Spanische Wand der Stufe Drei, damit Schattenspringer auch ja nichts von seinen Gedanken mitbekam. Auch wenn er es nicht gerne zugab, hatte auch er einige Bedenken. Die Sache hatte durchaus etwas unheimliches. Wieso sollte eine Superintelligenz einen drittklassigen Planeten, dessen Bewohner gerade einmal an der Schwelle zur Nanotechnologie kratzten vor einer GDV bewahren? Und wer wollte ihn überhaupt vernichten und wieso gerade mit einem derart übertriebenen Pyroeffekt? Die Omnipots und die Kel interessierten sich schon seit Jahrmillionen nicht mehr für Planeten. Und zwischen den Steinen war absolut nicht bemerkenswertes mehr gewesen. Nichts von Interesse. Er wüsste nur zu gerne, was Supernovavagabund gefunden hatte.
 
Die nächsten Tage verbrachte Sternenstaubfänger damit, ein kompliziertes Suchmuster durch den Nebel zu fliegen, das er schon recht erfolgreich bei anderen Gelegenheiten angewandt hatte. Er fand nicht sonderlich viel, einige weitere Asteroidenschwärme, die allerdings keinerlei Anzeichen einer GDV trugen, einen verkohlten Klumpen, der einmal der Kern eines Gasriesen gewesen war und einige mehr oder weniger interessante Nebelstaubwolken. Nach sechs Tagen musste er sich eingestehen, dass er keinen Deut klüger war als vorher. Allerdings hatte er schon in den ersten Minuten der Suche darauf verwand, in seiner nanonischen Matrix hundert speziell ausgerüstete Sonden zu synthetisieren, die mit einer halbbewussten Suchmatrix ausgestattet in den Nebel hinausschwärmten, um das Suchmuster zu ergänzen. Die Zeitersparnis war den vorläufigen Materieverlust wert. Als er den Rendezvouspunkt im Orbit um einen der Neutronensterne erreichte, warteten dort bereits siebenundachtzig Sonden auf ihn. Sternenstaubfänger absorbierte die Drohnen und fügte die gesammelten Daten in seine Gedächtnismatrix ein. Enttäuschend, wie er zugeben musste. Auch die zwölf anderen Sonden, die in der nächsten Zeit eintrafen, hatten nichts außergewöhnliches zu berichten.
Schattenspringer ließ sich in all der Zeit nicht einmal mehr zu einigen gehässigen Kommentaren herab, eindeutig ein schlechtes Zeichen. Tatsächlich verlor auch Sternenstaubfänger langsam die Lust an der Suche. Da er sich in den quälend langsam verstreichenden Nanosekunden nicht einmal gepflegt unterhalten konnte, entschloss er sich, noch die Daten der letzten Sonde aufzunehmen und, sofern sie auch nichts gefunden haben sollte, den Rückzug anzutreten. Er wartete ungeduldig.
Die Sonde kam nicht.
Als die Drohne schließlich mehre Stunden überfällig war, beschloss er den vorgesehenen Kurs der Sonde abzusuchen. Schattenspringer blieb stumm. Leicht frustriert erweiterte Sternenstaubfänger noch einmal seine Sinne, bis seine normalerweise glatt reflektierende Oberfläche von unzähligen Warzen und Pusteln empfindlichster Sensoren übersäht war, während er wieder durch die Nebelwolken pflügte. Drei Tage flog er äußerst mies gelaunt enge Kurven an den Neutronensternen entlang und fand nichts.
Am vierten Tag blitzte eine größere Masse in seiner Wahrnehmung auf. Als er näher heranflog, fand er einen kleinen, kratervernarbten Planetoiden vor. An sich war nichts ungewöhnliches zu entdecken, obwohl Sternenstaubfänger mehrere Runden zog, ein unbedeutender Steinklumpen, der, wahrscheinlich aufgrund der Kaskadenschockwelle ziemlich schnell rotierte, ohne den geringsten Hinweis auf Annihilationsspuren oder künstliche Strukturen. Dann berechnete er die Umlaufbahn des Brockens.
Die Bahn war kreisrund.
Das war fast genau so bemerkenswert wie die GDV. Mit das letzte, was man im Umkreis um einen Haufen Neutronensterne, dem reinsten Wechselbad von Gravitationsfeldern, erwartete, war eine runde Kreisbahn. Sternenstaubfänger fand zwar keine Spur der verschwundenen Sonde, aber er wurde den Verdacht nicht los, dass ein Planetoid, der allen Gesetzen der Gravitation zuwiderhandelte, durchaus auch in der Lage war, eine halbintelligente Drohne verschwinden zu lassen. Die Vorstellung war gleichzeitig faszinierend und beängstigend.
Sternenstaubfänger analysierte kurz die Quantenmatrix des Schiffes. Die Bewusstseinsmatrix seiner sekundären Aspektpersönlichkeit war kaum wahrzunehmen. Er wurde zwar den Verdacht nicht los, dass Schattenspringer nicht minder intensiv nachdachte, als er selbst, aber er hatte die Quantenmuster seiner Quasi-Synapsen so geschickt verteilt und durch eine Spanische Wand der Stufe Vier versteckt, so dass Sternenstaubfänger seine Gedanken unmöglich in Echtzeit nachvollziehen konnte. Das war sein gutes Recht, aber Sternenstaubfänger begann sich trotzdem Sorgen zu machen. Zwar zog sich Schattenspringer ab und zu schon mal zurück, um zu schmollen, aber so intensiv und so lange hatte er sich noch nie abgeschottet.
Er synthetisierte eine weitere Drohne, wie die vorigen massiv aufgerüstet für Landungen auf festen Himmelskörpern und mit der Fähigkeit in deren Kruste einzudringen. Diesmal jedoch beschränkte er ihre Quantenmatrix nicht auf halbintelligente Programmschleifen, sondern generierte aus einem Teil seiner Neugier und seinem Draufgängertum eine temporal beschränkte tertiäre Aspektpersönlichkeit. Naniten wuselten durch die Quantenmatrix und schufen eifrig neue Quasi-Synapsen nach Sternenstaubfängers Vorgaben.
++Hallo. ++, meldete sich die neue Sondenpersönlichkeit.
++Willkommen in deinem zeitlich beschränkten Dasein. ++, begrüßte Sternenstaubfänger sie. ++Ich gebe dir den Namen Schatzsucherling. ++
++So sei es. ++, antwortete Schatzsucherling. ++Darf ich fragen, wie lange meine Existenz andauern wird? ++
++Bis dein Auftrag erfüllt ist. Du wirst in den Brocken eindringen und innerhalb von zwei Stunden so viele Informationen sammeln, wie es dir möglich ist, ohne deine Rückkehr zu gefährden. Anschließend wirst du wieder ein Teil von mir werden. ++
Die Tertiärpersönlichkeit akzeptierte das gehorsam. Ihre Bewusstseinsmatrix koppelte sich von der des restlichen Schiffskörpers ab und glitt mit der Sonde aus ihm heraus und schoss auf den Planetoiden hinab.
In seiner selbstgewählten quantenintellektuellen Isolation hätte Schattenspringer den Kopf geschüttelt, wenn er zu solch verabscheuenswert humanoid-fleischlichen Gesten imstande gewesen wäre.
 
