Robert Fischaleck

Quatsch&Knatsch in Plausibien

 
Nein, du kannst keine gute Geschichte schreiben, wenn du ständig nach Wörtern suchen mußt, die es noch besser ausdrücken, so ein Quatsch, schon mal einen Musiker während des Konzerts ständig seine Geige stimmen gesehen, voher ja, aber während des Spielens, auf gar keinen Fall, oder besser gesagt nur im Notfall.
Ich war damals felsenfest überzeugt gewesen, ein äußerst wichtiges Element gefunden zu haben, das der freien Wortwahl nämlich, wenn zuerst der Gegenstand, den ich beschreiben wollte, quasi verinnerlicht in mir wiederhallte, könnte ich die Worte frei wählen.
Und nun, er hatte recht, wie so oft, das war wirklich nicht möglich, es würde kein Erfzählfluß entstehen, keine Erlebnisdichte zu einem Berg sich auftürmen, um dann im daraus notwendigen Lauf der Ereignisse,  ein daraus folgendes harmonisches oder überraschendes Moment zünden.
Es wäre ein Kreisel, der sich ständig um einen inneren Schwerpunkt dreht und dabei noch seltsame Geräusche von sich gibt.
Ich machte also meine Skizzen.
Diese Geschichte beginnt wie so viele andere mit einem Wunsch.
Ein..., sehen sie, hier beginnt schon diese ewige Stimmerei, Wünsche denkt man sich nicht, man wünscht sie, und das ist eher vergleichbar mit Träumen, aber träumen wiederum ist wieder etwas ganz anderes, also ich nenne es mal senden, also ein einmal abgesendeter Wunsch, muß beantwortet werden, wenn er die Oberfläche erreicht, und fragen sie mich jetzt bitte nicht, die Oberfläche von was.
Und wenn mich jetzt schon jemand nach dem Weg fragt, den die Wünsche nehmen, dann hör ich gleich wieder auf mit dieser Geschichte, die eigentlich noch gar nicht begonnen hat.
Da war also dieser Wunsch.
Und haben sie schon einen gesehen, nein, natürlich nicht, wir sehen immer nur das, was dabei herauskommt, nicht wahr.

