Florian Glatz

Die Bewerbungsmappe

Heute ist Stichtag. Heute läuft offiziell mein Studentenausweis aus, dass heißt, das schöne Leben ist entgültig vorbei. Ach ich kann es schon hören: "Gut, dass du endlich fertig bist mit deinem Studium und endlich was gescheites tust!" Oder:"Jetzt hat das Lotterleben endlich ein Ende!" Eigentlich war es schon eine ganze Zeit vorbei, nämlich schon seit fast fünf Monaten. Seit fast fünf Monaten versuche ich einen Job zu bekommen. Bin gerade bei der 65. Bewerbung angekommen und habe mein immerhin 8. Bewerbungsgespräch absolviert. Was in der heutigen Zeit eine beachtliche Quote ist, da die Wahrscheinlichkeit im Lotto den Jackpot zu knacken mittlerer weile größer ist, als eine geeignete Stelle zu finden. Mindestens 400 Bewerber auf einen freien Job. Das bedeutet, riesige Stapel Bewerbungsmappen auf den Tischen der Personalchefs der Firmen. Und es bedeutet außerdem, man muss schnell sein! Liegt deine Mappe irgendwo unterhalb der ersten hundert Mappen, dann kann dich nur noch ein Wunder oder eine super originelle Idee retten, in den Genuss des gelesen werdens zu gelangen. Ein Kollege von mir hat eine sich selbst aufblasende Bewerbungsmappe erfunden. Wird das Gewicht von ungefähr 80 Bewerbungsmappen überschritten, zündet seine Mappe eine kleine Pressluftdüse und bläst sich auf, was zur folge hat, das alle anderen über der Mappe herunterfallen und somit aus dem Rennen sind ( Laut Gebrauchsanweisung ). Er wurde zwar trotzdem nie zu einem Gespräch eingeladen, aber das ist nun auch egal, denn mittlerer Weile hat er seine Idee patentieren lassen und verdient mit seiner eigenen Firma einen riesen Haufen Geld. Ich habe auch von Leuten gehört, die ihre Mappen mit einem besonderen Duft versehen haben sollen. Ich halte ja spätestens seit ich vom Nachbarshund gebissen wurde, als ich meine parfümierte Mappe zum Briefkasten bringen wollte, nichts mehr von dieser Idee. Besonders auffallende Farben sollen angeblich auch eine recht gute Wirkung haben. Ein richtig fies leuchtendes Gelb oder Pink, würde besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Diese Möglichkeit verhalf mir zumindest einmal zu einem Vorstellungsgespräch, bei dem ich nach ca. zwei Minuten mit schnellen Schritten reiß aus nahm, nachdem der Personalmensch meine neonpinke Mappe in Händen haltend, mich mit einem Grinsen im Gesicht zu sich nach Hause einlud um dort das Gespräch unter vier Augen zu ende zu führen. Eine ganz besonders wundervolle Idee ist auch, die Mappe in einen mit Gas gefüllten Luftballon zu stecken. Sieht ganz toll aus, besonders, wenn man mit dem Luftballon in der Hand vor der Sekretärin der Personalabteilung steht, nervös wird und aus versehen den Ballon loslässt, weil man nach einen Taschentuch greift, um sich die Schweißperlen abzuwischen. Das Büro ist natürlich in einem hyper modernem Bürobau, was erstens viel Glas und zweitens sieben Meter hohe Räume bedeutet. Zweimal habe ich mich schon zum Affen gemacht, als ich hüpfend und springend auf einem Tisch und zwei Stühlen versucht habe meinen Ballon wieder einzufangen. Nie wieder! Dann lieber doch die einfache altmodische Methode der langweilen Bewerbungsmappe. Alles normal reintun, eintüteln, abschicken und warten. Warten auf eine Antwort. Das Warten auf eine Antwort ist fast genauso schlimm, wie das warten im Vorzimmer vor einem Vorstellungsgespräch. Ich kenne meinen Briefträger nun schon sehr gut. Und er mich. Das Schleichen zum Briefkasten, das langsame Öffnen des selben – und – reinschauen mit der bangen Frage: Großer Brief – Enttäuschung, oder kleiner Brief – Hoffnung! Und immer wieder diese wunderbaren, literarisch unglaublichen und stilistisch einzigartigen kleinen Kunstwerke von Absageformulierungen. Sehr geehrter Herr XY, wir waren unglaublich und zu tiefst beeindruckt von ihren Unterlagen und würden sie sofort einstellen, wenn da nicht noch jemand noch unglaublicher und noch tiefer beeindruckender wäre als sie..., oder sie wären für unser Unternehmen sicherlich eine Bereicherung aber diese Stelle ist leider schon besetzt. Schön ist auch meistens die Schlussfloskel, wir sind uns sicher, dass sie mit ihren Kenntnissen nicht lange auf eine Stelle warten müssen und bedauern zu tiefst ihnen keinen Platz in unserem Unternehmen anbieten zu können, und so weiter. Es ist schon manchmal frustrierend, aber was solls. Denke, ich mach mich auch selbstständig. Als Berater. Als kreativ Berater für Arbeitssuchende mit Bewerbungsmappen und dann schicke ich sie los die Ahnungslosen, mit parfümierten Mappen und pinken Mappen und Mappen in  Luftballons.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.10.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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