Klaus-D. Heid

Nina

Nina lag auf der Couch. Nina lag sehr gerne auf der Couch. Offenbar lag Nina besonders gerne auf der Couch, wenn sie nicht alleine auf der Couch lag. Diesen Eindruck gewann ich jedenfalls, als ich ausnahmsweise drei Stunden eher aus dem Büro nach Hause kam, als es sonst der Fall war. Und so sah ich nun meine Freundin Nina auf der Couch liegen. Nackt. Zwischen den vor Erregung zitternden Schenkeln Ninas sah ich einen – zugegebenermaßen – knackigen Männerhintern, der sich rhythmisch auf- und ab bewegte. Zu diesem Zeitpunkt konnte Nina mich noch nicht wahrnehmen, da der Typ, der zu dem Hintern gehörte, Ninas Blickfeld einschränkte. Hören konnte Nina mich auch nicht, weil ihr lüsternes Gestammel (Oh ja..., mach’s mir, Schatz...!) auch eine im Zimmer befindliche Kirchturmglocke übertönt hätte. Sie sah und hörte mich also nicht. Der Typ, der Nina offenbar überaus erfolgreich bumste, sah mich natürlich auch nicht. Ich allerdings sah, wie Nina wild und hemmungslos ihre kreuzgefährlichen Fingernägel in den Rücken des Mannes bohrte, als gälte es, dem armen Teufel die Wirbelsäule freizulegen.

Da stand ich nun in meiner saudummen Dämlichkeit – und überlegte für einen klitzekleinen Moment, wieso Nina sich grundsätzlich wie ein tiefgefrorener Zombie verhielt, wenn wir’s ausnahmsweise miteinander trieben. Konnte man das, was sich zwischen mir und ihr abspielte, überhaupt ‚treiben’ nennen? War es nicht vielmehr ein Zweckarrangement ohne Adrenalinausstoß, das uns gelegentlich kopulieren ließ? Konnte es sein, dass Nina nur die Beine für mich breit machte, weil dies eher ihrer natürlichen Körperhaltung entsprach, als die Beine geschlossen zu halten?

Viel Zeit zum Nachdenken blieb mir nicht, denn so wie’s schien, näherte sich das gesellige Miteinander der beiden Akteure seinem Ende. Nina schrie plötzlich so laut, dass ich dem Herrn auf Knien für eine taubstumme Nachbarin namens Margarete Schock dankte. Ein Schock wär’s garantiert für die gute Margarete gewesen, wenn sie meine Nina mit den Worten gehört hätte:

„Jaaaaaaa, Heiner! Es kooooooooommt, Heiner.Baby...!“

Das Arschgesicht hieß also Heiner. Gut zu wissen. Andererseits war’s völlig egal, wie der Typ hieß. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich Lust darauf hatte, mit ihm ein Bier trinken zu gehen, war nämlich nicht annähernd so groß wie mein Wunsch, ihm die Fresse polieren zu wollen.

Heiner war also auch ein Beherrscher des gesprochenen Wortes, wie ich seinen – sehr kurzen – Ausführungen entnahm:

„Jaaaaaaa, Nina! Es kooooooooooommt, Nina-Baby...!“

Hatten sich die beiden abgesprochen? War der Knackarsch eventuell darauf angewiesen, seinen Text von Nina vorgebetet zu bekommen? Konnte es sein, dass die Qualitäten Heiners nicht im Spiel mit Worten zu suchen waren? Was auch immer es war – es gab allem Anschein nach etwas, was dieser Kerl mir voraus hatte!

Ich hatte genug gesehen und gehört. Alles, was jetzt vielleicht noch folgte, diente bestenfalls meiner Motivation, Nina und Heiner mit einer Axt zu erschlagen. Da ich aber handwerklich äußerst ungeschickt agiere, hielt ich es für das Beste, das Weite zu suchen. Sollten die Beiden sich doch meinetwegen zu Tode kratzen, beißen und rammeln. Sollten sie doch ruhig in ihren Liebessäften ersaufen, wenn sie’s denn so haben wollten. Sollte Nina ruhig noch ein bisschen intensiver in Heiners Wirbelsäule nach Bodenschätzen graben –

..ich hatte jedenfalls genug gesehen, um zu tun, was zu tun war!

Und was war zu tun? Sollte ich vielleicht das Gleiche tun, was ich auch an den vorangegangenen Tagen getan habe, als nicht Heiner, sondern Achim, Martin, Gerd, Kemal und Antonio das Vergnügen hatten? Sollte ich also einfach still und heimlich die Wohnung verlassen, um wieder einmal für drei Stunden im Park spazieren zu gehen? Sollte ich anschließend zu Nina gehen, um ihr – wie immer – einen freundschaftlichen Kuss auf die Stirn zu drücken, als sei nichts geschehen?

Ich ging. Ich ging wieder einmal unbemerkt von Nina. Ein bisschen freute ich mich schon darauf, den Vögeln im Park zuzusehen. Bestimmt würde ich auch ein paar Eichhörnchen sehen können. Ob ich auch die dickliche Frau mit Kinderwagen wiedertraf, die fast jeden Tag im Park spazieren ging?

Die drei Stunden würden schnell vorüber gehen.

Irgendwann, eines Tages, würde ich mich zu erkennen geben, wenn ich Nina wieder einmal in flagranti erwische. Ich bin mir sogar ganz sicher, dass ich dann überaus sauer reagieren werde. Vielleicht werde ich sogar ein wenig laut? Mal sehen. Übertreiben will ich’s ja auch nicht. Das Risiko, dass Nina mich verlässt, ist mir dann wohl doch zu groß...

Lethargie in allen Lebenslagen
hilft nur, die Dummheit zu ertragen!

KDH
Klaus-D. Heid, Anmerkung zur Geschichte

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Langsam gehe ich auf das sechzigste Lebensjahr zu. Da hinter mir nahezu jede emotionale Erinnerung »verschwindet«, besitze ich keinerlei sichtbare Erinnerung! Vieles von dem, was ich Ihnen aus meinem Leben berichte, beruht auf alten Notizen, Erinnerungen meiner Frau und meiner Mutter oder vielleicht auch auf sogenannten »falschen Erinnerungen«. Ich selbst erinnere mich nicht an meine Kindheit, Jugend, nicht an meine Heirat und auch nicht an andere hochemotionale Ereignisse, die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin.

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