Sie fieberte durch die dämmrigen Straßen, sie war auf dem Nachhauseweg, und wie immer hatte sie sich verirrt.
Plötzlich stand sie vor einer Art Laden-Kaffee, und aus dem Inneren hörte sie fernöstlich klingende Musik.
Die Tagespreise für verschiedene Teesorten waren mit Kreide auf einer ausgedienten Kindertafel in drei verschiedenen Farben ordentlich angegeben.
Süßlicher Dampf kroch den Raga entlang, wie eine unbekannte Tonleiter, jeden dritten Takt eine Welle aus Tönen über den Ohren brechend, fast als wäre dort ein unsichtbares Gewässer, in dem ihre Füße baumelten. Kleine Fische sprangen an denselben empor, schillernde Melodie aus Farbe und Nässe, bevor sie mit einem Salto zurücktauchten, dann begann der Gesang.
Djannas day,
drrtakedin
sway swing sway
my light, keuchte Madame Knatsch, was haben die nur für seltsame Musik in diesen Kneipen.
eine rauchige Frauenstimme begann ihre Geschichte zu erzählen, untermalt von den sehnsüchtigen Klängen der Veena.
Who will candle my dark dreams,
have I not any Love to give You.
Who will handle my means
Do I not believe in logic
to be true
drrtakedin
An der Wand hing ein Poster einer Gopi, wie sie sinnend die Kühe heimführt und ihr Herz ausschüttet vor den Steinen ihres Wegs.
Bei jedem Schritt drängen die Blütenblätter dichter in ihr offenes Haar, als wollten sie ihr Schutz gewähren, vor der Glut ihrer Sehnsucht.
Verwandelte sich doch jeder ihrer Gedanken in ein loderndes Geständnis ihres unnachahmlichen Verlangens nach der Berührung ihres Geliebten.
Jeden Morgen beobachtete sie, wie er sein Haus verließ und jeden Abend kehrte er müde und zermürbt heim, als fräße etwas in seiner Brust, von dem niemand Kunde hatte, und keine Medizin bekannt war.
Madame Knatsch grinste, diese Narren der Liebe, My Light, und sie meinte damit ihre Katze, die wie immer in einiger Entfernung hinter ihr herschlich, du weißt nicht, was für seltsame Geschöpfe wir Menschen sind.
Mewau, melancholierte die Katze beschwichtigend, als würde sie nicht wagen zu wiedersprechen, obwohl sie das sehr wohl wußte, auf ihre eigene Art natürlich, und die nützt uns nicht viel.
Wie die Musik mit jedem ihrer Schritte immer leiser wurde, und sich im Abenddunkel verlief, wie ein streunender Hund, mal im Rhytmus der Tabla verweilend, dann in den Klängen der Veena sich verlierend, wie er die Witterung der Sehnsucht in sich aufsaugte an jeder neuen Fundstelle, dann eckig weitertrollte und plötzlich im Bodennebel verklang.
So suchte auch Madame Knatsch ihr Zuhause, unwillkürlich den Klängen ihrer Erinnerung folgend, die sich nicht direkt in die Karten schauen ließ, als wär es ein Spiel, und der Einsatz ein wenig Gefühl.
Polternd rasselte ein Lieferwagen an ihr vorbei, das war überhaupt nichts besonderes, auch um diese Uhrzeit nicht. Aber auf dem Werbeaufdruck der viel zu bunten Reklame starrte sie in das selbe Gesicht, das vorher noch im Gewand einer Gopi die Kühe gehütet hatte, nun als Zigeunerin verkleidet, und mit strahlendem Lächeln einen etwas seltsamen Text flüstern, "Bereiten sie sich etwas Abwechslung, Quasselinas Kaffeetassenorakel mit Gebrauchsanweisung."
Madame Knatsch stapfte verärgert nach Hause, hatte sie sich doch gerade heute Mittag ein solches Spielzeug geleistet und gehofft der puren Kinderei von Sehern und ihren Gläubigern einen Streich zu spielen, als ihr alter Freund Kaifash daherkam und behaupte, das Ding funktioniere tatsächlich.
Sie beschloß es bis zum Morgen unangetastet zu lassen.
Plötzlich stand sie vor ihrer Haustüre, sie wußte zwar nicht wie sie dort hingelangt war, aber so war es immer. Sie putzte sich die Zähne und legte sich schlafen.
Madame Knatsch hatte gerade ihr Frühstücksbrötchen mitsamt diesem neu erworbenem Kaffeeorakel zum kleinen runden Tisch auf die Veranda gestolpert, als die Katze mit einem gurrendem Geräusch neben ihr auf dem Stuhl landete.
"Na du, Möchtegern-Tiger , mewau, kannst nicht warten bis ich zu Ende frühstücke, mußt immer schneller sein als ich," mewau, "my light", seufzte Quandera, so hatte ihre Großmutter sie genannt, Quandera Palästine Knatsch.
Sie stand also nochmal auf, gab der Katze ihr Restchen Billigfutter und widmete sich wieder der Bedienungsanleitung des Kaffeeorakels.
Dieses war eigentlich ein Scherzartikel aus einem Spielzeugladen, ein befreundeter Seher hatte ihr allerdings verraten, daß es durchaus zu mehr nütze war.

Die eigentliche Kunst des Zeichendeutens.
Lautete die Überschrift der etwas lächerlich umrandeten Einleitung, die auf diesem Heftchen, immerhin bronzefarbene Mageritenblüten andeutete.
Die eigentliche Kunst des Zeichedeutens, wiederholte die erste Zeile die überschrift, besteht nicht etwa darin alles zu sehen, was die Figuren, Farben und Formen des Orakels beinhalten, sondern, darin, alles, was man gerne darin sehen möchte, wegzulassen, dann spricht das Orakel ein klare einfache Sprache.
So ein Schlaumeier, dachte Quandera, die schon einige Erfahrung im Orakeln hatte, und setze ihre Lesebrille auf um entspannter weiterlesen zu können.
Um ihre eigenen Wünsche nicht ständig in jede kleine Zufälligkeit ihrer Umgebung hinein zu interpretieren, braucht es allerdings eine gewisse Gelassenheit, die es ihnen ermöglicht, anhand der überall klar gezeichneten Hintergründe, die Absicht eines Orakels wahrzunehmen.
Es gibt drei Gruppen von Orakeln.
Die metamorphorischen Konsequenzen, also jene Einblicke, die ihnen erlauben die Weiterentwicklung einer Angelegenheit wahrzunehmen und vorauszuahnen.
Die Zukunftsvisionen, also Gedankenblitzlichter mit speziellen Informationen, nicht in der Entwicklung vorgesehener Tatbestände.
Und die persönlichen Karmakurven, also all jene Ereignisse, die aus ihren eigenen Taten ganz gleich welcher Entwicklungsepoche resultieren.
Bitte beachten sie, daß der Einblick, den ihnen das Orakel beschert, keinerlei Konsequenzen auf ihr Handeln hat, ausser sie verändern es, wobei sie auch die Gültigkeit des Orakels verändern, dann also die Wahrscheinlichkeit besteht, daß jedes, einmal offenbarte Orakel, bereits nicht mehr aktuell ist.
Das ist doch..., dachte Madame Knatsch, Kamillentee und Himbeerkompott, diese grüngesichtigen Blattläuse der Theorie, immer glauben sie ihrem eigenen Dünkel.

