Michael Mews

Die Erbsensuppe

Lupa wackelte, genauer gesagt, er wurde geschüttelt. James Bond würde hier sagen: „ Nicht geschüttelt, sondern gerührt“. Aber das entspricht nicht der Wahrheit, Lupa konnte manchmal sehr gerührt sein, hier wurde er aber geschüttelt. Hin und her geschüttelt, vom Bus. Und jetzt verstand er auch die Bedeutung von dem Satz: „Hin und her, im Schnellverkehr.“

 

 

Eingequetscht von den Fahrgästen stand Lupa im Bus, nahe an der Tür und glücklich über seinen Stehplatz. Der Bus war so voll, dass wenn jemand vorne beim Fahrer sich ruckartig bewegte, weil er vielleicht husten musste, diese Bewegung durch die Fahrgäste wellenartig bis zum Busende schwappte, um dann, wie ein Echo zurückzulaufen.

 

 

Vermutlich musste vorne gerade jemand gehustet haben, denn Lupa erblickte eine Monsterwelle, die auf ihn zuraste, ihn ruckartig erfasste, er verlor die Bodenhaftung und stand unerwartet auf den Füßen vom Hintermann, der sich über diese plötzliche Erlebnisbereicherung nicht sehr freute.

 

 

Lupa drehte sich um, sah aufwärts, der Riese hinter ihm abwärts und sagte nur: „Knick knack, Ärmchen ab“. Vor Schreck öffnete Lupa seinen Mund, seine Stimmbänder versagten, aber nicht die Bremsen vom Bus. Auch die Tür öffnete sich, nicht vor Schreck, sondern wegen der Haltestelle.

 

 

Sofort wurde diese rettende Gelegenheit von Lupa genutzt, er stieg aus und andere Fahrgäste ein.

 

 

Wie ein hungriger, einsamer Wolf ging Lupa nun durch die Strassen und stellte sich vor, wie aus dem Bus Leute ausstiegen, die nur noch ein Ärmchen hatten. Das eiskalte Grauen kam zu ihm und zu zweit gingen sie weiter.

 

 

Nicht der Duft der großen, weiten Welt, sondern der einer würzigen Erbsensuppe durchströmte seine Nase. Er ging diesem Duft nach und stand nach kurzer Zeit vor einem Restaurant, dass er auch betrat. Es gab keine Sitzgelegenheiten, sondern nur Stehplätze um viele runde Stehtische.

 

 

Auf einem Tisch, der frei war, stand ein Teller mit einer leckeren, duftenden  Erbsensuppe. Offensichtlich gehörte keinem dieser Teller und angetrieben von seinem Hunger, griff er nach dem Löffel, um von dieser Suppe zu kosten. Hmmm, wie diese Suppe schmeckte! Verzückt verdrehte Lupa seine Augen.

 

 

Bald hatte er so viel gegessen, dass der Tellerboden sichtbar wurde. Aber nicht nur der Tellerboden, sondern auch etwas Gelbes. Ein gelber Fleck auf einem Pflaster. Lupa starrte auf das eitrige Pflaster, ihm wurde schlecht und die Suppe erblickte wieder das Tageslicht.

 

 

Vor ihm stand der Teller mit der dampfenden Erbsensuppe, als ihm von hinten jemand auf die Schulter klopfte und sagte: „So weit war ich auch schon.“

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.10.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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