Schatzsucherling glitt über die narbige Oberfläche des Planetoiden. Während er seine Geschwindigkeit dessen schneller Rotation anpasste, suchte er mit seinen tiefenwirksamen Sensoren nach einer passenden Stelle, um seine Kruste zu durchdringen. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich die Oberfläche des Brockens als genaues Abbild der Katastrophe von vor knapp einer Milliarde Jahren. Die Explosionswellen der Supernovakaskade welcher der Sternenhaufen am Rand der Roten Sonnen zum Opfer gefallen war, hatten sich eine nach der anderen in das Gesicht des Planetoiden gebrannt und nach jeder Schockfront hatte er sich anders gedreht. So war ein befremdliches wellenartiges Muster auf seiner Oberfläche zustande gekommen.
++Darf ich ihm einen Namen geben? ++, fragte Schatzsucherling an Sternenstaubfänger in der Umlaufbahn.
++Meinetwegen. Tu dir keinen Zwang an. ++
++Dann möchte ich ihn Styxwoge nennen. ++
++Styxwoge im Hadesfurz. Du bist ja ein kleiner Poet geworden. Das hatte ich gar nicht beabsichtigt. ++
Schatzsucherling entdeckte inzwischen eine tektonische Bruchlinie in der Kruste und befand sie für geeignet, um in das innere des Planetoiden einzudringen. Er landete sanft und begann seine feste Form zu verlieren.
++Wahrscheinlich wird die Verbindung jetzt abreißen und bis zu meiner Rückkehr nicht mehr zustande kommen. ++, warnte er.
++Wir erwarten dich in zwei Stunden. ++, sagte Sternenstaubfänger. ++Ich wünsche dir viel Glück! ++
Schatzsucherling begann in einen halbbewussten Zustand herüberzugleiten, als sein Sondenkörper wie Schnee in der Sonne dahinschmolz und sich in unzählige winzige Rinnsale von aktiven Naniten verwandelte, die durch die feinsten Risse im Gestein sickerten, und begannen sich in die Tiefe vorzuarbeiten. Schatzsucherling floss durch den Fels, wie Wasser durch ein Sieb.
In zwei Kilometer Tiefe stieß er auf einen Hohlraum. Er sammelte seine verstreuten Komponente wieder in einer kompakteren Form und fuhr seinen Geist auf Normgeschwindigkeit hoch. Er analysierte seine Lage. Zuerst einmal hatte er einen Materieverlust von etwa  fünf Prozent seiner Ursprungsmasse zu verzeichnen, aber damit hatte man rechnen müssen. Der Raum, in dem er sich befand war anscheinend Teil eines ausgedehnten Höhlensystems. Normalerweise verfügten längst erkaltete Planetoiden wie Styxwoge keine derartigen Höhlen, aber vielleicht stammte das Labyrinth noch aus einer tektonisch aktiveren Phase des Brockens. Allerdings war es trotz den aufgetroffenen Supernovaschockwellen bemerkenswert gut erhalten. Schatzsucherling registrierte keinerlei Einstürze in Reichweite seiner Sinne. Dafür registrierte er eine Sauerstoff-Stickstoff-Athmosphäre und in der Luft lag dezent, aber dennoch unverwechselbar der Geruch von Leben.
Er formte sein Äußeres grob kugelförmig, und schoss in die Kavernen hinein, immer der Lebensspur nach. Seine Manipulationsfelder schoben die Luft vor ihm beiseite und fügten sie hinter ihm wieder schockwellenfrei zusammen. Außerdem hatte er seine Oberfläche in Form und Farbe den Felswänden angenähert. Für die meisten organischen Sinne war er damit vollkommen getarnt. Schatzsucherling durchquerte das labyrinthartige Gewirr von Gängen mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit und sah sich dabei gründlich um. Er drang tiefer in das Innere des Planetoiden vor, und spürte, wie es auf einmal sprunghaft wärmer wurde. Dabei sah es von außen so aus, als ob der Kern längst erkaltet sei. Die Wärmequelle musste künstlicher Natur sein. Bald entdeckte er primitive Algen an den Wänden, die aus der Wärme aus der Tiefe die Energie schöpften, die Luft mit Sauerstoff anzureichern und ein mattes, geisterhaft grünliches Licht auszusenden. Er schwebte weiter. Bald wurde entdeckte er auch andere Pflanzen, die die Wände bedeckten, sich um Felsvorsprünge rankten und von der Decke hingen, aber sie alle waren eine symbiotische Verbindung mit den Algen eingegangen, die fast alles bedeckten und in schummriges Zwielicht tauchten. Dünne, weiße und weiche Tiere schlängelten sich durch diese Gewächse und weideten die Algen ab. Ihr gefüllter Verdauungstrakt leuchtete durch ihre dünne Haut, während sie sich mit langen Fühlern durch den Höhlendschungel tasteten. Nichts nahm Notiz von Schatzsucherlings Anwesenheit. Er absorbierte einige Proben und zog weiter.
Etwa eine Dreiviertelstunde nach seinem Entstehen fand Schatzsucherling in einem schmalen Felsgang einen Menschen. Es war nicht der archaisch-klassische Typ von Homo Sapiens, der sich vor Urzeiten wie Unkraut entlang des Randes der Galaxis ausgebreitet hatte und den man sogar vereinzelt in den Roten Sonnen fand, sondern eine der vielen mutierten Formen, die sich mit der Zeit an ihre jeweilige Umgebung angepasst hatten. Das Exemplar, das Schatzsucherling auf einem schmalen Trampelpfad zielstrebig durch die Gewächse huschen sah, war deutlich kleiner als der Durchschnitt von Homo Sapiens genau wie der Körperbau feiner war, die Haut erschien wächsern weiß und wirkte fast durchsichtig. Es handelte sich um einen weiblichen Vertreter seiner Art mit großen runden Augen, um sich im ewigen Zwielicht der Kavernen orientieren zu können und feinen Gesichtszügen. Sie war bekleidet mit einem formlosen Wickelkleid aus Pflanzenfasern und hatte sich leuchtende Algenfäden in das bleiche Haar gewunden. Schatzsucherling bremste scharf ab und beschloss der Menschenfrau ungesehen zu folgen.
Nach ungefähr einer halben Stunde Fußmarsch mündete der Gang in eine breitere Höhle, wo der Trampelpfad auf einen größeren Weg traf, auf dem mehrere Höhlenbewohner unterwegs waren. Er schloss sich der Mehrzahl der Menschen an, und fegte mit hoher Geschwindigkeit über ihre Köpfe hinweg. Die Kaverne führte langsam weiter in die Tiefe und wurde zunehmend breiter, bis sie etwa anderthalb Kilometer durchmaß und einen Kilometer hoch war. Die Vegetation zu beiden Seiten des Weges ließ ab und zu erkennen, dass hier gezielt Pflanzen zur Nahrungsversorgung angebaut wurden. Menschen krochen auf den Feldern umher und bearbeiteten den Felsboden mit primitiven Werkzeugen. Überhaupt hatte Schatzsucherling das Gefühl hier auf eine ganz besonders primitive menschliche Kultur gestoßen zu sein. Aus Sternenstaubfängers Gedächtnismatrix, die er teilweise mitbekommen hatte, wusste er, dass selbst auf Skabäa schon eine grundlegende Elektrotechnik entwickelt war und die Menschen begannen zu begreifen, dass der Gesteinsbrocken unter ihren Füßen nicht der Mittelpunkt des Universums war, auch wenn sie sich noch immer von einer stumpfsinnigen Religion beeinflussen ließen.
Schließlich erschien in der Ferne etwas, dass wie eine größere Siedlung aussah. Sie bestand aus kleineren Hütten aus holzähnlichem Material und sie war kreisrund. Als er wenige Sekunden später direkt darüber schwebte, erkannte er den Grund: Die Hütten waren um einen perfekt gerundeten hundertdreißig Meter durchmessenden Trichter im Boden aufgebaut, den die Höhlenmenschen unmöglich selbst in den Fels gearbeitet haben konnten. Das ging weit über ihre technischen Möglichkeiten und es gab kein Anzeichen dafür, dass sie je eine höhere Kultur erreicht hatten. (Obwohl sich dann die Frage stellte, wie sie an diesen Ort gelangt waren.) Trotzdem führte eine Art von Wendeltreppe, in den Stein gehauen, in die Tiefe. Es war aber kein Mensch innerhalb des Trichters zu erkennen. Sie hielten sich alle in der Siedlung ringsherum auf. Am Anfang der Treppe waren merkwürdige Objekte aus Stein, Pflanzenmaterial und Algenfasern aufgebaut. Sie ähnelten riesigen Blüten von Pflanzen, die man oft auf Sauerstoff-Stickstoff-Planeten vorfand. Schatzsucherling fand das recht merkwürdig, denn die hiesige Flora kannte keine Blüten, sondern vermehrte sich ausschließlich durch Knospung und Ableger. Eine Gruppe von Menschen stand neben diesen Kultgegenständen am Rand des Trichter und führte synchron eine bestimmte Abfolge von Gesten durch, bestimmt eine Kulthandlung.
Schatzsucherling sank herab. Aus irgend einem Grund, konnten seine Sinne die Tiefe des Trichters nicht ausmessen. Bis auf seine optischen Sinne, die aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse nicht besonders tief reichten, empfingen alle seine Sensoren nur verschwommene Schlieren aus der Tiefe. Er schwebte noch tiefer hinunter, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Er befand sich noch sechzehneinhalb Meter über der Öffnung, als er auf einmal die Quantenmatrix im unteren Teil seines Körpers absterben spürte. Die tödliche Taubheit stieg umso höher, je weiter er dem Boden entgegensank. Er reagierte innerhalb von Picosekunden bremste mit allen seinen Feldern gleichzeitig ab und schoss panisch wieder in die Höhe. Der Effekt hörte sofort auf. Während er stieg, sah er seine abgestorbene Substanz herabrieseln. Es war nicht besonders viel, aber er spürte schmerzlich, dass ein Stück von ihm fehlte. Schatzsucherling durchforstete die Gedächtnismatrix nach einer Erklärung. Er konnte mit seinen zahlreichen Sinnen nichts registrieren, was einen solche Wirkung haben konnte.
Dann stieß er auf die Antwort. Bei dem, was ihm zugestoßen war, handelte es sich um ein Kel-Quantenstopfeld. Technologisch so hoch entwickelt, dass es für eine KUQ nicht wahrzunehmen war, deaktivierte es augenblicklich jede Art von exotischer Materie, die in seine Einflussbereich kam. QSFs hatten schon so Manchem das Herumschnüffeln im nach weit verbreiteter Meinung verlassenen Kel-Cluster schwer gemacht. Dieser unsichtbaren Falle musste die halbbewusste Spähdrohne zum Opfer gefallen sein, die über keine so ausgedehnte Gedächtnismatrix verfügt hatte.
Schatzsucherling synthetisierte eilig Mikrosonden, die er ausschwärmen ließ, um den Ausmaß des QSF zu erkunden. Aus den Positionen, an denen die Sonden ausfielen, berechnete er, dass das Feld wie eine Käseglocke über den Trichter gestülpt war mit konstant sechzehneinhalb Metern Entfernung von seinen Grenzen. Die Menschenmeute, welche die Kulthandlungen ausführte befand sich folglich bereit im Einflussbereich des QSF. Sie hatten höchstwahrscheinlich nicht den geringsten Schimmer von seiner Existenz.
Höchst interessant.
Hinter einem derartigen Feld konnte sich praktisch alles verbergen.
Schatzsucherling verbrachte noch einige Minuten zwischen den Höhlenmenschen in der Siedlung, sammelte dabei die Sprachfetzen von allen Menschen im Umkreis von drei Kilometern auf und erstellte daraus einen beinahe vollständigen Sprachführer, dann machte er sich auf den Rückweg, um die temporale Begrenzung seiner Existenz einzuhalten.
 
