Nina Scarlet Manok

DSA - Das Leben einer Sklavin

„Auryan?! Auryan!! Jetzt setzt dich in Bewegung, du faules Stück!“, schrie eine Frau
und schlug grob gegen die morsche Holztür.

So wurde sie jeden Morgen vor Sonnenaufgang von ihrer Mutter geweckt. Sie hatte nie eine andere Behandlung erfahren. Die strenge Hand ihrer Mutter drohte Tag für Tag, wie ein bedrückender Schatten über ihrem Leben. Und Auryan begriff nicht warum.

Sie schleppte ihre, von der Arbeit des gestrigen Tages, schmerzenden Glieder aus ihrer Schlafecke,
welche in der Scheune lag und eher einem Hundeplatz glich.
Sie betrachtete ihr Spiegelbild im Wassereimer, ihr eingefallenes, dürres Gesicht
und den pochenden Bluterguss unter ihrem Auge.

Ihr Rücken schmerzte, als sie sich aufrichtete und langsam die Tür der Scheune öffnete.

Die Gegend roch noch frisch vom Tau, der sich in der Nacht auf den Gräsern und Feldern angesetzt hatte. Für einen Moment gelang es ihr sich wohl zu fühlen, doch die dunkle Silhouette ihres Onkels ließ sie wimmernd zusammenzucken, als er drohend die Handfläche erhob, als wollte er sie schlagen.

„Steh hier nicht nutzlos in der Gegend herum, Brut!!“, brüllte er sie an, packte sie an ihrem dünnen Unterarm und zog sie halb schleifend hinter sich her, nur um sie dann neben
dem Holzfällerbeil in den Dreck zu schmeißen.

Auryan schrie leise auf, als sie auch noch seinen Tritt in der Seite spürte und hielt sich die Rippen. Gleichzeitig versuchte sie eilig wieder auf die Füße zu kommen, um weiteren Scheltungen zu entgehen.

Jeder ihrer Muskeln und Knochen stachen schmerzhaft und sie keuchte angestrengt, als sie sich auf ihre wackeligen Füße hievte.

Sie erwartete die harte Stimme ihres Onkels oder ihrer Mutter, die jederzeit auf sie niedergebrüllt werden konnten, doch weder Er noch Sie waren in Sichtweite.

Auryan hielt inne und nahm zögernd das schwere Beil in die Hand. Sie kam auf die Idee, dass jetzt ein Augenblick der Flucht gekommen ist. Doch sie wusste, dass es hoffnungslos war, wieder fortzulaufen. Nicht, dass sie es noch nie versucht hätte.

Aber ein fünftes Mal von den großen Hunden ihres Onkels wie Wild gehetzt zu werden, ihre Fangzähne in ihren Armen und Beinen zu spüren, wollte sie nicht erleben. Und nicht auszudenken, was für eine Tracht Prügel ihr dann drohen würde.

Ja. Daran war sie schon gewöhnt.

Seit sie zurückdenken konnte, hatte sie für jedes kleine Bisschen eine Ohrfeige bekommen.

Und wehren konnte sie sich nicht. Zu weh tat es, sich großartig zu bewegen.

Es wäre ja auch nur halb so schlimm gewesen, hätte sie Freunde gehabt. Aber die Nachbarsbauern hatten auch nur Spott für sie übrig.

Ihr Onkel und ihre Mutter waren mit denen sehr gut befreundet und hatten die Angewohnheit Auryan in deren Gegenwart aufs Schlimmste zu demütigen, so dass alle über sie lachten.

Ihr absolutes „Lieblingsspiel“ hieß „dumme kleine Auryan“.

Da sie nie gelernt hatte zu Rechnen, Lesen oder zu Schreiben, gefiel es ihnen ganz besonders ihr Fragen zu stellen, auf die sie natürlich keine Antwort wusste. Da war das Gelächter natürlich sehr groß. Irgendwann hatte sie dann aufgehört auch nur irgendetwas zu sagen. Sie versuchte den Spott zu ignorieren. Aber so kam das Gerücht auf, sie sei einfach zu dumm zum Sprechen.

