Hausbesuche vom Chef – Teil 2 / von 7
Tatsächlich stellte ich fest, daß mich „der Chef“ irgendwie zu lieben schien, denn er war stets an meiner Seite und begleitete mich durchs Leben. Er hatte alles für mich geregelt, und auch wenn ich es nicht immer gleich begriff, so stellten sich „seine“ Entscheidungen doch im Nachhinein stets als richtig dar.
Sei es die Schule, die ich trotz fehlenden Selbstbewußtseins und Glauben an mich, bis zum Abitur schaffte. Seien es die Fahrstunden gewesen, die ich trotz großer Angst vor dem Auto schließlich erfolgreich bewältigte. Sei es der Arbeitsstellenwechsel gewesen, den ich anfangs für einen herben Rückschlag hielt.
13 Jahre lang war ich in der Versicherung angestellt gewesen, die anfangs für mich wie eine Familie war. Mehr und mehr entwickelte sich dann jedoch ein rüdes Betriebsklima, wobei der „frische Wind“, den der neue Chef mit sich bringen wollte, in einen regelrechten Sturm ausartete. So lange dabei hatte ich mich davon jedoch nicht beirren lassen und stand meinen Mann wie der Fels in der Brandung. Dumm nur, daß ich nicht rechtzeitig schnallte, wie ersetzbar auch gute, fleissige Mitarbeiter sind, wenn sie einmal zu weit den Mund aufreissen. So hatte ich mich ziemlich schnell in eine Abseitsposition manövriert und viel zu spät bemerkt, daß es den neuen Vorgesetzten sehr gelegen kam, eine Angestellte mit 14 ½ Gehältern und Pensionsansprüchen vor deren Eintreten mit dem 35. Lebensjahr noch loszuwerden. Bevor ich also am 02.01.1999 dieses hochbrisante Alter erreichen konnte, hatte ich am 15.11.1998 schon meine Kündigung auf dem Tisch liegen. Natürlich war diese völlig unhaltbar, denn ich hatte mich nie daneben benommen oder goldene Löffel geklaut. Die drei Abmahnungen, die man mir innerhalb einer Viertelstunde um die Ohren knallte, entbehrten jeder Grundlage und enthielten Details wie angebliches Türenknallen oder privates Telefonieren auf dem eigenen Handy, was derzeit noch überall erlaubt war.
Trotzdem war mit diesem Zwischenfall natürlich mein Glaube an meine „Familie Firma“ zerstört, so daß es wohl das Beste war, diese zu verlassen. Dank des Geschicks meines Vaters – und der Hilfe des „Chefs“ – hatten wir dabei noch eine hohe Abfindung heraushandeln können. Selbst die Pensionsansprüche waren mir geblieben, da man aus dem fristlosen, einen ordentlichen Abgang zum Sommer 1999 gestalten mußte. Damit war ich 35 und pensionanspruchsberechtigt geworden. Ein Umstand, der später noch einmal wichtig werden sollte.