Irgendwann veränderte er sich. Was genau der Auslöser war konnte er
selbst nicht mehr klar sagen. Irgendwo zwischen Stress in der Arbeit
und Streitereien daheim, Sorgen ums Geld und einigen
Alltagskümmernissen wurde aus dem allabendlichen Bierchen das berühmte
Glas über den Durst. So gut, wie in dieser Nacht hatte er lange nicht
geschlafen! Als er am nächsten Morgen aufwachte hatte er ein merkwürdig
pelziges Gefühl im Mund. Widerwillig stieg er aus dem Bett und schlich
ins Wohnzimmer, um einen Schluck Wasser zu trinken. Mist, die letzte
Flasche war wieder einmal leer. Aber immerhin stand noch ein Bierchen
im Kühlschrank. Naja, es war Sonntag und er musste nicht arbeiten. Was
sollte es also schaden, wenn er statt Wasser ein Bier trinken würde?
Mit gierigen Schlucken leerte er die Flasche. Der schale Geschmack im
Mundwar weg und sigar die leichten Kopfschmerzen verflogen förmlich. Er
erinnerte sich gehört zu haben, dass man am Morgen nach einer
durchzechten Nacht am Beten das trinken sollte, mit dem man am Abend
aufgehört hatte. Klappte ja offenbar prima.
Ab diesem Moment trank er regelmässig. Anfangs nur abends, solange, bis
er merkte, dass er jetzt wunderbar schlafen würde. Das er dabei immer
mehr Alkohol brauchte merkte er nicht. Irgendwann war es soweit, dass
er schon früh bei der Arbeit Ärger und Stress prima im Griff hatte: ein
kräftiger Schluck und die Welt war wieder in Ordnung.
Kollegen bemerkten, dass er immer häufiger nach Alkohol roch. Sie
sprachen ihn darauf an, aber erlachte nur und erzählte ihnen, er nähme
schon lange Lutschpastillen, weil er durhcc überhöhte Magensäure
ständige Probleme habe. Später schob er den Geruch auf sein neues After
shave.
Seine Frau merkte am Deutlichsten die Veränderung. Es gab immer wieder
heftigen Steit wegen seines Trinkens. Den Ärger darüber spülte er weg.
Die Kinder litten unter den Spannungen zwischen den Eltern. Sie wurden
stiller und die schulischen Leistungen sanken drastisch ab.
Endlich reagierte der Arbeitgeber und drohte ihm mit Maßnahmen bis hin
zur Entlassung. Bereitwillig begab er sich ins Krankenhaus zur
Entgiftung und anschliessend in eine stationäre Therapie. Alle, Frau,
Kinder, Vorgesetzte und Kollegen und alle in der Familie schöpften
zaghaft Hoffnung. Umso mehr, als er nach fast 4 Monaten trocken und
sichtlich geläutert wieder daheim war.
Nie wieder würde er trinken, schwor er hoch und heilig.
Anfangs ging er auch regelmässig in eine Gruppe, um sich zu
stabilisieren, wie er sagte. Die Besuche in der Gruppenstunde wurden
seltener und hörten bald ganz auf.
Er hatte längst wieder angefangen zu trinken. Die Ehe war endgültig
gescheitert. Seine Frau hatte einfach keine Kraft mehr und reichte die
Scheidung ein. Er wohnte seit der Therapie möbliert. Eine nette, kleine
Wohnung. Die Kinder sah er regelmässig. Er ging arbeiten und seine
Sammlung an Ausreden, auf die Fahne angesprochen wuchs immer mehr an.
Eine weitere Entgiftung wurde angeregt. Er ging hin, kam trocken wieder und trank wenige Tage später wieder munter weiter.
Seine Freunde zogen sich immer mehr zurück. Er log jeden an, prahlte
mit nicht vorhandenen Highlights und sein ganzes Denke drehte sich nur
noch um das nächste Glas. Kollegen, die ihn ansprachen mied er fortan.
Dann hatte er Urlaub und alle hofften, das er diese Zeit nutzen würde
und etwas veränderrn würde. Er kam einfach nicht wieder arbeiten,
sondern zog sich in seine Wohnung zurück. Seine neuen Freunde fanden
ihn toll und er gefiel sich in der Rolle des jovialen, spendablen
Freundes, der immer zu einem Späßchen aufgelegt war und auch genug Geld
hatte um die eine oder andere Runde zu schmeissen. Seine neuen Freunde?
Aus den nette Leuten, auf deren Freundschaft er zu recht stolz gewesen
war war ihm niemand geblieben. Die neuen Freunde waren Trinker wie er.
Sie lebten von Stütze und trafen sich jeden Morgen am Bahnhof. Dort
standen sie beim Bier bis zum späten Abend. Er ging ja nicht mehr
arbeiten, hatte also alle Zeit der Welt.
Endlich reagierte der Arbeitgeber richtig. Man sprach ihm die Abmahnung
aus, stellte den Lohn ein. Etliche Wochen war er nicht zur Arbeit
erschiene, legte kein Attest vor.
Das Ordnungsamt versuchte ihn zwangseinzuweisen. Sie trafen ihn nicht
an. Eine liebe Freundin fuhr ihn dann ins Krankenhaus. Er wurde
entgiftet, fuhr in Therapie……..
Aus der endlosen Spirale wird er nicht heraus kommen. Ich weiss, dass
er, kaum wieder daheim weiter trinken wird. Natürlich ist in mir
die Hoffnung, dass er diesmal schafft, aber auch die untrügliche
Gewissheit, dass er wieder rückfällig wird.
Er ist nicht einmal in Eigenverantwortung ins Krankenhaus gegangen, immer nur unter Druck.
Die Verantwortung für sich selbst, seine Frau und die Kinder, aber auch
der alten Mutter gegenüber hat er abgelegt. Genauso, wie die
Selbstbestimmung eines erwachsenen Menschens. Die hat er an den Alkohol
übergeben. Ein Teufelskreis hält ihn gefangen, aus dem er nie, oder nur
mit sehr viel Kraft wieder heraus kommen kann.
Mitleid? Nein, ich kann kein Mitleid empfinden. Wut ist in mir. Wut für
das, was er der Familie antut. Ekel, wenn ich ihn vor mir sehe, wie er
trinkt. Wie er schon morgens früh eine Fahne hat.
Und trotz allem auch Mitleid. Irgendwo in mir ist Mitleid, weil ich ihn
lieb habe. Und da ist noch etwas anderes, was mich berührt: Trauer,
weil ich mit Sicherheit weiss, dass ich ihn bald ganz verlieren werde,
wenn er den Absprung aus diesem Teufelskreis nicht schafft.
Ich stehe hilflos daneben und sehe ohnmächtig zu, wie er immer weiter weg geht.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Angela Heise).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.10.2006.
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