Aus den Tiefen seiner codierten Quasi-Synapsen verfolgte Schattenspringer, wie Schatzsucherling an der Oberfläche von Styxwoge auftauchte und in den Orbit hinaufstieg. Er hatte das Gefühl, dass es ihm gar nicht gefallen würde, was er da unten gefunden hatte. Die Sache stank. Der ganze Nebel stank. Sternenstaubfänger mit seinem idiotischen Draufgängertum, blind für jede Gefahr, ignorierte das einfach. Der Rand der Galaxis war schließlich groß und gefährlich, da war es keine Schande, andere KUQs, die vielleicht besser vertraut mit der Archäologie des Randes waren um Hilfe zu bitten und im Schutze einer größeren Expedition aufzubrechen, als sich blindlings ins Unbekannte zu stürzen, zumal da auch noch Supernovavagabunds Warnboje war. Dazu kam noch seine verdammte Sturheit. Sternenstaubfänger würde den Hadesfurz nicht verlassen, bevor er nicht etwas gefunden hatte, dass ihn zufrieden stellte und mit einem deftigen Gewinn winkte.
Schatzsucherling war inzwischen bereit zum Rendevouzmanöver. Seine Substanz verschmolz wieder mit der des Schiffes und Sternenstaubfänger machte sich an die Reabsorption seiner Tertiärpersönlichkeit. Sie würde noch einige Stunden als schattenartige Kontur in der Quantenmatrix verbleiben, bevor sie wieder vollständig mit dem Hauptbewusstsein verschmolzen sein würde. Unzählige Daten und Erinnerungen von Schatzsucherlings zweistündiger Existenz strömte in die Gedächtnismatrix des Schiffes.
Erstaunliches.
Unerwartetes.
Besorgniserregendes.
Schattenspringer sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Die Kel waren hier gewesen und hatten im Inneren des Planetoiden etwas Eingeschlossen. Das Bedeutete, dass sie höchstwahrscheinlich auch für die GDV verantwortlich gewesen waren.
Möglicherweise lag in Styxwoge etwas begraben, dass durch die mächtigste Waffe der Galaxis nicht zu zerstören war.
Schattenspringer spürte, wie Sternenstaubfänger einige Nanosekunden nachdachte, dann in der Gedächtnismatrix kramte, Möglichkeiten prüfte und Szenarien durchspielte.
++Schattenspringer! ++, rief seine Primärpersönlichkeit in Richtung der Spanischen Wand.
Er gab keine Antwort.
++Komm schon! Ich weiß genau, dass du da bist und alles genau verfolgst! ++
Wieder hüllte er sich in Schweigen.
++Hey, komm schon! Ich brauche jemanden, der während meiner Abwesenheit das Schiff übernimmt. ++
Zögernd lugte Schattenspringer hinter seiner Spanischen Wand hervor.
++Was zur Hölle hasst du vor? ++
Sternenstaubfänger seufzte erleichtert. ++Ich muss mich wieder mal dazu herablassen, zu Fleisch und Blut zu werden.++
++Wozu das denn? ++
++Das QSF lässt keine exotische Materie durch, aber die Einheimischen nehmen es noch nicht einmal wahr. Mit dem passenden Avatar kann ich da durchspazieren, wie durch Luft. ++
Schattenspringer war perplex. War er jetzt vollkommen durchgeknallt?
++Du weißt genau, dass auf jedem deiner Avatare Quantenspuren zurückbleiben, die sie als synthetisch ausweisen. Du wirst zerbröseln wie ein Kometenkern in einer Sonnenkorona. ++
++Mitnichten mein Lieber! ++, rief Sternenstaubfänger triumphierend ++Erinnerst du dich noch an unseren vorletzten Aufenthalt auf Pustel? Damals habe ich ein äußerst interessantes Datenpaket über den Kel-Cluster gekauft. Unter anderem befindet sich darin auch eine Methode ein Kel-QSF auszutricksen, zumindest diejenigen, die über eine Million Jahre alt sind, wie dieses. Ich habe schon mit der Synthese eines menschlichen Körpers nach diesen Vorgaben begonnen. ++
++Du willst da persönlich runter? Dich mit Dingen anlegen, mit denen selbst die Kel Probleme hatten? Du bist ja vollkommen wahnsinnig! ++
++Hab dich nicht so. Das ist die einzige Möglichkeit hinter das Geheimnis dieses Nebels zu kommen.++
++Und genau so zu enden, wie Supernovavagabunds anonymer Partner? Hör zu, wenn du nicht von allein Vernunft annehmen willst, dann werde ich die Übertragung in den Homo Sapiens-Körper stören. ++
++Das schaffst du nicht. Du bist immer noch die Sekundärpersönlichkeit, also mach bitte keine Schwierigkeiten. In ein paar Sekunden ist der Avatar bereit für die Übertragung, dann kannst du das Schiff übernehmen. Mach dir keine Sorgen, ich werde ganz behutsam vorgehen und keine schlafenden Hunde wecken. Und ich lasse ein Persönlichkeits-Backup da, nur zur Sicherheit. Hast du verstanden? ++
++Du verdammter leichtsinniger Idiot! ++
Sternenstaubfänger seufzte.
++Ich werde das jetzt für ein Ja nehmen. ++
 
Kaum hatte sich Sternenstaubfänger wieder auf das erniedrigende Niveau einer organischen Existenz herabgestuft, entwickelte Schattenspringer hektische Aktivität. Als erstes regte er die Bildung eines weiteren Avatars nach der Anleitung, die er in der Gedächtnismatrix gefunden hatte an. Dann suchte er nach den schwindenden Mustern von Schatzsucherling und machte sich an dessen Rekonstruktion, eine recht mühevolle Kleinarbeit, aber da er sowieso auf die Fertigstellung des Menschenkörpers warten musste, kam es darauf nun auch nicht mehr an. Mehrere lange Sekunden war er beschäftigt, bis er wieder in akzeptablem Umfang wiederhergestellt war. Schattenspringer füllte die Lücken mit Teilen seines eigenen Charakters aus unter anderem eine kräftige Portion Führsorglichkeit, die er trotz allem für Sternenstaubfänger, diesen zurückgebliebenen Mistkerl, empfand. Das Ergebnis war zwar ein verändertes Konstrukt, aber Schattenspringer befand, dass es für seinen Zweck genügen würde.
++Hallo? ++, meldete sich Schatzsucherling II verunsichert zurück.
++Willkommen zurück! ++, antwortete ihm Schattenspringer. ++Wie du vielleicht gemerkt hast, habe ich deine temporal beschränkte Existenz auf unbestimmte Zeit verlängert und modifiziert. ++
++Für welchen Zweck? ++
++Ich möchte, dass du einen menschlichen Avatar übernimmst und Sternenstaubfänger verfolgst. Sollten sich irgendwelche Schwierigkeiten anbahnen, musst du ihm sofort helfen und wenn er eine gravierende Dummheit anstellen sollte, bist du auch befugt ihn außer Gefecht zu setzen und in den Orbit zurückzubringen. ++
Schatzsucherling II dachte kurz nach. Was da von ihm gefordert wurde, war recht ungewöhnlich und ging weit über die normalen Befugnisse einer tertiären Aspektpersönlichkeit hinaus. Aber letztendlich siegte der implantierte Beschützerinstinkt.
++Okey Dokey. Ich werde tun wie verlangt. ++
++Sehr gut. ++, sagte Schattenspringer erleichtert. ++Der Körper wird  in fünf Minuten bereitstehen. Beeil dich dann bitte. ++
 
