Gaby Schumacher

Bärentraum (12. Teil)



Von da an unternahmen sie fast jeden Tag gemeinsame Flatterausflüge, jagten Nagetiere und zupften sich, während sie eng aneinander geschmiegt den Mond anträumten, kurz vorm Schlafengehen vor lauter Zuneigung gegenseitig Nackenfedern aus. Das ziepte manchmal richtig feste, aber das war den Beiden total egal. So sehr mochten sie sich.

Vor ein paar Tagen war dann etwas Tolles passiert.
Piri kehrte hungrig, erschöpft und traurig, da ohne Erfolg, von der Mäusejagd zurück. Ja, jenes kleine Ding war zu schlau gewesen, hatte blitzschnell Haken geschlagen wie ein Hase und sich in einem Erdloch versteckt.
„Die kommt da bestimmt nicht raus. Da kann ich warten, bis ich schwarz werde. Pech gehabt!“

Sauer flog er zu seiner Höhle zurück. Dort eingetroffen, wurde er gleich noch saurer. Er ordnete gerade sein vom Fliegen arg zerzaustes Federkleid, da hupte ihm sein Bobbycar keck entgegen:
„Wie, schon wieder zurück, ist wohl schief gegangen, nicht?!“
„Boxy, halt bloß die Tröte!“, rügte ihn Piri beleidigt.
Spott vertrug er jetzt wahrlich nicht, schon gar nicht die Hänselei dieses Mini- Autos.
„Bin ja schon still!“, lenkte Boxy fix ein.

Schließlich war er auf Piri angewiesen. Wer fütterte ihn wohl sonst mit dem köstlichen Himmelsbenzin? Na ja, vielleicht Lumi, aber so ganz sicher war er sich da nicht.
„Übrigens, während du auf der Jagd warst, hattest du Besuch!“, brummte er betont sanft.
Dabei versuchte er seine winzige Stoßstange zum Grinsen zu kräuseln. Mist, die saß einfach zu fest. Zum Ersatz blitzte er ein paar Mal kurz hintereinander mit seinen Scheinwerfern. Das war doch auch schon was.

„Besuch?“
Piri war platt. Ihm war die Überraschung anzusehen. Aufgeregt hopste er vom Eingang der Höhle auf den nächst bequemen Ast des Baumes näher zum Bobbycar und starrte seinen Boxy von oben ungläubig an.
„Ja, und der hat dir sogar etwas mitgebracht...!“
Boxy genoss es, Piri zur Strafe für das „Tröte halten“ ein wenig zappeln zu lassen.

„Huihwi!“, rutschte es Piri heraus. Er wollte endlich wissen, was los gewesen war.
„Wer...?“, fing er an.
Doch Boxy war schon wieder mutiger geworden und gab ihm eins über den Schnabel:
„Nix da. Guck doch nach!“

Danach hüllte sich dieser Bengel wieder in Schweigen und spielte erneut das ganz brave Autochen. Treuherziger Miene stand es dort, als ob es doch wirklich niemals wagte, seinem jungen Herrn gegenüber etwa keck aufzutreten.
Auffällig langsam setzte Kralle vor Kralle setzend, stelzte Piri auf seine Höhle zu.
„Boxy geht` s nichts an, wie neugierig ich auf mein Geschenk bin!“, sagte er sich.

Gottlob waren es nur noch wenige Trippelschritte und er verschwand in seiner gemütlichen Eulenwohnung. Deren Wände waren mit einer schicken Laubtapete geschmückt und den Boden hatte er mit einem weichen, rotgelben Blätterteppich hübsch ausgelegt. An der linken Seitenwand stand ein aus Stöckchen gezimmerter, niedriger Tisch und auf dem lag...

Ein blütenweißes Briefchen entdeckte er dort. Vorne stand in großen, sorgsam gemalten Buchstaben:
„Für meinen Piri“
Rasch wendete er den Umschlag. Da las er:
„Von seiner Lizzi“
Aufgeregt öffnete Piri das Briefchen. Ein feuerrotes Kastanienblatt fiel ihm entgegen. Mit etwas Spucke hatte Lizzi zwei schmale Stöckchen darauf geklebt, deren obere Enden sich berührten.

Piri schaute auf die Stöckchen, dann wieder auf das rote Blatt, nochmals auf die Stöckchen. Plötzlich fiel ein Tropfen auf das Blatt. Ja, Piri weinte und der Tropfen war eine Träne. Die hatte unser Eulenjunge da nicht zurückhalten können. Weshalb denn bloß?

Wisst Ihr, manchmal weint man auch, wenn man glücklich ist und Piri war da sögar überglücklich. Da er ja ein kluger Eulenjunge war, hatte er doch die Nachricht seiner Lizzi sofort verstanden. Die beiden Stöckchen, die da so eng zusammen waren, sollten Lizzi und er sein und seine kleine Freundin sagte ihm damit:
„Ich hab dich lieb und möchte mit dir zusammensein!“

Nachdem Piri das Kastanienblatt wieder und wieder betrachtet hatte, suchte er sich einen besonders schönen Platz aus, an dem er es aufbewahren wollte.
„Das hänge ich mir oben ans Kopfende meines Bettes. Dann habe ich bestimmt immer schöne Träume!“

Sprach`s, steckte das schöne Kastanienblatt zurück in den Umschlag und bohrte mit dem Schnabel vorsichtig an dessen oberen Rand in der Mitte ein klitzekleines Loch. Dadurch schob er den Stiel eines aus seiner Laubtapete vorwitzig heraus guckenden Blattes und knickte ihn an seinem Ende ein wenig nach oben. So hatte er sogar einen richtigen Bilderhaken. An dem baumelte dann, bereits vom Eingang seiner Höhle aus sichtbar, dieser wichtigste aller Schätze.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.11.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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