Evelyn Frei

Der Stern von Bethlehem


 
Nachdem der liebe Gott den Himmel, die Erde, und die Menschen geschaffen hatte, setzte er sich  müde von der vollbrachten Arbeit auf seinen himmlischen Thron und besah sich sein Werk.“ Eigentlich müßte ich zufrieden sein“, überlegte er, “die Erde ist fruchtbar und von Menschen verschiedener Rassen bevölkert, am Tage scheint die Sonne und gibt den Menschen Wärme und Licht, in der Nacht spendet der Mond seinen hellen Schein und leitet die Wanderer auf dem rechten Pfad.“
Eigentlich war alles war schön und gut, doch etwas fehlte, denn in  manchen Nächten wurde der Schein des Mondes trüb und sein sonst so helles Licht verblaßte fast ganz. In diesen Nächten traute sich kein Mensch sein Heim zu verlassen aus Angst sich in diesen dunklen Nächten zu verirren.
 
„So kann das nicht bleiben", überlegte der liebe Gott, „irgendetwas ist bei meiner Planung schiefgelaufen.“ Der Engel der an seiner Seite saß, meldete sich schüchtern zu Wort: “Herr, erinnere dich, bei der Schaffung anderen Welten hast du kleine glitzernde Punkte am Himmel verteilt. Diesmal hast du diese Dinger anscheinend vergessen!“ Der liebe Gott verbesserte ihn milde: “ Diese Dinger, die du meinst, sind Sterne, aber du hast recht, ich habe sie  wirklich übersehen, aber das werden wir gleich haben.“
 
Und so erschuf der Herrgott in aller Eile ein paar tausend Sterne. Manchen gab er Namen, andere bekamen bestimmte Aufgaben wie zum Beispiel der Nordstern, der den Seefahrern auch in dunkelster Nacht immer den rechten Weg zeigt.
 
Alle Sterne wußten was sie zu tun hatten - alle bis auf einen. Es war ein noch sehr junger Stern und ein wenig übermütig. Statt wie alle anderen an seinem Platz am Himmel zu bleiben, hatte er stets nur Unsinn im Kopf. Er sauste durch die Milchstraße und brachte die Spiralnebel so durcheinander, daß der liebe Gott alle Hände voll zu tun hatte sie wieder zu entwirren. Wenn alle anderen sich zu Sternbildern aneinander reihten, setze er sich prinzipiell an die falsche Stelle und auf der Erde wurde tagelang  gerätselt, welchen Namen dieses Sternbild denn bekommen sollte. Sogar der sonst so kühle Mond beschwerte sich hitzig über diesen vorwitzigen Stern, der seinen Kopf umschwirrte und ihn ganz nervös machte. Bald gab es im ganzen Universum niemanden mehr der den kleinen Stern nicht kannte und die Liste der Beschwerden war länger als der Bart Gottes.
 
„So kann das nicht weitergehen" sprach der liebe Gott "schafft mir den Übeltäter herbei!" Der kleine Stern stand zerknirscht vor seinem Herrn und mußte sich eine gehörige Moralpredigt anhören. “Wenn das so weitergeht mit dir und sich alle über dich beschweren, werde ich dich in den letzten Zipfel des Universums verbannen. Dort kannst du dann Unsinn machen, soviel du willst, dort bist du ganz allein und kannst niemand mit deinen seltsamen Späßen ärgern". Der kleine Stern war ganz bedrückt und versuchte sich die Rüge zu Herzen zu nehmen, denn der letzte Zipfel des Universums war sicher nicht der ideale Aufenthaltsort für einen so lebhaften Stern.
 
Einige Zeit verging und  es schien, als hätte sich der kleine Stern wirklich gebessert.
Der Mond konnte ohne Störung den Himmel beleuchten, die Sternbilder sahen so aus wie es sich gehörte und auch die Spiralnebel hatten sich beruhigt. Alle waren zufrieden - alle bis auf den kleinen Stern. Er hing an seinem Platz  am Himmel und langweilte sich  fürchterlich. “Das kann doch nicht mein Leben sein“, maulte er, “bis ans Ende meiner Tage hier rumzuhängen und nichts zu tun außer vor mich hinzuleuchten, das halte ich nicht aus!"
 