Die Struktur der Zukunft

Prof.Dr.Reichlich Freudlos war so nett uns seine wissenschaftlichen Arbeiten für dieses Heftchen zu leihen, sie können das Gesamtwerk in jeder gut ausgestatteten Bibliothek ausleihen, aber davon raten wir ab, denn es umfasst die gesammten Zweifel dieses altehrwürdigen Wissenschaftlers und nur wenige Anworten die unser Thema betreffen.
Die Zukunft ist einfach unglaublich, solange sie noch nicht eingetroffen ist, wenn dann aber alles passiert ist, haben wißbegierige Menschen schon seit langer Zeit versucht die im Nachhinein feststellbaren Ähnlichkeiten zusammenzufassen, und darin eine Struktur gesucht.
Beides, also die Unglaublichkeit der Zukunft und ihre im Nachhinein gesuchte Struktur entspringen jedoch derselben Unwissenheit über das Leben und seine Naturgesetze.
Darum haben die Seher aus alter Zeit ihrem eigenen Verständnis entsprechende Anzeichen gesucht und sind dabei auf eine immer zahlreicher werdende Ansammlung von Hinweisen gestoßen, die diesem Zweck sehr dienlich war, sie nannten es das Orakel.
Die wohl bekanntesten waren die viel zitierten Prophezeihungen einiger auserwählter Personen, die diese anhand von Traumbildern festhielten.
Keiner kann heute mit Gewißheit sagen, ob diese Traumbilder eine exakte Wiedergabe des Erlebnisses der Person waren, oder ob sie ihre Erlebnisse in diesen Bilder versteckten, damit sie nur von Personen verstanden werden kann, die eine gewisse Form von seelischer Reife haben, also eine Art Code den nur Eingeweihte entschlüsseln können.
Quandera nahm einen Schluck Tee, durchsuchte mit den Augen ihre nähere Umgebung und entdeckte einen im Gebüsch versteckten Spektakularis.
 

My Light, rief sie nach ihrer Katze, hast du keine Augen im Kopf, siehst du nicht, was für ein falscher Falter da im Gebüsch sitzt und auf seine Bestimmung wartet.
Die angesprochene hob verschlafen ihren Kopf und blickte in die angedeutete Richtung.
Als sie das beschriebene Objekt erblickte öffneten sich dieselben überraschend zu einer Anspannung, die einem unkundigen Beobachter Sekundenbruchteile vorher noch unmöglich erschienen wäre.
Quandera kannte ihre Katze, und wußte, diese hatte noch keinen Entschluß gefasst.
Der Falter blieb regungslos sitzen, ihre Katze auch.
Das Schillern des Falters veränderte nicht die Spur einer Farbe, die Augen ihrer Katze taten es ihm erstaunlich gleich und so passierte was passieren mußte, nämlich rein gar nichts, das heißt die einzigen aufgetregten Tiere waren ihre eigenen Augen, die in  rhythmischen Wanderungen angestrengt versuchten, keinen von beiden länger als eine Sekunde unbeobachtet zu lassen.
Als diese ihr dann langsam zu schmerzen begannen wegen des ungewohnten Bewegungstrainings, und weder die Katze noch der Falter Anstalten machten von einander Notiz zu nehmen, entspannte sie sich, nahm das Heftchen wieder zur Hand und las weiter.

Vorbereitende Übungen.
Schließen Sie die Augen, was sehen sie: ein Computerspiel, das Fernsehprogramm, das Gesicht ihrer großen Liebe, schauen sie es sich nicht an, es ist bedeutungslos.
öffnen sie die Augen, tun sie es jetzt das Gleiche nochmal, bemerken sie den Unterschied, nein, Mist, es hat wieder nicht funktioniert.
Also nochmal von vorn.
Bevor sie diese ihre Augen schließen, muß ich sie warnen, sie könnten begabter sein als sie glauben, und dann angerannt kommen, und Erklärungen verlangen.
Es waren ihre Augen. Ich habe nichts dazu getan.
Warum ich sie warne, damit, wenn sie sagen, sehen sie was mir passiert ist, ich wenigstens sagen kann, ich hätte sie gewarnt, denn ich weiß genauso wenig wie sie, was passieren wird. Deswegen wurde das Orakel ja erfunden.
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.10.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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