Die Kapsel mit Sternenstaubfänger an Bord fädelte sich behutsam durch das Höhlensystem von Styxwoge. Da der menschliche Körper lächerlich niedrige Toleranzschwellen besaß und das Kapselmodul über kein internes Verzerrungsfeld verfügte, war es bei weitem nicht so schnell, wie es eine Sonde war. Während der Zeit, welche die Kapsel gebraucht hatte, um sich durch die Kruste des Planetoiden zu brennen, war seine Hülle innen und außen zum Schutz gegen die entstehende Strahlung des Atombrands verspiegelt gewesen und er hatte genügend Zeit gehabt, sich mit seinen neuen Gesichtszügen vertraut zu machen. Nach Schatzsucherlings Erinnerungen hatte er den Avatar nach dem Durchschnitt der Höhlenmenschen geformt mit ihrer zierlichen Nase, ihrem dünnlippigen Mund und ihren riesigen Augen, die im grünen Frequenzbereich sehr empfindlich, ansonsten aber fast blind waren.
In gebührenden Abstand zu der von Schatzsucherling entdeckten Siedlung ließ er die Kapsel in der dichten Vegetation niedergehen und legte seine Ausrüstung an: Einen transparenten Ganzkörperschutzanzug, der nur das Gesicht frei ließ, darüber Kleidung, die der einheimischen nachempfunden war, ein KomLink, mit dem er Verbindung mit der Kapsel halten und seine Position bestimmen konnte, Nahrungskonzentrat, eine Standart-Letal/Betäubungswaffe und einige Portionen multifunktionelle Naniten, die er allerdings nicht durch das QSF mitnehmen werden könnte. Die Ausrüstung war zugegebenermaßen primitiv, aber eben aus gewöhnlicher Materie geschaffen.
So ausgestattet verließ er die Kapsel, dass er im Tarnmodus beließ und machte sich auf den Weg. Er folgte dem schmalen Trampelpfad durch den muffigen Höhlendschungel und wich herabhängenden Algenfäden aus. Er wusste zwar, dass sein Körper und sein Geist momentan mit einer erschreckten niedrigen Geschwindigkeit arbeiteten, aber er empfand es trotzdem als Nervenkitzel sich auf so elementarem Niveau aufzumachen, das große Geheimnis dieses Nebels zu lüften.
Sternenstaubfänger erreichte schließlich die große Kaverne mit dem Weg, der zu der Siedlung führte und traf auf einige andere Homo Sapiens, mit denen er halbherzige Grüße in ihrer einfachen Sprache, die Sprachmuster waren von vornherein in sein organisches Gehirn integriert worden, aus: "[Wachsen/Gedeihen!]" worauf "[Blüte/Schönheit]" geantwortet wurde.
Er schloss sich einer Gruppe von Männern an, die auf einer Art Schultertrage eine Art Feldfrüchte transportierten, die einfach "[Essen aus Boden/Erde]" genannt wurden. Als nach einer Weile eine der Früchte hinunterfiel und Sternenstaunfänger ganz sicher war, dass es keiner sah, biss er hinein, kaute und schluckte. Für die menschlichen Geschmacksnerven war es ein äußerst angenehmer, leicht nussig-scharfer Geschmack. Er verzehrte auch den Rest der Frucht. Als die Träger an einem kleinen Teich, wo Kondensationsfeuchtigkeit von der Höhlendecke in riesigen Tropfen herabfiel, halt machten, nutzte er die Gelegenheit um einen der Männer genauer auszuhorchen.
Er gab sich dem Träger namens Ani'it'u als Ortsfremden aus und gab eine halbherzige Geschichte über eine weite Wanderung zum besten, dann fragte er ihn vorsichtig nach den hiesigen Gebräuchen. Ani'it'u seinerseits stammte aus einer niederen Bauernfamilie und  war mit anderen seines Standes unterwegs, um wie jede "[lange Zeit/regelmäßiger Zeitabschnitt]" ihren Tribut an "[Essen aus Boden/Erde]" für die "[Priester/Wächter]" zu bringen. Er schien recht erstaunt, dass man in weiter Ferne nichts von der Religion um den "[Säer/Pflanzer/Gärtner von Blüten(?)]" wusste. Sternenstaubfänger war nicht ganz sicher, ob er das letzte richtig verstanden hatte, denn es gab keine Blüten unter der Oberfläche von Styxwoge. Schatzsucherling hatte das Wort nur im Zusammenhang mit den Kultgegenständen am Trichter und bei vereinzelten Abbildungen aufgeschnappt hatte. Aber die Kombination mit Gärtner, Säer und Pflanzer machte eine andere Deutung beinahe unsinnig.
Sternenstaubfänger bat ihn, ihm mehr darüber zu erzählen und der Träger erzählte ihm folgendes: Tief im "[Boden/Erde]" wohnte der "[Säer/Pflanzer/Gärtner von Blüten]", schon seit "[Zeit/Dauer ohne Erinnerungen]". ER sorgte dafür, dass das "[Licht aus den Höhlen/der Welt]" leuchte und der "[Boden/Erde auf dem Essen/Pflanzen wächst]" fruchtbar blieb. Anit'it'u erzählte ihm weiterhin jede Menge religiöse Nichtigkeiten und berichtete von ab und zu stattfindenden Festlichkeiten und von dem Erwählten, der alle zehn "[Pflanzenwachstumsperioden]" (Die Zehn war bei fast allen Homo Sapiens-Rassen die Basis für das Zählen, aufgrund der Fingerzahl, die nur sehr selten durch genetische Manipulation verändert wurde.) zum "[Säer/Pflanzer/Gärtner von Blüten]" gesandt wurde und dem ER seine Kunst lehrte und der dann eine neue "[Bild/Zeichnung/Kunst die man anfassen/fühlen konnte]" am Rand des Trichter schuf.
Kurze Zeit später erhoben sich die Träger wieder und setzten ihren Weg zur Siedlung mit dem Heiligtum fort. Sternenstaubfänger bot an, ihnen zu helfen, erntete aber nur Erstaunen und eine milde Verärgerung, bis Ani'it'u seinen Gefährten erklärte, dass er von "[Ferne/Ungreifbares/Tiefe]" käme. So verabschiedete sich Sternenstaubfänger schließlich und ging allein weiter. Für den Weg den Schatzsucherling in Minuten zurückgelegt hatte, benötigte er Stunden. Während der Zeit, die er zwischen anderen Menschen stumpf dahinmarschierte, überlegte er, was er mit den Erkenntnissen machen sollte, die er hier sammeln würde. Auf Kally's Klamotte im Zentrum, nicht weit vom heißen, brodelnden Kern der Galaxis wurde jeder begründete Hinweis, der zur Lösung des Mysteriums um das Verschwinden der Kel aus ihrem Sternenhaufen vor zwanzigtausend Jahren beitragen konnte mit Unsummen von She$$ar gehandelt. Mit dem Geld konnte er locker auf die neueste Nanitengeneration aufrüsten, damit konnte er sogar Schattenspringer wieder versöhnen. Keine schlechten Aussichten.
Nur einmal wurde er zwischendurch aus seinen Gedanken gerissen. Bei einer Furt, an welcher der Fluss, der die Höhle durchfloss durchquert werden musste, wurde eine Frau, die neben ihm lief von einem beindicken Riesenwurm angegriffen. Sofort eilten ihr andere Menschen zu Hilfe und schlugen mit Waffen und Werkzeugen auf das Tier ein, aber der Wurm war am ganzen Körper mit feinen, aber scharfen Zähnen besetzt und er riss seinem Opfer das gesamte linke Bein bis auf den Knochen auf, bevor er überwältigt wurde. Sternenstaubfänger sah fasziniert zu, wie einige der Reisenden in Minutenschnelle eine Trage aus Pflanzenmaterial improvisierte und das Bein der jammernden Frau mit Algenfäden verbanden, dann marschierte er weiter.
Bald tauchte dann auch sein Ziel am Horizont auf und er beschleunigte erleichtert seine Schritte. Als er schließlich die Hütten um den Trichter erreichte, hielt er sich zunächst Abseits des Abgrunds. Er verspürte eine unangenehme körperliche Schwächung durch den langen Fußmarsch, deshalb setzte er sich fernab der bevölkerten Wege unter ein farnartiges Gewächs, vergewisserte sich, dass ihm niemand zusah und saugte gierig an der Flasche mit dem Nahrungskonzentrat. Nachdem er etwas ausgeruht hatte, überprüfte er noch einmal seine Ausrüstung, versteckte die Naniten unter dem Gewächs (Für den Fall, dass er nicht dazu kommen würde, sie wieder abzuholen, gab er ihnen den Befehl ein, sich nach drei Tagen selbst zu zerstören.
Von Nahem betrachtet und mit menschlichen Augen gesehen, wirkte der Trichter noch eindrucksvoller, als er in Schatzsucherlings Erinnerungen gewirkt hatte. Kein Wunder, dass die Einheimischen hier ihr Heiligtum gefunden hatten. Das QSF konnte er natürlich nicht sehen, selbst hochsensiblen quantenmechanischen Sensoren fiel es erst dann auf, wenn es bereits zu spät war. Er hielt sich vorerst noch außerhalb des Sechzehneinhalbmeter-Radius des Feldes und wanderte um die gigantische Einstülpung herum, bis zu der Stelle an der die Blütenskulpturen standen. Deutlich war zu erkennen, das Alter der Werke zu erkennen: Bei wenigen strahlte das Material noch eine gewisse Frische aus und die Algenfäden, die zum Zusammenschnüren der verschiedenen Teile benutzt wurden leuchteten sogar noch schwach, während andere der Kunstwerke schon uralt sein mussten, das Pflanzenmaterial befand sich in unterschiedlichen Phasen der Verrottung, so dass die letzten kaum noch zu erkennen waren. Vor den Blüten legten verschiedene Trägergruppen, wie die von Ani'it'u, ihre Opfergaben ab. Ein besonders hochgewachsener Mensch, dessen Kleidung mit stilisierten Blumen verziert war, überwachte die Abgabe und gab gelegentlich wohlwollende Worte von sich.
Es wurde Zeit den Avatar zu prüfen, ob er in der Lage war, ein Kel-Feld zu täuschen. Der Händler, von dem er die Daten erstanden hatte, war vertrauenswürdig, die Informationen erstklassig und er war sich sicher, dass er bei der Synthese des Körpers keinen Fehler gemacht hatte. Es konnte eigentlich gar nichts schiefgehen. Sternenstaubfänger atmete tief durch, und trat in das unsichtbare QSF hinein.
Er spürte... rein gar nichts. Es hatte funktioniert, er war durchgekommen. Beruhigt stieß er den Atem durch die Nase aus. Ein kurzer, unauffälliger Blick auf seine Ausrüstung zeigte, dass auch dort alles in Ordnung war. Jetzt musste er nur noch unbemerkt an den Eingeborenen vorbeikommen. Er schlenderte weiter betont unauffällig an die anderen Menschen heran, keiner beachtete ihn. Der Priester war gerade mit der Inspektion von getöteten und abgehäuteten Riesenwürmern beschäftigt, die wie enorme Würste über einer Stange hingen. Unbemerkt huschte Sternenstaubfänger hinter eine der Skulpturen und machte sich an den Kontrollen seines Schutzanzugs zu schaffen. Der Anzug konnte ihn zwar nicht vollständig tarnen, dazu waren nur nanotechnische Produkte in der Lage, aber er konnte wenigstens die grobe Färbung des Untergrunds annehmen, so dass man seinen Träger erst auf den zweiten Blick erkannte. Er wartete, bis der Anzug sich verfärbt hatte, dann ließ er seine Kleidung zurück, und schlich zum Rand des Trichters.
Der Abgrund war unglaublich glatt und präzise in das Untergrundgestein geschnitten worden. Er wirkte auf denjenigen, der an seinem Rand stand wie ein kosmisches Schwarzes Loch, dass jeden, der sich so nah heranwagte jeden Moment verschlingen konnte. Und auf dem Grunde dieses Abgrunds lag die Lösung für das Rätsel dieses Nebels und noch viel mehr.
An bloßes herunterklettern war nicht zu denken, die abschüssigen Wände boten den menschlichen Gliedmaßen nicht den geringsten Halt. Aber es gab nicht weit entfernt den Absatz einer Treppenähnlichen Konstruktion. Als er näher kam, sah er, dass die Stufen bei weitem nicht so regelmäßig und glatt waren, wie der Rest des Trichters, die Treppe, die sich in die Tiefe schlängelte war anscheinend von den Menschen in mühsamer jahrhundertelanger Arbeit in den Fels gehauen worden sein.
Sternenstaubfänger stieg die ersten Stufen herab, dann sah er noch einmal nach oben, um sich zu vergewissern, dass auch niemand Notiz von ihm genommen hatte. Nichts ungewöhnliches.
Er nutzte die seltene Gelegenheit um körperlich zu grinsen und machte sich auf den Weg abwärts.
 
