Gaby Schumacher

Bärentraum (11.Teil)

Piri hastete dahin.
Sein Bobbycar stand nämlich nicht etwa in der Nähe des Schlosses geparkt, sondern tief im Feenwald direkt unter Piris Eulenhöhle. Bis er endlich dort ankam, hatte er noch eine weite Strecke zu fliegen.

Jenes Mini-Auto war Piris ganzer Stolz und damit es nicht geklaut werden konnte, hatte er es mit einem riesigen Fahrradschloss an seinem Baum gesichert. Den Schlüssel trug unser Eulenjunge stets bei sich, gut versteckt unter seiner schönsten Brustfeder. Da nämlich vermutete den niemand und dran kam da sowieso keiner.

Na, so ganz stimmte das nicht: Es gab ein einziges Wesen in seinem noch jungen Leben, dem er erlaubte, ihn dort zu krabbeln. Wer das war...? Piri war zwar noch recht jung, aber soo jung nun auch wieder nicht mehr – und das erste Mal verliebt. Wenn er sich daran erinnerte, wie er sie kennen gelernt hatte..., seuufz!


Es war vor ungefähr einem halben Jahr gewesen, mitten in einer warmen Sommernacht. Alles war still im Forst und schlief, nur die Eulen, Mäuse, Spinnen und Ratten huschten noch auf Nahrungssuche im Wald herum. Piri saß am Eingang seiner Höhle und grübelte:
„´Ne leckere Maus wäre jetzt eigentlich gar nicht schlecht. Huihwi, hab `ich Kohldampf!“

Der Mond meinte es gut mit ihm in dieser Nacht. Den sonst stockdunklen Wald tauchte er in ein fahles Licht, so dass den scharfen Eulenaugen so schnell nichts verborgen blieb.
„Da raschelt doch etwas und zwar ganz in meiner Nähe!“, krächzte Piri plötzlich höchst angespannt, jedoch vorsichtshalber nur ganz, ganz leise, damit das, was da gerade geraschelt hatte, ihn ja nicht bemerkte.

Im nächsten Moment erspähte er am Fuße des gegenüber stehenden Baumes eine kleine Maus, die mit ihren Vorderpfötchen fleißig einen Blätterhügel durchwühlte. Ihr Näschen zitterte ein wenig, so angeregt war sie da bei der Arbeit.
„Den Leckerbissen lass ich mir nicht entgehen!“, entschied Piri, breitete die Flügel aus und schoss wie ein Pfeil auf das kleine Tier zu.

Doch er war nicht die einzige Eule, die sich das kleine Mäuschen zum Abendbrot wünschte. Als er sein Opfer fast erreicht hatte, brauste es über seinem Kopf und dann direkt neben ihm. Erschrocken bremste unser Eulenjunge ab und landete auf dem weichen Waldboden. Gleichzeitig mit ihm landete da noch jemand. Jemand, der so ähnlich aussah wie er selbst.

Piri riss verblüfft seine riesigen Kulleraugen noch größer auf.
„W..wer bist denn du?“, quietschte er.
„Und d..du?“, quietschte das Etwas zurück.
Noch ein wenig schüchtern musterten sich die Beiden und stellten jeder für sich insgeheim fest:
„Eine Eule!!“

Die andere Eule war ein wenig kleiner als Piri, hatte fast schwarzes Gefieder und ganz dunkelbraune Kulleraugen mit langen Wimpern, in die Piri dann guckte und guckte und guckte... Er konnte damit überhaupt nicht mehr aufhören und sein Vogelherz klopfte plötzlich wie wild.

„Wie heißt du?“, brachte er so gerade noch flüsternd heraus.
Das war dann aber auch alles, so sehr hatte es ihm die Sprache verschlagen und das wiederum bedeutete für eine Eule schon wirklich allerhand.
„Lizzi!“, klimperte sein Gegenüber mit den Augen. Anscheinend erging es ihm nicht sehr viel anders als dem Eulenjungen.
„Ein Mädchen. Huihwi, ist die süß!“, dachte Piri. Noch mehr zu denken war nicht drin. Es hatte ihn gründlich erwischt. Es war Liebe aufs erste Flattern und den ersten Blick.
Doch dann erinnerte er sich seiner guten Erziehung und stellte sich vor:
„Ich bin Piri! Ich hab`dich noch nie gesehen. Woher kommst du? Wohnst du jetzt hier in der Nähe?“

Das waren zwei Fragen auf einmal. Die brauchten zwei Antworten und Lizzi dann ganz lange Zeit dafür. Die beiden Eulenkinder vergaßen ganz, weshalb sie eigentlich da auf dem Boden saßen im Gegensatz zu der kleinen Maus, die sie sehr wohl entdeckt und sich in Todesangst eiligst aus dem Staub gemacht hatte.
„Hoffentlich verliebt die nächste Eule, die mich sieht, sich auch!“, piepste sie noch im Wegrennen. Noch einmal davon gekommen, puuh!

Derweil erzählte Lizzi und erzählte und erzählte. Piri`s Blick hing gebannt an ihrem Schnabel.
„Ich bin ja auch nicht von hier...!“, hub sie an.
„Wie?“, warf Piri ein.
„Tja...“, sagte Lizzi verschämt, „ich bin nämlich aus einem Zoo entfolgen. Der Wärter hatte schrecklich viel Arbeit an dem Tag und aus Versehen die Tür meines Käfigs nicht verschlossen. Da ich es im Zoo sowieso furchtbar langweilig fand, hab` ich Reißaus genommen!“
„Du hast in einem Käfig leben müssen?“, fragte Piri mitleidig. Auch, wenn man da umsorgt würde, was war das denn gegen die Freiheit? Nichts.
„Es ist ja vorbei. Hach, ist das schön im Wald!“

Da stimmte Piri aus ganzem Herzen zu. Überhaupt gab er ihr meistens recht. Je länger sie miteinander quasselten, umso lieber mochte er sie und einem Mädchen, dass man mochte, gab man eben sehr oft recht. Aber doch besser nicht immer. Schließlich war er ja ein Mann, wenn auch noch ein sehr junger.

Piri seinerseits berichtete von seinem Leben mit der Fee und seinen Paradiesvogelfreunden aus dem Park. Lizzi hörte fasziniert zu.
„Darf ich da mal mit hin?“, bettelte sie.
„Schon wieder ein so Augenaufschlag!“, dachte Piri.

Lizzi hätte gar nicht bitten müssen. Piri war inzwischen dazu bereit, ihretwegen selbst auf die leckerste Maus der ganzen Welt zu verzichten. Hauptsache, seine süße Freundin litte keinen Hunger. Was störte es einen verliebten Eulenjungen denn, ob sein Magen knurrte?!

„Wo ist denn deine Höhle?“, wollte er jetzt noch wissen.
„Dahinten, wo dort die zwei Bäume so nah beieinander stehen!“, war die Auskunft.
Piri freute sich ein zweites Mal ganz doll. Sie wohnte also in seiner Nähe. Das hieß, sie könnten sich sehr oft sehen.
Wie schöön, er war nicht länger allein!!

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.10.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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