Heimlich schlich er sich von seinem Platz und  flitzte schnurstracks  in  die Sternenschule,  in der die jüngeren Sterne saßen und lernten wie sich ein pflichtbewußter Stern benehmen soll. Die Lehrerin erklärte gerade wie man sich zu einem Sternbild gruppierte und der kleine Stern setzte sich auf den Kasten und spähte vorsichtig über den Rand, um auch alles mitzubekommen. Bei den Sternbildern hatte er ohnehin nicht aufgepaßt, und ein wenig zuhören konnte gewiß nicht schaden.
In seinem Eifer lehnte er sich zu weit vor, verlor das Gleichgewicht und landete genau auf dem Tisch der Lehrerin. Das Tintenfaß , daß zugegebener Maßen etwas unglücklich am Rand des Tisches stand, fiel mit lautem Krachen zu Boden, zerbrach, und verspritzte seinen ganzen Inhalt über die Schulbücher der kleinen Sterne. Erschreckt sprangen sie auf, warfen dabei Tische und Sessel um und das Chaos war perfekt.
 
Bevor der entsetzte kleine Stern es sich versah, packte in die Lehrerin am Ohr und schleppte ihn zornbebend vor den lieben Gott. Die Mine des Herrgotts verhieß nichts Gutes. „Ich habe dich gewarnt“, donnerte er, “wenn du nicht hören kannst, dann mußt du eben fühlen. Noch heute Nacht machst du dich auf den Weg zum anderen Ende des Universums und bleibst dort, bis du dich gebessert hast!" Der kleine Stern weinte bitterlich und flehte den lieben Gott an ihm doch noch einmal  zu vergeben, er gelobe sich zu bessern und niemanden mehr zu ärgern. Schließlich ließ sich der liebe Gott erweichen und sprach:
 
“Gut, ich will dir noch eine Chance geben. Wenn du auf Erden jemanden findest der in Not ist und dem du helfen kannst, werde ich es mir noch einmal überlegen. Bedenke aber, daß ist das letzte Mal.“
 
Voller Tatendrang machte sich der kleine Stern auf den Weg zur Erde. “Menschen die mich brauchen werden wohl leicht zu finden sein“, dachte er sich „einen so hellen Stern wie mich braucht doch wohl jeder. Das ist eine leichte Aufgabe“ Doch wohin sich der Stern auch wandte, wie viele Länder er auch durchreiste, er fand  niemanden der seine Hilfe  notwendig hatte. Traurig und müde von der langen Suche setzte er sich schließlich auf  einen großen Stein, der mitten in der Wüste stand, und schluchzte vor sich hin. “Bin ich denn wirklich so unnütz, daß mich niemand auf der ganzen Welt brauchen kann? Vielleicht hat der liebe Gott ja doch recht, ich kann nur Unsinn anstellen, und wer will schon einen unsinnigen Stern?“
 
Als er so da saß und sein schlimmes Schicksal beweinte, hörte er plötzlich ein Geräusch. Blitzschnell verschwand er hinter dem großen Stein und lugte vorsichtig hervor.  Drei Männer, seltsam gekleidet und bepackt mit reichen Gaben, näherten sich ihm aus der Wüste. “Pah, der Weg wird leicht zu finden sein! Warum haben wir nur auf dich gehört Kaspar!! Wenn ich daran denke, daß wir nun schon seit zwei Tagen in dieser öden Wüste herumschleichen, könnte ich verrückt werden. Wenn wir so weitermachen, werden wir den Heiland erst finden, wenn er schon erwachsen ist." “Hör doch auf ständig zu maulen“, ließ sich ein anderer vernehmen, “dein ständiges Gejammer bringt uns auch nicht weiter. Was wir brauchen ist ein Führer, der uns den Weg weist.“
 
