Heidi Berger

Könnte auch wahr sein

Soll ich dir mal erzählen, was ich neulich nicht erlebt habe?

Ein Treffen mit einem Unbekannten! Das war aufregend, kann ich dir sagen!  

Der Gute hat ein interessantes Hobby, naja, er hat eigentlich viele interessante Hobbies, aber dieses eine war für Sonntag von Bedeutung – er ist nämlich Jäger. Und Hundezüchter. Deswegen bin ich schon mal schwach geworden. Ich meine- wer Hunde züchtet, muss der nicht einfach einfühlsam und zärtlich, aber auch vorausschauend, verlässlich und bestimmt sein? ( Ja, genau, das ist er wohl, mein Schalter, einmal umgelegt……) Ich wusste einfach, dass ich ihn mögen würde. In dieser Beziehung gibt’s bei mir nur Schwarz-Weiß. Einmal entschieden, jemanden gern zu haben- dann wird das so bleiben.   

Jedenfalls hat er im Wald eine Jagdhütte. DA wollte ich mich gern treffen. Einigermaßen ortskundig bin ich ja, trotzdem habe ich mich natürlich verlaufen, lag bestimmt nicht an der Beschreibung, sondern an meiner Nervosität und daran, dass rechts und links zu verwechseln manchmal nicht hilfreich ist……Als ich dann da so herumguckteund etwas verloren an einer Wegkreuzung stand, kam er mir mit energischen Schritten entgegen. Komisch war das, wir haben uns ja nicht vorher gesehen, aber ich hatte gleich ein vertrautes Gefühl, als hätte sich die Situation schon genau so viele Male ereignet: er ist mir schon hundertmal entgegen gekommen.  Ein entwaffnendes Lächeln, eine einladende Geste und die warme wohlklingende Stimme mit „ich glaub, du bist hier richtig…“ ließen mir die Beine zwar ein wenig schwach werden, aber gleichzeitig habe ich mich sofort richtig wohl gefühlt. Es gab nichts fremdes, es gab ihn, mich, den Hund, den Wald, alles war so selbstverständlich. Wir erkundeten die Umgebung, ich fragte ihm natürlich Löcher in den Bauch, er lachte über so viel Wissensdrang, gab aber bereitwillig Auskunft. Immer wieder ein kleines Kommando für den Hund zwischendurch. Gesten. Ich liebe es, wenn man mir gestenreich erzählt. Weit ausholende Gesten, besitz ergreifend und bestimmend, aber auch leicht und einladend.

Klar, dass ich auch auf einen Hochsitz klettern wollte. Er meinte, da könnte ich allerdings nicht erwarten, irgendwelche Naturschauspiele zu beobachten, das war mir aber auch nicht wichtig. Ich wollte da oben sitzen und einfach nur hören, sehen, riechen. Hören, wie der Wind durch die Bäume streicht, Vögel sich gegenseitig zurufen, Äste knacken, Blätter rauschen, sehen, wie sich die Bäume im Wind wiegen, welch verschiedene Arten von Grün es gibt, einem Wassertropfen hinterher sehen, wie er langsam an einem Blatt herunter läuft, Wolken beim Vorbeiziehen und Formenwechseln zuschauen, in die Sonne blinzeln, Augen schließen und riechen, wie der feuchte Waldboden mit frisch gesägtem Holz eine unwiderstehliche Duftallianz eingeht. Einfach ein- und ausatmen. Mag sein, dass das ein wenig langweilig klingt – ich war aber glücklich. Er saß schweigend neben mir, unsere Oberschenkel berührten sich leicht, ich glaube, es prickelte komischerweise etwas in meinen Händen, ich hätte da ewig sitzen bleiben können. Vielleicht nicht ewig meine Hände auf meinem Schoß lassen können, o.k.

Es fing dann aber furchtbar an zu regnen und wir beeilten uns, zur Hütte zu kommen.

Das kann da schon sehr gemütlich sein, wenn es draußen kalt und nass ist, man braucht nur gute Gesellschaft und ein warmes Getränk.  Wir hatten uns die Jacken ausgezogen und während ich mich etwas umsah, kochte er Wasser für den Tee. Da er mir den Rücken zuwandte, konnte ich ihn ungestört beobachten. Mir gefielen die sicheren Handbewegungen, die dynamische Gestalt( ich sag lieber nichts über den attraktiven Po), die Härchen, die sich im Nacken leicht kräuselten. Er erzählte eine kleine Anekdote, eine kuriose Geschichte, die sich hier letztes Jahr ereignet hatte, und ich wünschte, er würde mit dieser samtigen Stimme immer weiter reden. Da sah ich unterhalb des Schulterblattes das kleine Loch im T-Shirt. Haut schimmerte durch. Es ist dann etwas sehr merkwürdiges geschehen: ich glaubte, ich könnte bestimmt nicht mehr ausatmen ehe ich nicht mit dem Finger dieses kleine Stückchen Haut berührt hätte. Ich konnte nichts anderes mehr denken, seine Stimme vermischte sich mit einem Summen in meinem Kopf und  ich näherte mich ihm mit leicht vorgestreckter Hand. Ich meinte schon die Wärme zu spüren, die von seinem Körper ausging, tastete nach dem weichen  Stück Stoff unterhalb der Stelle und fuhr so vorsichtig mit dem Finger nach oben, dass er es unmöglich bemerken konnte. Gerade, als meine Fingerspitze die Haut berühren wollte, drehte er sich um. Habe ich „schuldig“ ausgesehen? Ich weiß es nicht. Ich bin gut im Ausreden finden, deshalb konnte ich meine Anwesenheit so dicht hinter ihm mit „ ich wollte mal sehen, ob du Wasser richtig kochen kannst“ erklären.

Wir saßen noch lange zusammen, später, als es wieder aufhörte zu regnen, draußen vor der Hütte. Es war lustig, es war anregend, es war von einer Leichtigkeit, die nur entstehen kann, wenn man Zeit hat, wenn man den Augenblick genießen kann. Wenn man nichts und alles erwartet. Wenn man sich traut.

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.08.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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