Soll ich dir mal erzählen, was
ich neulich nicht erlebt habe?
Ein Treffen mit einem
Unbekannten! Das war aufregend, kann ich dir sagen!
Der Gute hat ein interessantes
Hobby, naja, er hat eigentlich viele interessante Hobbies, aber dieses eine war
für Sonntag von Bedeutung – er ist nämlich Jäger. Und Hundezüchter. Deswegen
bin ich schon mal schwach geworden. Ich meine- wer Hunde züchtet, muss der
nicht einfach einfühlsam und zärtlich, aber auch vorausschauend, verlässlich
und bestimmt sein? ( Ja, genau, das ist er wohl, mein Schalter, einmal
umgelegt……) Ich wusste einfach, dass ich ihn mögen würde. In dieser Beziehung
gibt’s bei mir nur Schwarz-Weiß. Einmal entschieden, jemanden gern zu haben- dann
wird das so bleiben.
Jedenfalls hat er im Wald eine
Jagdhütte. DA wollte ich mich gern treffen. Einigermaßen ortskundig bin ich ja,
trotzdem habe ich mich natürlich verlaufen, lag bestimmt nicht an der
Beschreibung, sondern an meiner Nervosität und daran, dass rechts und links zu
verwechseln manchmal nicht hilfreich ist……Als ich dann da so herumguckteund
etwas verloren an einer Wegkreuzung stand, kam er mir mit energischen Schritten
entgegen. Komisch war das, wir haben uns ja nicht vorher gesehen, aber ich
hatte gleich ein vertrautes Gefühl, als hätte sich die Situation schon genau so
viele Male ereignet: er ist mir schon hundertmal entgegen gekommen. Ein entwaffnendes Lächeln, eine einladende
Geste und die warme wohlklingende Stimme mit „ich glaub, du bist hier richtig…“
ließen mir die Beine zwar ein wenig schwach werden, aber gleichzeitig habe ich
mich sofort richtig wohl gefühlt. Es gab nichts fremdes, es gab ihn, mich, den
Hund, den Wald, alles war so selbstverständlich. Wir erkundeten die Umgebung,
ich fragte ihm natürlich Löcher in den Bauch, er lachte über so viel
Wissensdrang, gab aber bereitwillig Auskunft. Immer wieder ein kleines Kommando
für den Hund zwischendurch. Gesten. Ich liebe es, wenn man mir gestenreich
erzählt. Weit ausholende Gesten, besitz ergreifend und bestimmend, aber auch leicht
und einladend.
Klar, dass ich auch auf einen
Hochsitz klettern wollte. Er meinte, da könnte ich allerdings nicht erwarten,
irgendwelche Naturschauspiele zu beobachten, das war mir aber auch nicht
wichtig. Ich wollte da oben sitzen und einfach nur hören, sehen, riechen.
Hören, wie der Wind durch die Bäume streicht, Vögel sich gegenseitig zurufen,
Äste knacken, Blätter rauschen, sehen, wie sich die Bäume im Wind wiegen, welch
verschiedene Arten von Grün es gibt, einem Wassertropfen hinterher sehen, wie
er langsam an einem Blatt herunter läuft, Wolken beim Vorbeiziehen und
Formenwechseln zuschauen, in die Sonne blinzeln, Augen schließen und riechen,
wie der feuchte Waldboden mit frisch gesägtem Holz eine unwiderstehliche
Duftallianz eingeht. Einfach ein- und ausatmen. Mag sein, dass das ein wenig
langweilig klingt – ich war aber glücklich. Er saß schweigend neben mir, unsere
Oberschenkel berührten sich leicht, ich glaube, es prickelte komischerweise etwas
in meinen Händen, ich hätte da ewig sitzen bleiben können. Vielleicht nicht
ewig meine Hände auf meinem Schoß lassen können, o.k.
Es fing dann aber furchtbar an
zu regnen und wir beeilten uns, zur Hütte zu kommen.
Das kann da schon sehr
gemütlich sein, wenn es draußen kalt und nass ist, man braucht nur gute
Gesellschaft und ein warmes Getränk. Wir
hatten uns die Jacken ausgezogen und während ich mich etwas umsah, kochte er
Wasser für den Tee. Da er mir den Rücken zuwandte, konnte ich ihn ungestört
beobachten. Mir gefielen die sicheren Handbewegungen, die dynamische Gestalt(
ich sag lieber nichts über den attraktiven Po), die Härchen, die sich im Nacken
leicht kräuselten. Er erzählte eine kleine Anekdote, eine kuriose Geschichte,
die sich hier letztes Jahr ereignet hatte, und ich wünschte, er würde mit
dieser samtigen Stimme immer weiter reden. Da sah ich unterhalb des
Schulterblattes das kleine Loch im T-Shirt. Haut schimmerte durch. Es ist dann
etwas sehr merkwürdiges geschehen: ich glaubte, ich könnte bestimmt nicht mehr
ausatmen ehe ich nicht mit dem Finger dieses kleine Stückchen Haut berührt
hätte. Ich konnte nichts anderes mehr denken, seine Stimme vermischte sich mit
einem Summen in meinem Kopf und ich
näherte mich ihm mit leicht vorgestreckter Hand. Ich meinte schon die Wärme zu
spüren, die von seinem Körper ausging, tastete nach dem weichen Stück Stoff unterhalb der Stelle und fuhr so
vorsichtig mit dem Finger nach oben, dass er es unmöglich bemerken konnte.
Gerade, als meine Fingerspitze die Haut berühren wollte, drehte er sich um.
Habe ich „schuldig“ ausgesehen? Ich weiß es nicht. Ich bin gut im Ausreden
finden, deshalb konnte ich meine Anwesenheit so dicht hinter ihm mit „ ich
wollte mal sehen, ob du Wasser richtig kochen kannst“ erklären.
Wir saßen noch lange zusammen,
später, als es wieder aufhörte zu regnen, draußen vor der Hütte. Es war lustig,
es war anregend, es war von einer Leichtigkeit, die nur entstehen kann, wenn
man Zeit hat, wenn man den Augenblick genießen kann. Wenn man nichts und alles
erwartet. Wenn man sich traut.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Heidi Berger).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.08.2006.
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