Katharina Roß

Das Licht

Als
ich in einer großen Nacht ängstlich durch die Dunkelheit spähte, begann ich vor
Verzweiflung zu schreien. Mein Weg lag unklar vor mir und die Welt machte sich
undurchsichtig und neblig.
Da
sprach die Dunkelheit zu mir: „Sag, warum bist du so misstrauisch? Hat dir etwa
jemand erzählt, ich verbärge Böses?“
Mein
Gesicht war von Schrecken und panischer Angst gezeichnet, ich war ratlos was
ich der Dunkelheit antworten könnte. So schrie ich in die leeren Straßen:
„Warum verfolgst du mich? Siehst du nicht, dass ich ein unschuldiges Mädchen
bin? Ich habe noch nie etwas Unrechtes getan! Was bezweckst du mit deiner
Anwesenheit?“
Nachdem
eine lange Zeit der Stille vorüber war, dachte ich, die Dunkelheit hätte ihren
Fehler eingesehen und wäre aus Scham entflohen. Ich setzte also meinen Weg
fort, allerdings noch ängstlicher und erregter als vor der Begegnung mit der
Dunkelheit.
Ich
sah den Mond durch die verlassenen Bäume und seine Gefährten, die Sterne. Der
Nebel nahm dem Mond die vollständige Sicht auf mich. Hin und wieder zogen dicke
schwarzen Wolken an seinem Antlitz vorbei, doch das störte ihn nicht weiter, er
war es gewohnt. Lächelte er?
Nach
weiteren Metern auf meinem Weg sprach die Dunkelheit erneut zu mir und sagte:
„Was für ein armes Volk ihr Menschen doch seid! Ihr habt vor allem Angst, was
ihr nicht begreift. Und ihr begreift so wenig, dass ihr sogar vor dem Dunkel
Angst habt. Folge mir, und ich zeige dir einen Ort, an dem es noch Träume gibt
und wo das Licht gar unerwünscht ist. Ich vermute, du wirst dich dort sehr wohl
fühlen. Folge mir!“
Wie
hypnotisiert entschwand ich in einen schwarzen Nebel aus Luft und Wasser. Er
duftete nach dem Wind exotischer Länder, nach dem Schweiß angstvoller Menschen
und nach den bunten Blumen grüner Welten. Mir fiel sofort die undurchdringliche
Stille und der seltsame Schein auf, der mich in tiefe Trance versetzte, als
auch schon die Dunkelheit fragte: „Wie fühlst du dich?“
Ich
konnte nicht sprechen, ich war wie gelähmt.
Als
ich nichts erwiderte wusste die Dunkelheit, dass ich mich in meinen Gedanken,
die sie mir geschenkt hat, gefangen hielt und ich mein Bewusstsein völlig
verschlossen habe.
Ich
spielte mit meiner Fantasie, jonglierte mit meinen Geschmäckern und probierte
von meinen Ängsten. Ich diskutierte mit meinen Ansichten, stritt mit meinen
Schwächen und traf dabei das vollkommene Glück. Nur in diesem Moment erschien
sie mir perfekt, die Welt.
Ich
sah nichts, ich dachte nur. Doch ich wurde aus der Dunkelheit gerissen und sie
war fort. Mein Schädel schmerzte und meine Beine waren erschöpft. Ich konnte
meinen Weg nicht mehr weitergehen. Ich legte mich einfach auf den nackten Boden
und ließ meinen Körper dessen Kälte in sich aufnehmen. Um mich herum begann es
in Strömen zu regnen, doch meinen Körper verschonte die Nässe scheinbar.
Ich
versprach, nie wieder Furcht vor der Dunkelheit zu haben. Seitdem bin ich auf der
Suche nach ihr.
Das Licht

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.08.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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