Silvia Pree

...aber er liebt mich doch!

Helga schloss die Tür zum Kinderzimmer vorsichtig.
Die Zwillinge schliefen.
Helga rieb sich die Augen.
Sie schmerzten schon den ganzen Abend…
Helga ging ins Wohnzimmer.
Zog die Couch auseinander.
Breitete ein Leintuch darüber.
Holte das Bettzeug aus der Lade.
Es war spät.
Sie wollte jetzt schlafen.
Es zumindest versuchen.
Heinz würde ja doch nicht kommen.
Nein.
Er hatte schon Tage nicht angerufen.
Oder war es schon eine Woche her?
Dabei hatte sie sogar Kondome besorgt.
Extra für ihn.
Im Drogeriemarkt.
Aber wenn sie so nachdachte…
Heinz würde vielleicht nicht so schnell wiederkommen.
Nein.
Und das war sogar ihre eigene Schuld…

Minuten später kam Helga aus dem Bad.
Sie hatte geduscht und die Zähne geputzt.
Drehte das Fernsehgerät ab.
Und legte sich nieder.
Helga seufzte.
Es tat gut so zu liegen.
Die Kinder nicht zu hören.
Nur die Stille.
Das leise Ticken der Küchenuhr.
Und auf der Straße ab und zu ein Auto…
Schade, dass Heinz heute nicht gekommen war.
Dass er so beleidigt war.
Nach seinem Anruf neulich.
Dabei war sie einfach nur ungehalten gewesen.
Weil er sich so selten blicken ließ bei ihr.
Und kaum anrief…
Kennst du mich überhaupt noch?
Bitter hatten ihre Worte geklungen.
Und vorwurfsvoll.
Das musste sie zugeben.
Aber sie war wohl trotzdem zu weit gegangen.
Ein Mann braucht halt keine Nestwärme.
Und kommt und geht lieber wann er will.
Und in diesem Fall hatte Heinz aufgelegt.
Statt mit ihr darüber zu reden.
Wie sie das gemeint hatte.
Dass er sie und die Kinder liebte.
Das fühlte sie.
Ganz genau.
Aber trotzdem war er so selten erreichbar für sie.
Entweder rief er unerwartet doch einmal an.
Oder er stand einfach vor der Tür.
Sagte nicht viel.
Aber in seinen Augen las sie seine tiefen Gefühle…

Helga drehte sich auf die andere Seite.
Wie lange kannte sie Heinz jetzt?
Zwei Monate schon.
Vielleicht länger.
Sie hatte ihn bei einem Single-Treff kennen gelernt.
Ihre Mutter hatte damals auf die Kinder aufgepasst.
Damit sie, Helga, wieder einmal weggehen konnte.
Abends.
Und Heinz hatte ihr gefallen.
Und sie ihm.
Sie waren schon den ganzen Abend unzertrennbar gewesen.
Und dann hatte sie ihn mit heim genommen.
Ihre Mutter hatte große Auen gemacht.
Aber dann war sie im Kinderzimmer verschwunden.
Und hatte ihr und Heinz Platz gemacht.
Heinz war so ein süßer Kerl!
Liebvoll und sehr zärtlich.
Alle Bedenken waren von ihr abgefallen.
Dass man einen Mann nicht gleich mit nach Hause nimmt.
Den man fast nicht kennt.
Dass man nicht ungeschützt schläft mit ihm…
Aber Heinz war sofort ein Teil der Familie gewesen.
Die Kinder hatten ihn geliebt.
Als würden sie ihn schon immer kennen.
Kinder spüren das, wenn ein Mensch gut ist.
Und ihre beiden brauchten einen Vater.
Einen Vater wie Heinz…

Drei Wochen später war die Krise gekommen.
Ihre Tage waren ausgeblieben.
Eigentlich nicht erstaunlich.
Die Pille hatte sie schon vor langer Zeit absetzen müssen.
Sie vertrug sie nicht.
Vielleicht war es unvorsichtig gewesen – so ohne Verhütungsmittel.
Aber sie hatte es nicht gewagt ihn zu fragen.
Kannst du ein Kondom nehmen?
Irgendwie schien ihr das nicht passend zu sein.
Aber dann hatte sie Panik befallen.
Der Schwangerschaftstest war Gott sei Dank negativ gewesen.
Und eine Woche später hatte die Periode dann doch noch eingesetzt.
Aber Heinz war seither so verändert gewesen.
Er ließ sich nicht mehr ansehen.
Er rief nicht an.
Und sein Handy war meistens ausgeschaltet.
Und wenn nicht, dann hob er nicht ab.
Helga spürte wieder ihren schmerzenden Kopf.
Es war ihre Schuld!
Sie hätte ihn mit all dem nicht belasten dürfen!
Nicht mit Verhütung!
Und nicht mit den Kindern.
Er mochte die Kinder.
Das war ihr klar.
Aber es war ihm oft zu viel mit ihnen zu spielen.
Wenn er von der Arbeit direkt zu ihr kam.
Das verstand sie ja.
Das verstand sie nur zu gut…

Helga verkroch sich unter der Decke.
Jetzt konnte sie wieder nicht schlafen.
Dabei war sie so müde…
Heinz war ein feiner Kerl.
Das wusste sie.
Und ihre Mutter hatte sicher nicht recht mit ihrer schlimmen Vermutung.
Ich sage dir, der hat noch ein paar andere!
Er will sich nicht festlegen.
Der kommt nur zu dir, wenn die anderen keine Zeit haben.
Wetten?
Der grast alle Singletreffs ab.
Für neue Eroberungen.
Der braucht keine Frau mit Kindern.
Der will nur ins Bett mit einer Frau.
Kommt und geht wann er will.
Und will sich nicht fix binden.
Und er ist vorsichtig geworden bei dir.
Schließlich sah es so aus, als wärst du schwanger.
Vergiss den Kerl!
Helga kämpfte mit den Tränen.
Mama tat Heinz so Unrecht.
Es war nur ihre, Helgas, Schuld dass Heinz so anders geworden war.
Sie durfte nicht so misstrauisch sein.
Und ihn nicht einengen.
Hoffentlich war Heinz nicht mehr lange sauer.
Wegen ihrer vorlauten Äußerung neulich am Telefon.
Sie hatte Sehnsucht nach ihm.
Sehr große Sehnsucht.
Lange Zeit war sie nicht mehr verliebt gewesen.
Bis sie Heinz kennen gelernt hatte.
Und sie war sich sicher.
Mit Heinz würde wieder Ruhe kommen in ihr Leben.
Schließlich liebte er sie doch!

Vivienne

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.10.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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