Michael Mews

Das Geräusch



 

 
Ein besonders schöner Herbsttag war das heute. Als ich vorhin aus dem Fenster sah, konnte ich den großen Kastanienbaum sehen, mit seinen, im Wind flatternden Blättern und den stachligen Früchten. Die, von der Sonne angestrahlten Blätter leuchteten herbstlich.
 

 
Inzwischen war es draußen aber schon dunkel. Ich öffnete die Fenster und spürte den milden, angenehm warmen Wind, der in mein Zimmer streifte. Dann kletterte ich auf die Hochetage, um den Ventilator anzustellen. Die Räume in meiner Wohnung sind sehr hoch und durch den Ventilator versprach ich mir eine bessere Durchlüftung.
 

 
Nachdem ich das Radio einschaltete, durchströmte eine leise Musik das Zimmer, so, als ob sie zu dem Wind gehörte, der durch die offenen Fenster in das Zimmer wehte. Zufrieden, die leisen Klänge in der lauen Luft genießend, setzte ich mich an den Schreibtisch, um Briefe zu schreiben. Beim Schreiben habe ich immer das Gefühl, als ob ich ein Gespräch führe zu den Personen, an die diese Briefe gerichtet sind.
 

 
Erst jetzt fiel mir das leise, geheimnisvolle klopfende Geräusch auf. Es war ein kurzes Klopfen, nur einmal, aber es wiederholte sich immer nach zehn Sekunden. Es war störend und lenkte mich von meiner Aufmerksamkeit für das schreiben der Briefe ab.
 

 
„Woher kommt nur dieses Geräusch und was ist die Ursache?“, sagte ich zu mir. Nun stand ich auf und versuchte herauszufinden, woher dieses Klopfende Geräusch kam.
 

 
Ich war mir ganz sicher, dass es aus dem Flur kam, aber als ich im Flur stand, war ich mir sicher, dass es vom offenen Fenster kam. Spielte der Wind mit dem Fenster? Nein, denn ich hörte es nun ganz deutlich: es kam von der Hochetage. Aber als ich unter der Hochetage stand, hörte ich, dass es von der Eingangstür kommen musste. Und als ich an der Wohnungstür war, war ich mir wieder sicher: das Geräusch kommt vom Fenster!
 

 
Mehrmals ging ich durch das Zimmer und ich hatte ständig das Gefühl, dass das Geräusch immer daher kam, wo ich zuvor gestanden hatte.
 

 
„Kann es sein, dass ich dieses Geräusch nur in meiner Fantasie höre und dass es in Wirklichkeit überhaupt nicht existiert?“, dachte ich. „Unsinn, denn es klopft ja schon wieder“ und wie ich erwartet hatte, kam es aus einer Richtung, in der ich mich gerade nicht befand. „Was kann denn das nur sein? Gespenster, oder übernatürliche Kräfte?“.
 

 
Endlich ging ich in das Nebenzimmer zu meiner Tochter. „Melina, sei doch bitte so nett und komm kurz in das Wohnzimmer. Ich höre seit einiger Zeit ständig ein Klopfen und ich kann das Geräusch nicht orten“. Etwas widerwillig ging Melina mit mir in das Wohnzimmer und nach wenigen Sekunden klopfte es wieder. „Da, es klopfte schon wieder. Hast Du das Klopfen auch gehört?“. „Ja“, sagte Melina, „Das wird bestimmt irgend ein Tier sein“. „Unsinn, wir haben doch keine Ratten, oder Mäuse in unserer Wohnung“. Melina ging desinteressiert wieder in ihr Zimmer und wir waren, das Geräusch und ich, wieder unter uns. 
 

 
Ratlos stand ich neben der Leiter zur Hochetage. Ich stieg die Leiter hoch, um auf der Hochetage das Licht einzuschalten und was sah ich: der eingeschaltete Ventilator drehte sich ständig hin und her und schlug dabei immer leicht gegen die daneben stehende Lampe. Ich schob den Ventilator von der Lampe weg und das klopfende Geräusch löste sich auf.
 

 
Zufrieden und erleichtert setzte ich mich an den Schreibtisch, um die Briefe fertig zu schreiben, während die leise Musik nun alleine, ohne das Klopfen durch die Wohnung schwebte.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.09.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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