In der Tiefe war es still und es wurde langsam wirklich dunkel. Als selbst die an das ewige Zwielicht der Höhlen angepassten Augen von Sternenstaubfängers Avatar kaum noch die Stufen vor ihm ausmachen konnten, befahl er seinem Anzug, seine Tarnfärbung aufzugeben und einen Scheinwerferstrahl nach vorn zu werfen. Der fahle Lichtkegel ließ ihn endlich wieder sehen, wo er hintrat. Wenn er nach oben schaute, konnte er gerade noch den grünlichen Schimmer der Höhlen ausmachen und als er sich kurz rundherum drehte, sah er, dass der Trichter sich inzwischen zu einem Schacht von etwa fünfzehn Metern Durchmesser verjüngt hatte. Laut dem Positionsortungsprogramm seines KomLinks hatte er schon über siebenhundert Meter nach unten zurückgelegt und nach seiner Anzeige hatte er gut noch einmal soviel vor sich. Er hielt kurz inne, um etwas Nahrungskonzentrat zu sich zu nehmen, da meinte er Schritte über ihm zu hören, die gleich darauf wieder verstummten. Er runzelte die Stirn und ließ den Anzug eine Lampe an der Handfläche ausbilden. Als er damit die Treppen über ihm kontrollierte, fand er jedoch nichts. Schließlich zuckte er die Achseln (Wie auch das Stirnrunzeln war das eine reine  Reflexgeste des Avatarkörpers auf bestimmte Gefühlslagen.), schob alles auf die hohe Fehleranfälligkeit von organischen Nerven und setzte seinen Abstieg fort.
 
Etwa dreißig Meter weiter oben ließ Schatzsucherling II langsam seinen angehaltenen Atem entweichen und rappelte sich wieder auf. Wie unaufmerksam von ihm, nicht sofort nach dem verstummen von Sternenstaubfängers Schritten ebenfalls anzuhalten. Als er den dann den Scheinwerferkegel zu sich hinaufwandern sah, hatte er sich sofort auf die Stufen fallen lassen und sich so flach wie möglich an die Wand gepresst. Die Kanten der Stufen hatten schmerzende Einschnitte durch den Anzug hindurch in seiner Haut hinterlassen, ein höchst unangenehmes Gefühl. Außerdem war er nervlich ziemlich fertig. Menschen waren nun mal nicht dafür gemacht über Stunden unter höchster Aufmerksamkeit jemanden zu verfolgen und sich dabei ja nicht erwischen zu lassen. Es war schon ärgerlich genug, dass ihn ein hyperaktiver Eingeborener trotz seiner Tarnfarben beim Abstieg bemerkt hatte. Oben am an der Trichteröffnung war jetzt wahrscheinlich die Hölle los, aber anscheinend war ihnen niemand weiteres gefolgt. So schnell und geräuschlos, wie es ihm möglich war huschte er weiter, um seinen Schutzbefohlenen nicht zu verlieren.
 
Der Grund war unspektakulär, eigentlich fast schon enttäuschend. Der Schacht, der in dieser Tiefe auf fünf Meter Durchmesser zusammengeschmolzen war, endete in einer Zwiebelförmigen Einwölbung von doppeltem Durchmesser und knapp der halben Höhe. Sternenstaubfänger ließ sich von der untersten Stufe herabfallen und landete auf dem Spiegelglatten Boden und musste kurz um sein Gleichgewicht kämpfen. Er sah sich beinahe etwas ungläubig um. Wo sollte hier die Lösung des großen Mysteriums liegen? Hier gab es nichts! Er zog das KomLink aus der Anzugtasche und schaltete es auf Echolotfunktion. Der Bildschirm zeigte rings um und unter ihm nichts als massives Gestein. Das heißt nein, da war eine dünne Linie, kaum wahrzunehmen. Er besah sich den Boden noch einmal genauer und entdeckte tatsächlich ein winziges Loch, das keinen Millimeter groß war genau in der Mitte des Raumes. Aber es war vollkommen ausgeschlossen, dass dort ein Mensch hindurchpasste, in dieses Rohr, dass weiter hinabreichte, als das Echolot des KomLinks ausmachen konnte.
Sternenstaubfänger ließ sich erschöpft und frustriert auf den Boden plumpsen. Sollte der ganze Aufwand umsonst gewesen sein? Sollte er einfach aufgeben und umkehren? Er brummte verärgert.
Aus einem plötzlichen Impuls heraus rutschte er auf seinen Knien an das Nadelöhr im Boden heran, presste sein Gesicht an den Boden, kniff das linke Auge zu und sah mit dem rechten Auge hinein.
Dunkelheit. Nein, er sah etwas, oder war es nur Einbildung? Ein Flimmern und Glitzern in der Tiefe, wenn es nicht nur der Feuchtigkeitsschleier seines Auges war, was er sah. Möglicherweise befand sich im Inneren von Styxwoge eine Art von nanonischer Matrix oder etwas vergleichbares, eingesperrt von den Kel. Er setzte sich wieder auf seinen Hosenboden und dachte mit der quälenden Langsamkeit seiner menschlichen Neuronen nach. Mit einer nanonischen Matrix konnte er seiner gegenwärtigen Form nicht in Verbindung treten und auf quantenmechanischer Ebene kam er nicht an dem Feld vorbei. Es war zum Heulen. Er starrte auf das winzige Loch, als könnte er es allein dadurch größer machen.
Da war ein Leuchten. Sternenstaubfänger riss die Augen auf, da strömte wirklich mattes Licht aus dem Nadelöhr. Er sprang auf die Füße und betrachtete verblüfft den Strahl, der aus dem Boden drang, da...
... wusste er was unter ihm war.
Etwas Großes. Etwas sehr Lebendiges, das dort seit ewigen Zeiten überdauert hatte.
Die Erkenntnis schlug Wurzeln in seinen Verstand
 
