Karsten A. Kusterer

Ruf der Freiheit

Justin ging den gepflasterten Weg entlang. Wieder blieb er stehen und blickte hinüber, hinüber in die Freiheit. Auf der anderen Seite des Todesstreifens konnte er eine Wiese mit hohem Gras erkennen. Dahinter wuchsen mehrere Büsche und schließlich noch weiter hinten lag der Waldrand. Justin war überzeugt, dass auf der anderen Seite das größte Abenteuer seines Lebens auf ihn wartete und natürlich seine Freiheit. Den Todesstreifen könnte er schaffen, da war er sich sicher. Aber sie würden es merken, wenn er auf die andere Seite gehen würde. Sie waren jetzt zwar nicht hier, aber sie wussten trotzdem immer, wo er gerade war. Erst hatte er nicht verstanden, wie sie das machten. Aber dann hatten sie ihm erklärt, dass in seinem Rücken ein kleines Ding war, das Ihnen immer sagte, wo er sich befand. Sie nannten das Ding einen GPS-Chip. Er hatte nicht genau verstanden, wie es funktionierte. Das Ding konnte eine Signal schicken, und sie hatten einen Apparat, der dies irgendwie empfangen konnten. Der Apparat zeigte dann, wo er sich befand. Er konnte sich erinnern, dass er das Ding nicht immer in seinem Rücken hatte. In einem Krankenhaus hatten die Ärzte es ihm eingesetzt. Sie hatten ihm später dann erklärt, dass das Ding zu seiner eigenen Sicherheit war. Seit dem Tag war es also in seinem Rücken, und er wusste bald, dass damit seine Freiheit zu Ende war. Sie hatten das Ding in seinen Rücken gesteckt, damit er selber nicht daran konnte. Da war er sich sicher! Wenn es woanders in seinem Körper stecken würde, dann hätte er es raus schneiden können, dachte er. Das würde sicher sehr weh tun, aber das Ding war nicht besonders groß. Er hatte schon mal schlimmere Schnitte gehabt als der kleine Schnitt, der für das Ding notwendig gewesen wäre. Er hatte mit den Anderen gesprochen. Fast alle hatten auch schon so ein Ding im Rücken. Vielleicht konnte er jemanden von den Anderen fragen, ob er ihm das Ding aus dem Rücken schneiden würde? Aber er bezweifelte, dass ihm jemand helfen würden. Die Anderen hatten nicht so ein starkes Verlangen nach der Freiheit. Er war ein Einzelgänger, auf der Suche nach dem Abenteuer und der Freiheit. Die Anderen waren Feiglinge! Sein Blick war die ganze Zeit auf die andere Seite gerichtet gewesen. Dort drüben lag der Wald der Freiheit. Es wird mir nicht gelingen, dachte er. Solange ich das Ding im Rücken habe, werden sie mich sofort finden. Ich brauche es gar nicht erst zu probieren. Er seufzte, drehte sich um und ging nach Hause. »Mama, ich möchte so gerne einmal drüben im Wald spielen«, sagte Justin zu seiner Mutter. »Du weißt, dass das nicht geht, Justin. Die große Straße ist viel zu gefährlich für dich. Ein Auto könnte dich überfahren. Bleib also auf dieser Seite und mach keinen Unsinn. Ich weiß, wo ich dich finden kann!« »Ja, Mama!«, sagte Justin und begab sich auf sein Zimmer. Er legte sich auf sein Bett. Bald war er eingeschlafen, doch in seinem Traum hörte er immer wieder den Ruf der Freiheit von der anderen Seite der Straße.

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