Gaby Schumacher

BSVFs-RT - waas??

 
Etwa alle zwei Jahre war es soweit. Meistens begann es während einer von mir so überaus geliebten Hausarbeit. so zum Beispiel beim Schrubben des Bodens, beim Reinigen der Eckschrankinnenflächen oder wie vor ein paar Tagen, beim Treppenputzen.

Ja, nun, das kann man ja nur eine klitzekleine Anzahl von Tagen hinausschieben, dann geht es nicht mehr. Seufzend schnappte ich mir also Handbesen und Kehrblech und nahm mir Stufe für Stufe vor. Jede Treppenhälfte besass so ungefähr zwanzig davon.

Während ich Stufe 17 vom groben Dreck befreite, geschah es. Ich richtete mich auf und dann quiekte ich laut auf. Genau in dieser Sekunde fühlte ich den mir ja so wohlbekannten, verhassten Schmerz im Rücken. Danach war alles zu spät.

Gekrümmt wie ein Torbogen schaffte ich es noch mit Mühe in die Küche, biss die Zähne zusammen, entleerte das Kehrblech in die Mülltüte und hängte Handfeger plus Kehrblech in die dafür vorgesehenen Halterungen. Das blieb denn auch das Letzte, was ich an dem Tag noch erledigte.

Mich mühsam am Geländer die Treppe hoch in Richtung meines Zimmers in der Jugendetage angelnd, quiekte ich relaliv unmelodisch vor mich hin.
Für jede Stufe ein Quiekser.

Oben sah ich zu, dass ich ins Bett gelangte, legte mich auf die Seite und zog die Beine im rechten Winkel nach oben. Das tat gut, ich atmete ruhiger. Nach einiger Zeit wagte ich den Versuch, mich aufzurichten, stützte mich zuerst auf meinen Nachttisch, dann auf mein hohes Bücherregal und probierte ein paar freie Schritte in Richtung der Zimmertür.

Mein Schutzengel war sicherlich sehr aufmerksam, sonst wäre ich bestimmt zusammengebrochen. An unsichtbarer Hand geleitete er mich durch die Türe, hin zum Badezimmer bis vor meinen Arzneischrank. Gottlob hatte ich ein leichtes Schmerzmittel im Haus. Vorsichtshalber schluckte ich zwei Tabletten...Ich kannte den ganzen Mist ja schon zur Genüge und wusste also, was mich noch so alles erwarten konnte.

Ich mach`s kurz:
Der erste Tag war grauenhaft. Was ich so gerade eben noch schaffte, war der Gang zur Toilette. Mehr war nicht drin. Jeder Schritt zuviel eine Qual. Die Nacht verlief auch entsprechend.

Hatte ich mich im Schlaf gedreht, wurde ich prompt vor Schmerzen wach. Manchmal allerdings drückte mich auch nur der Verschluss der Wärmflasche, die ich mir wie ein Baby im Tragekorb mittels eines langen Schals auf den Rücken gebunden hatte. Die Wärme war eine wahre Wohltat und entspannte.

Am gestrigen Tag hatte ich eigentlich gemeinsam mit einer meiner Töchter einen Ausflug zu einem vor allem bei den jüngeren Leuten sehr beliebten, großen Möbelhaus unternehmen wollen. Der war natürlich jetzt zu streichen. Wir verschoben ihn um zunächst einmal eine Woche. Dann sähe man ja...

Auch heute gab es verwünschte Minuten, aber irgendwie auch das vage Gefühl, es könne sich bereits ein klein wenig gebessert haben. Zumindestens krabbelte ich nicht mehr fast auf allen Vieren durch die Gegend, meisterte selbst die Treppe ´rauf ohne Jaultöne und reduzierte deswegen direkt die Medikamenteneinnahme auf nur eine Tablette morgens und abends.
Na also, es ging doch.

Trotz und alledem war ich vor besagten Heulminuten keinesfalls geschützt. Natürlich traten die immer dann auf, wenn ich mich relativ sicher vor ihnen fühlte.

Da bekam ich von einem sehr lieben, mir sehr vertrauten Menschen einen entsprechend lieben Tipp. Schon beim aufmerksamen Lauschen wurde mir angst und bange.

"Versuch`doch ´mal BSVFs-RT!"
"Biittee, waas?"
Ich glaubte, mich verhört zu haben. Denn davon hatte ich noch nie gehört.
"Also!", folgte dann seine Erklärung.
"Hast du irgendeine Stange im Haus, die du zum Beispiel in einer Höhe, so dass du dich dran hängen kannst, zwischen Treppe und Wand einklemmen könntest?"

Mein Herz fing bei dem bloßen Gedanken daran schon gefährlich an zu flattern und meine Beine traten vorsichtshalber in den Streik. Als einzige, für solche Spiränzchen geeigneten Stangen kamen in meinem Hause die Griffleisten meiner Dachfenster in Frage, sagte ich mir.

Zum Glück grübelte ich noch ein wenig länger über diesen wohlmeinenden Rat nach. Was hatte er noch(!) gesagt?
"Zuerst ziehst du nur das eine Bein hoch, so dass die Belastung für deine Wirbelsäule noch nicht so gravierend ist."
"Ach, du grüne Neune!", schoss es mir durch den Kopf.

Doch das war`s noch nicht gewesen:
"Und, falls du es Dir zutraust, dann auch noch das zweite Bein!"
Ich stutzte kurz und protestierte:
"Hör`´mal zu: Ich bin doch nicht lebensmüde!!"
Er:
"Wieso? Wärst du beim Arzt, da würdest du auch gestreckt."
Nein, danke. Mir reichten die Schmerzen völlig, mit denen dieser mein Bandscheibenvorfall mich ärgerte.

Außerdem: Hinge ich mich mit meinem Wahnsinnsgewicht von immerhin 53,5 kg an die Griffleiste, polterte mir unter Garantie dieses Pseudo-Reck auf den Kopf.
Auf die dann unausbleibliche zusätzliche, bunt schillernde Beule von der Größe einer Zitrone verzichtete ich lieber.

Irgendwann, irgendwann dürfte er gerne einen solch gearteten Selbstversuch starten und seinem neu ins Leben gerufenen Schulfach als Versuchskarninchen dienen:

Genannt:
BSVF - RT
(Bandscheibenvorfalls - Reckturnen)

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.09.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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