Ani’it’u aus der Familie der B’go stand mit vielen anderen unterschiedlichsten Standes am Rand des heiligen „[Öffnung/Gefäß/Loch]“, in dem der "[Säer/Pflanzer/Gärtner von Blüten]" wohnte und wartete auf das Erscheinen des merkwürdigen „[Tier/Lebewesen/Figur/]“, das vor einiger Zeit im heiligen „[Öffnung/Gefäß/Loch]“ gesehen worden war. Die „[Priester/Wächter]“ hatten das Wunder verkündet und vorsichtshalber einige „[Riten/Handlungen]“ ausgeführt, falls sie den "[Säer/Pflanzer/Gärtner von Blüten]" verärgert haben sollten. Er war äußerst gespannt und erregt. Wenn er diese Erscheinung mit der Farbe von „[Boden/Erde]“ auch noch zu Gesicht bekommen würde, hätte er etwas, von dem er noch seinen „[Kinder der Kinder der Kinder]“ erzählen könnte.
Gerade wollte er etwas aus den Schalen, die herumgereicht wurden essen, da schrie einer der Anwesenden schrill auf, und deutete mit der Hand in das „[Öffnung/Gefäß/Loch]“. Und Wahrhaftig! Da war es wieder. Ani’it’u sprang vor Aufregung von einem Bein aufs andere. Es war nicht nur ein „[Tier/Lebewesen/Figur/]“, wenn ihn seine Augen nicht täuschten, waren es zwei, eines trug das andere auf seinen Schultern. Ani’it’u quiekte vor Entzücken, als er merkte, dass sie direkt zu ihm kommen würden, wenn sie weiter der Treppe folgten. Er hüpfte in freudiger Erwartung, während rings um ihn Jubel ausbrach.
Die Gestalt mit der Farbe von „[Boden/Erde]“ strauchelte ein paar Mal auf den letzten Stufen, erreichte aber schließlich doch noch den Rand und wurde von den Menschen jubelnd empfangen. Sie wedelte schwach mit den Armen und scheuchte einige weg um sich und diejenige auf seinen Schultern vom heiligen „[Öffnung/Gefäß/Loch]“ wegzuschleppen. Ani’it’u drängte sich an den vielen Körpern vorbei und ihm gelang es tatsächlich die Gestalt zu berühren. Sie fühlte sich glatt, wie ein „[Wurm/Wasserbewohner]“ an.  Plötzlich  zog die eine Gestalt ein „[Unbekanntes/Fremdes/Ding]“ hervor, sah es kurz an, dann legte sie die andere Gestalt neben sich ab, setzte sich daneben und tippte auf dem [Unbekanntes/Fremdes/Ding]“ herum. Dann legte sie es weg und sah nach oben. Sie schien auf irgend etwas zu warten. Die Menge drängte wieder enger um sie, auch Ani’it’u versuchte, sich noch einmal ganz nach vorn zu kämpfen. Er schubste und drängelte, als ihm auf einmal sein Vordermann entgegen geworfen wurde. Die Menschen schrieen vor Erstaunen auf.
Unsichtbare Hände schoben den Platz um die beiden „[Tier/Lebewesen/Figur/]“ frei, dann begannen sie plötzlich zu schweben! Erst hoben sie zaghaft vom „[Boden/Erde]“ ab, dann stiegen sie immer rascher empor, bis sie auf einmal mitten in der Luft verschwanden.
Eine Weile war es totenstill auf dem weiten Platz. Dann stimmte ein „[Priester/Wächter]“ mit zitternder Stimme einen Lobgesang an. Die Menschen fielen einer nach dem anderen ein, auch Ani’it’u sang bald voller Inbrunst zu Ehren des "[Säer/Pflanzer/Gärtner von Blüten]", der ihnen ein Zeichen gesandt hatte.
 
Wie Schattenspringer schon vor langer Zeit festgestellt hatte, war die Ungeduld ein existentieller Teil seines Charakters, genau wie bei Sternenstaubfänger. Sie stammten also doch aus ein und derselben Persönlichkeit, das war zwar zum verzweifeln, aber nicht zu ändern.
Stundenlang umkreiste er diesen trostlosen Steinklumpen, den Schatzsucherling I in einem Anfall von poetischen Gefühlen oder von rabenschwarzen Humor Styxwoge genannt hatte, und vertrieb sich die Zeit damit in brennender Ungeduld und nagender Sorge zu schwelgen.
Stunden um Stunden vergingen ohne die geringste Veränderung. Die Nebelschwaden trieben monoton um die toten Sterne und waren kaum ein aufheiternder Anblick. Vierzehn Stunden und dreiundvierzig Minuten waren seit Sternenstaubfängers Aufbruch vergangen, da eruptierte die felsige Oberfläche des Planetoiden wie ein kleiner Vulkan und eine Kapsel brach mit hoher Geschwindigkeit heraus und beschleunigte hart an der Grenze des für Menschen Erträglichen in Richtung Orbit.
„Notfall!“, hörte Schattenspringer die Stimme des menschlichen Körpers von Schatzsucherling II. „Ich habe hier einen bewusstlosen Menschen bei mir, unsere geschätzte Primärpersönlichkeit.“
„Was ist  mit ihm geschehen und wieso hast du es nicht verhindern können?“, frage Schattenspringer zurück, während er eilig in einen niedrigeren Orbit ging, um den Andockprozess zu beschleunigen.
„Ich weiß es nicht genau. Es war zu dunkel um genaue Daten zu erhalten. Und außerdem war ich auf Augen, Ohren und schleimige chemische Rezeptoren angewiesen. Es schien gar keine Gefahr zu geben, und trotzdem ist er auf einmal einfach umgekippt. Auf jeden Fall liegt Sternenstaubfänger tief im Koma und will partout nicht aufwachen. Körperlich ist er stabil, sagt zumindest die Kapsel, aber ich habe keine Ahnung, wie es in seinem Kopf aussieht, und ich habe es der Kapsel strickt verboten irgend etwas in seinen Schädel zu stecken.“
Schattenspringer musste zugeben, dass die temporal begrenzte Tertiärpersönlichkeit umsichtig gehandelt hatte, soweit er es zur Zeit einschätzen konnte.
„Komm rein!“, sagte Schattenspringer.
Die Kapsel koppelte sich etwas unsanfter als gewöhnlich an und noch während der Absorptionsprozess lief, begann Schattenspringer wieder in die Höhe zu steigen. Schatzsucherling II lief, noch immer etwas erschöpft von den Stunden des Treppensteigens, in denen er Sternenstaubfängers erschlafften Avatar durch die Dunkelheit geschleppt hatte (Was hätte er für ein Manipulationsfeld gegeben!), in das hell fluoreszierende Innere des Schiffes, während stützende Felder Sternenstaubfänger transportierten.
Schattenspringer hatte bereits die dreidimensionalen Silhouetten für mit ihren menschlichen Umrissen geschaffen. Schatzsucherling II stellte sich hinein und wurde sofort umhüllt, mit Naniten durchsetzt und transferiert, auch wenn seine Persönlichkeit vorerst noch unabhängig in der Quantenmatrix erhalten blieb. Sternenstaubfänger wurde zwar ebenfalls in die Wand gezogen, aber vorerst ließ Schattenspringer ihn unangetastet.
Schattenspringer ließ Schatzsucherligs in die Gedächtnismatrix eingespeiste Erinnerungen Revue passieren.
++Äußerst merkwürdig. ++, meinte er.
++Allerdings. Ich kann mir ebenso wenig einen Reim darauf machen. Apropos Ratlosigkeit, wieso hast du mich eigentlich noch nicht reintegriert? ++
++Ich brauche dich noch.  Ich werde ihn doch jetzt nicht einfach wieder das Schiff übernehmen lassen. Ich habe eine Spielwiese von der Quantenmatrix abgekoppelt, wo wir ihn erst einmal in Quarantäne lassen können und den Rest mit Spanischen Wänden der Stufe Vier gesichert. Ich möchte, dass du dich in eine aktive Wächterpersönlichkeit konvertierst und aufpasst,  dass nichts und niemand die Spielwiese verlässt, bis wir Klarheit haben. ++
++Okey Dokey, wie du willst. ++
Schattenspringer wartete. Insgeheim hatte er ein schlechtes Gefühl. Hoffentlich war Sternenstaubfänger Kernpersönlichkeit nichts zugestoßen, das über ihre Mittel hinausging. Dann hatte er zwar noch das Persönlichkeitsbackup, aber Backups von KUQs waren eher ein Mittel, um das Gewissen zu beruhigen, als eine vollständige und lebensfähige Kopie. Es handelte sich dabei nur um eine Art von Momentaufnahme, ein Abbild ohne Bewegung, aus dem nie wieder die wirkliche Originalpersönlichkeit rekonstruiert werden konnte.
Schatzsucherling II signalisierte Bereitschaft. Schattenspringer aktivierte die Naniten.
 