Das kam ihrer Mutter und dessen Bruder gerade recht. Sie kamen auf die Idee ihr zu verbieten auch nur ein einziges Wort mit jemanden zu wechseln, wozu Auryan sowieso nie Lust hatte. Sie wusste aber auch, dass das einen ganz bestimmten Grund hatte. Niemand, außer ihr, ihrer Mutter und ihrem Onkel wusste, dass Auryan keine gewöhnliche Sklavin war, sondern zur Familie gehörte.

Oh, was für eine Schande käme über sie, wenn auch nur einer mehr erfuhr,
dass sie die einzige Erbin des Korber - Hofes war. Aber mit ihrer Sprache, verlor sie auch ihre Tränen. Ihre Familie fing so an, sie immer mehr, als ein Nutztier zu sehen. Weinen, so erfuhr sie, brachte nichts. Worum trauern, wenn man nichts verliert?

Auryan war ein vaterloses, gebranntes Kind. Von dürrer und kleiner Statur. Ihre braunen, ungepflegten Haare, welche ihr verschmutztes Gesicht umrahmten, wirkten, wie die wilde Rückenmähne eines Höhlenwolfes. Sie war unschön, wenn nicht, gar hässlicher anzusehen, als die anderen Jugendlichen in ihrem Alter. Nur eines an ihr war schön und dieses hasste Auryan am meisten an sich selbst. Sie hatte die selben, reinbraunen, leuchtenden Augen, wie ihre Mutter.

Immer, wenn sie sich betrachtete, sah sie das grausame Funkeln vor Augen, welches ihre Mutter immer hatte, wenn sie ihren Blick auf sie richtete. Sie war immer so erfüllt von Hass,
wenn sie Auryan ansah oder über sie sprach. Warum? Hatte sie irgendetwas verbrochen?
Manch einer, der auch nur ein Fünkchen Mitleid gehabt hätte, hätte sich gefragt,
wo sie ihre Wut bloß hineinsteckte.

Es war die Arbeit. Diese knochenschwere Arbeit, die ihr von ihrem Onkel aufgehalst wurde, die ihr aber auch den letzten Funken Kraft nahm.

Von vier oder fünf Uhr in der Früh, bis spät nachts, wenn alle anderen schon längst schliefen, arbeitete sie.

Auryan war müde. Nicht nur von dem Holzhacken, sondern auch von ihrem Leben. Sie hatte nie etwas anderes kennen gelernt.

Oft, wenn niemand zusah, schweifte sie mit ihren sehnsüchtigen Blicken über die Ferne des Horizontes und versuchte sich vorzustellen, wie es sein könnte, wäre sie frei.

Aber Auryan weckte sich stets selbst aus diesen Tagträumen, denn wer so viel Pech am Hals hat, warum sollte ihn auf einmal das Glück treffen? Man könnte dann genauso gut einfach in der brennend heißen Glut des Sommers oder in der stechenden Eiseskälte des Winters vergehen.

Niemand würde sich darum scheren, niemand darum trauern. Der Leblose Körper würde einfach in den nächsten Fluss geworfen, verbrannt oder den wilden Tieren des Waldes zum Fraß vorgeworfen werden.

Denn das war eben das Leben eines Sklaven. Das war Auryan’s Leben! Und dennoch hoffte sie tief in ihrem wunden, geschundenen Herzen auf Erlösung. Bis dahin wollte sie sich an ihrem Leben festkrallen. Ihr Leben war das einzige, was sie hatte. Und ihr Stolz!

Als ich Das Schwarze Auge zusammen mit Dungeons & Dragons kennenlernte, erstellte ich mir einen DSA-Charakter, den ich aufzog, bis er richtig mächtig war.
Das war Auryan! Irgendwann würde sie so mächtig, dass ich sie nicht mehr spielen konnte. Auf LvL 22 war sie eine Art Halbgott geworden.

Nun, da ich mich dazu entschieden habe, sie hinrichten zu lassen, schreibe ich ihre komplette Geschichte auf. Ich kann mich nicht mehr an alle Abenteuer erinnern, die sie zusammen mit anderen Charakteren durchgestanden hat, aber ich werde das wichtigste, bis zu ihrem Tode niederschreiben.

Auryan ist mir in den vielen Jahren so sehr ans Herz gewachsen, dass ich mich mit ihr indentifitiere und mich in ihr sehe.

Ich bin gespannt, was ihr zu dieser geschichte sagt.

Grüße Myotis
Nina Scarlet Manok, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.08.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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