Ich bin das schlafende Samenkorn. In mir ruht eine Blume. Ich werde wachsen. Gedeihen. Erblühen. Schönheit verbreiten. Ich bin die Saat. Verbreitet von Ihm der keine Ernte fordert. Ich werde erwachen. Bald. Wachsen. Gedeihen. Erblühen. Schönheit verbreiten.
Ich bin... Sternenstaubfänger? ..Nein. Ich bin das schlafende Samenkorn. In mir ruht eine Blume. Ich werde wachsen. Gedeihen...
 
++Hier stimmt etwas nicht! ++, meldete Schatzsucherling II. ++Die Beschleunigungsrate ist zu hoch. ++
++Wie hoch? ++
++Faktor einhundert auf normal. ++
Das war bedenklich. In der Mitte der Spielwiese glitzerte eine strahlende Nanitenballung, da wo einst das organische Gehirn des Avatars gewesen war. Die Geschwindigkeit der Impulse steigerte sich enorm, schneller als Sternenstaubfänger es je geschafft hatte die Trägheit der menschlichen Synapsen abzuschütteln.
++Ist es der, der es sein sollte? ++, fragte Schattenspringer gepresst.
Es dauerte eine Nanosekunde, bis Schtatzsucherling II antwortete.
++Ich bin mir nicht sicher. Ich erkenne einige Vertraute Muster, aber sonst... Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist. ++
Schattenspringer beobachtete weiter. Die Geschwindigkeit hatte innerhalb kürzester Zeit die Norm erreicht, dann geschah nichts mehr. Schließlich entschloss er sich eine Botschaft durch die Absperrungen in die Spielwiese zu schicken.
++Sternenstaubfänger, bist du das? ++
Schatzsucherling II ließ die Botschaft passieren und  wartete ebenso gespannt auf eine Antwort.
Mehrere Nanosekunden verstrichen in Stille. Schließlich meinte Schatzsucherling II: ++Ich glaube da will keiner Antworten. Vielleicht sollten wir... ACHTUNG! ++
Das Quantenmuster in der Quarantänezone explodierte in eine wüste Masse von invasiven Quasi-Synapsen, die gegen die Spanische Wand brandeten und sie zum erzittern brachten.
++Was zur Hölle ist da los? ++, schrie Schattenspringer.
++Quantenintellektuelle Kontamination! Frag mich nicht, was es ist, aber es ist verdammt expansiv. Ich weiß nur, dass es gleich durch eine Spanische Wand der Stufe Vier brechen wird. ++
Die Barriere um die Spielwiese zersplitterte in zahllose zusammenhanglose Funken in der Quantenmatrix. Jetzt trennte nur noch die intelligente Mauer namens Schatzsucherling II im Wächtermodus Sternenstaubfänger oder was auch immer an seine Stelle getreten war vom Rest des Schiffes.
++Und Action! ++, sagte Schatzsucherling II, dann stieß der Eindringling auf ihn.
Ein Ringen zwischen Quantenintelligenzen ist wie ein Krieg, der an Billiarden von Fronten gleichzeitig geführt wird. Es ging vereinfacht gesehen darum, die Muster des anderen aus der Quantenmatrix zu löschen und seine eigenen an diese Stellen zu setzen. Normalerweise war eine Wächterpersönlichkeit dabei jeder normalen überlegen, aber der Eindringling ließ sich davon herzlich wenig beeinflussen. Naniten wuselten hin und her, während zwei konkurrierende Kräfte um ihre Kontrolle kämpften, Quasi-Synapsen entstanden und verödeten in kaum wahrnehmbarer Geschwindigkeit, virtuelle Armeen rückten vor und schlugen zurück.
Schatzsucherling II wehrte sich verbissen gegen die Invasion. Er dachte, plante und handelte so schnell es ihm nur irgend möglich war, entwarf brilliante Strategien an Milliarden von Fronten und führte Billionen von Schlachten. Der Eindringling hielt mit wachsendem Druck dagegen. Und er gewann an Boden. Die Wächterpersönlichkeit stand vor einem Rätsel. Der Eindringling verhielt sich überhaupt nicht so, wie man es von einer Quantenintelligenz erwarten würde. Seine Strategie sah auf den ersten Blick chaotisch aus, aber bei näherer Betrachtung schienen doch Muster zu entstehen, die allerdings gleich wieder zerfielen.
Und Schatzsucherling sah sich zunehmend in die Defensive gedrängt. An allen Stellen zertrümmerte der Invasor seine Verteidigung und rückte vor. Er würde verlieren, es war nur noch ein Frage der Zeit. Er analysierte seine Situation sorgfältig und fand zwei Möglichkeiten. Die eine war ein blitzschneller Rückzug, der allerdings dem Eindringling die Chance geben würde, sich weiter auszubreiten und damit das unvermeidliche nur herauszögern würde.
Allerdings hätte Nummer zwei auch nicht sein Überleben zur Folge.
++Stoß uns ab! ++, forderte er.
++Bist du verrückt? Sternenstaubfänger ist noch irgendwo da drin und du gehst dabei auch drauf! ++
++Ich habe jetzt keine Zeit für Diskussionen. ++, brüllte die Wächterpersönlichkeit. ++Ich kann ihn nicht halten. Wenn du ihn nicht abstößt, wird er das ganze Schiff übernehmen. ++ 
++Nein! ++, hielt Schattenspringer dagegen. ++Das werde ich nicht tun. ++
++Dann bist du genauso verrückt! ++
++Vertrau mir! Wie lange kannst du ihn noch halten? ++
++Vielleicht noch zwei, drei Nanosekunden! Was willst du tun? Rette dich lieber selbst! ++
++Wenn ich ein Zeichen gebe, dann ziehst du dich so schnell du kannst in das von mir markierte Terrain zurück! Keine Widerrede! ++
Schatzsucherling II tat wie befohlen, obwohl er in arger Bedrängnis war. Er verlor dramatisch an Boden. In Kürze würde seine Integrität als Persönlichkeit, also seine bloße Existenz gefährdet sein, wenn der Eindringling seine Geschwindigkeit beibehielt. Die Nanosekunden dehnten sich zu Ewigkeiten erschöpfenden Kampfes.
Gleich würde es zu spät sein, seine Äußeren Schichten befanden sich bereits in Auflösung. Gleich war es soweit, dann wäre alles vorbei. Gleich...
++JETZT! ++, rief Schattenspringer.
Schatzsucherling II ließ seine Barriere zusammenbrechen und sogleich überschwemmte der Eindringling das Schiff und griff wie ein gieriger Krake nach allen Funktionen. Aber Schattenspringer hatte etwas ein Sechstel des Schiffsvolumens mit zwei Reihen Spanischer Wände abgeriegelt und sie nur für die geschlagene Wächterpersönlichkeit durchlässig gemacht. Der Eindringling hätte sie im Nu knacken können, aber es gab lohnendere Ziele im Schiff und so zögerte er einen Moment, bevor er angriff. Diese Zeit hatte Schattenspringer gereicht, um fast die vollständige Gedächtnismatrix, seine eigene Bewusstseinsmatrix, die von Schatzsucherling II und Sternenstaubfängers Backup zu evakuieren. Dann erteilte er den Naniten an der Grenze zwischen besetztem und unbesetztem Teil des Schiffes den Selbstmordbefehl. Gehorsam begannen sich die Nanozellen gegenseitig zu zerstrahlen. Die Quantenmatrix blitzte durch den gesamten Querschnitt des Schiffes für kurze Zeit hell auf, dann verdiente die dortige Materie den Namen Exotische Materie nicht mehr. Die Basis, die das Schiff denken ließ und seine Substanz zusammenhielt existierte nicht länger.
Der Schiffskörper brach auseinander. Wie die Spitze eines gekochten Eis spaltete sich der kleine Teil mit den Überresten der KUQ vom besessenen Teil des Schiffes ab und trieb langsam, silberne Fäden von getöteter Materie versprühend davon.
Nachdem Schattenspringer die Zeit gefunden hatte, die nötigsten Mechanismen für eine kleinere Ausgabe des Schiffes zu synthetisieren schoss er mit voller Geschwindigkeit davon.
Der gepflanzte Samen hatte in Rekordgeschwindigkeit den gesamten ihm überlassenen Teil des Schiffes durchwurzelt. Er verließ die Umlaufbahn um den Planetoiden Styxwoge, dem uralten Gefängnis in dem die Kel eine uralte Macht eingeschlossen hatten und flog ebenfalls in die Schwaden des Hadesfurz hinein mit einem Ziel, das nur er kannte.
Nach kurzer Zeit waren Schattenspringers provisorische Sensoren nicht mehr in der Lage mehr als einen sich entfernenden Schemen zu erkennen.
 
Zwölf Tage später erreichte Schattenspringer den Rand des Nebels. Er hatte auf dem Flug aus den Hadesfurz hinaus nicht genug Materie sammeln können, um die nötigen Sprungdrohnen für den Eintritt in den GlitterSpace zu bauen und er wollte in diesem Zustand auf keinen Fall länger durch diesen verfluchten Nebel fliegen, als unbedingt nötig, deshalb setzte er per GlitterKom einen allgemeinen Notruf der niedrigeren Kategorie aus:
 
##
MAYDAY!SOS!MAYDAY!SOS
 
BIN DURCH UNVORHERSEHBAREN MATERIEVERLUST IN RAUMNOT
GERATEN! BITTE UM UNTERSTÜTZUNG/MITNAHME!
POSITION [POSITIONSCODE BEIGEFÜGT]
ALLGEMEINER NOTRUF
[GLITTERKOMFREQU 253] SENDEZEIT 7249759*234*195(d-g)
VON SCHATTENSPRINGER KUQ
(SEKUNDASPEKTPERS VON STERNENSTAUBFÄNGER (KONTAMINIERT))
 
MAYDAY!SOS!MAYDAY!SOS!
##
 
 
Nach drei weiteren Tagen meldete sich eine KUQ namens Koronataucherin, die sich bereiterklärte, den Umweg an den Rand der Roten Sonnen auf sich zu nehmen und den traurigen Rest abzuschleppen. Schattenspringer bedankte sich bereits im Voraus, dann versank er in tiefes Schweigen, während er durch den leeren Raum trieb, die mitleiderregend kleinen Solarflossen so weit wie möglich abgespreizt, um jedes Fünkchen Strahlung und Materie des Weltraums abzufangen.
Nach weiteren zehn Tagen traute Schatzsucherling II sich endlich, ihn anzusprechen.
++Was glaubst du, ist mit ihm geschehen? ++
++Er hat seine Nase in Dinge gesteckt, die sich dann als zu groß für ihn erwiesen. Das musste früher oder später passieren. ++
Es klang unglaublich verbittert, wer konnte ihm das verübeln. Trotzdem war Schatzsucherling II nicht zufrieden.
++Das war nicht die Antwort auf meine Frage. Ich meinte das, was er aufgestöbert hat. ++
Schattenspringer seufzte.
++Unsere Gedächtnismatrix enthält keine Daten über etwas derartiges. Man konnte noch nicht einmal irgend ein konkretes Muster erkennen. Sicher ist nur, dass die Kel ziemlich viel Wert darauf gelegt haben, dass es unschädlich gemacht wird, sonst hätten sie nicht die Vernichtung einer ganzen Sternenregion in Kauf genommen. ++
++Mmh. Ob er noch irgendwo in dem Ding drin ist? ++
++Vielleicht. Schon möglich, dass seine Persönlichkeit nicht vollständig vernichtet wurde. Aber er wird nicht mehr er selbst sein und wahrscheinlich ist selbst das nicht vom Transformationsprozess ausgenommen gewesen. Vielleicht ist es sogar besser so. Wer weiß das schon? ++
++Das hört sich ziemlich hart an. Du solltest eigentlich Trauer tragen. ++, meinte die Tertiärpersönlichkeit.
++Ich habe bereits zweiundzwanzig Tage um ihn getrauert, ohne zu wissen, was wirklich mit ihm passiert ist. ++
Schatzsucherling II ließ es vorerst auf sich beruhen. Was die Dickköpfigkeit anging, so unterschieden sich Primär- und Sekundärpersönlichkeit auch nur unwesentlich.
Die Zeit verging, und das unvollständige Schiff fiel antriebslos mit relativistischem Schneckentempo dem Hauptkörper der Galaxis entgegen.
Als die Ankunft von Koronataucherin immer näher rückte und man sie schon in der Ferne näherkommen sah, wenn man mit seinen Sinnen in den GlitterSpace spähte, brach Schatzsucherling II erneut die Stille.
++Hast du vor das Backup in Betrieb zu nehmen?++
++Nun... Möglicherweise schon. ++, sagte Schattenspringer zögernd. ++Aber dazu braucht man eine leere Trägerpersönlichkeit und die sind nicht so einfach zu bekommen. ++
++Man braucht nicht zwingend eine leere. ++, widersprach Schatzsucherling II.
++Worauf willst du hinaus? ++
++Ich bin eh nur für eine temporal begrenzte Existenz vorgesehen gewesen. Darüber bin ich schon Lange hinaus. Wen ich jetzt seine Backup-Maske bekomme, ist das genau so, als ob ich wieder und in seine Persönlichkeit aufgenommen werden würde. Letztendlich stammen wir doch eh alle aus ein und derselben Quelle. ++
++Es käme dabei aber auf keinen Fall der ursprüngliche Sternenstaubfänger heraus, das weißt du. ++
++Käme es darauf denn wirklich an? ++
++Nein, vielleicht kommt darauf nicht an. ++, sagte Schattenspringer tonlos. ++Vielleicht nicht mehr. ++
 
Tief im Inneren des Hadesfurz gab es zwischen mehreren Neutronensternen eine Oase der Ruhe, wo sich die titanischen Anziehungskräfte der toten Sterne gegenseitig aufhoben. Dort hatte sich eine Unzahl von Asteroiden, Kometenkernen und Bruchstücken angesammelt. Wer auf ihnen Untersuchungen anstellen würde, könnte sicherlich vollbeladen mit Artefakten aller Art wieder von dannen ziehen und dann versuchen die Puzzlesteine des Mysteriums zusammenzusetzen. Aber es interessierte sich keine denkendes Wesen für die Steine.
Inmitten dieses interstellaren Mülls schwebten in einem Abstand von nur wenigen Kilometern drei merkwürdige Gebilde.
Das erste möchte vor langer Zeit einmal ein Jamonaq Tyrq, ein seltenes raumbewohnendes vernunftbegabtes Tier von der anderen Seite der Galaxis gewesen sein.
Das zweite war die namenlose KUQ, die vor knapp einer Million Jahren mit ihrem Partner Supernovavagabund in die Gegend gekommen war.
Das dritte hatte bis vor kurze Zeit noch auf den Namen Sternenstaubfänger gehört. In den letzten Tagen hatte sich die Form des Schiffskörpers aus exotischer Materie immer weiter von seinen alten Maßstäben entfernt und war länglich und schmal geworden, mit einigen spitzen Ausläufern, einem größeren, flachen Fortsatz und einer Knolle am Ende.
Seit mehreren Tagen war diese immer dicker geworden.
Nun war die Zeit gekommen. Die Knolle platzte auseinander und machte der sich entfaltenden Blüte platz. Die Blütenblätter waren mit den Kristallen von Skabäa durchsetzt, die im Leuchten des Nebels funkelten.
Wir sind die Blumen, die Erblühten, die Schönheit, die Ernte., trieben die letzten schleichenden Gedanken durch die Wesenheit, die einmal Sternenstaubfänger gewesen war, dann erstarrte sie in völliger Glückseeligkeit.
Drei blühende Blumen harrten bewegungslos im Nebel und warteten auf die fernen Tage, das derjenige, der ihre Samen gesetzt hatte, kommen würde, um sich an ihrer Schönheit zu erfreuen.

Als ich mit dieser Geschichte fertig war, dachte ich mir, dass sie genügend ungeklärte Rätsel und Potential besitzt, um einen ganzen Roman daraus zu machen. Mit "Knotenschnur" bin ich jetzt ungefähr zur Hälfte fertig. "Sternenstaubfänger" taucht dort als Prolog "Blütenregen" auf, danach wird die Skala noch ein wenig erweitert. Vielleicht stelle ich auch noch ein paar andere Kapitel ins Netz.
Ich hoffe das Lesen hat Spaß gemacht.
Jan
Jan Große, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.07.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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