Den Weg weist - daß war das Stichwort für den kleinen Stern! Er rieb seinen Schweif bis, er glänzte, putze sein Gesichtchen bis es strahlte und  kam würdevoll  hinter dem Stein zum Vorschein. Das heißt, er versuchte würdevoll zu sein. Er war so aufgeregt, daß  er  vor lauter Nervosität hektisch zu flackern begann. „Sieh doch Balthasar“ sagte  der große dunkle Mann namens Melchior „dieser hell strahlende Stern, ist vielleicht das Zeichen Gottes, auf das wir so lange gewartet haben“. "Ich würde zwar nicht sagen, daß dieser Stern hell strahlt, hektisch wäre eher das Wort dafür, aber vielleicht hast du ja recht“, meinte Balthasar.
 
Nach kurzer Beratung entschlossen sich die heiligen drei Könige, denn niemand Geringerer wandelte hier durch die Wüste, der seltsamen Erscheinung zu folgen. „Wenn ich nur wüßte, wohin die Drei eigentlich wollen, würde ich mir leichter tun“, überlegte der kleine Stern. “Ich werde einfach nur würdevoll vor mich hinfliegen und auf ihre Gespräche lauschen, vielleicht erfahre ich dann ihr Ziel“
 
Im Zickzack Kurs ging es nun quer durch die nächtliche Wüste, und nach einiger Zeit begannen sich die heiligen Drei nun doch Sorgen zu machen. “Der Herr hat ja manchmal seltsame Wege um sein Ziel zu erreichen“ gab Kasper zu bedenken „aber das dieser Irrweg nach Betlehem führt, kann ich kaum glauben.“ „Betlehem", jubelte der kleinen Stern „das nenne ich Glück, den Weg nach Betlehem kenne ich in und auswendig!!!! Es hat sich ja doch gelohnt in der Sternkunde etwas aufzupassen!“
 
Und so geschah es, daß die heiligen drei Könige von einem Stern, der ihnen hell leuchtend den Weg zeigte, zu Jesus, dem Sohn Gottes, geführt wurden. Als sie den kleinen Stall in dem Jesus geboren war endlich erreichten, war der kleine Stern vom hellen Strahlen sehr müde, ließ sich auf dem Dach der kleinen Hütte nieder und schlief ein. Doch Sterne leuchten, auch wenn sie schlafen, und so sahen viele Menschen und Tiere das helle Zeichen am Himmel und strömten herbei um das Wunder zu bestaunen und den Heiland zu preisen. Durch eine leichte Berührung an seinem Schweif wurde der Stern plötzlich aus dem Schlaf geschreckt. “Ich wußte ja, daß viel Gutes in dir steckt“, hörte der kleine Stern die Stimme Gottes sagen, “man mußte dir nur die Möglichkeit geben dich zu beweisen. Wenn du möchtest, kannst du jetzt wieder den Platz zwischen deinen Brüdern und Schwestern einnehmen, du hast ihnen schon sehr gefehlt.“ Der kleine Stern warf noch einen letzten Blick auf das schlafende Jesuskind und entschwand an der Seite des Herrn in den Himmel.
 

 
Seit dieser Zeit war der Stern viel ruhiger und ordentlicher geworden. Nur manchmal, wenn der heilige Abend näher rückte, wurde er wieder so übermütig wie früher und zischte zu dem großen Stein in der Wüste, wo sein Glück begonnen hatte. Aber manchmal etwas übermütig sein hat ja noch keinem geschadet, oder?
 

 
©by Evelyn Frei
 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Evelyn Frei).
Der Beitrag wurde von Evelyn Frei auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.11.2006. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Evelyn Frei als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Darf es noch etwas weniger sein? von Thomas M. Kupfer



In diesem Buch werden einige grundlegende Fragen geklärt, die sich ganz von selbst beim Lesen ergeben werden. Welche Fragen? Im Laufe der Zeit ist bei dem einen oder anderen vor lauter Alltagsstress die eigentliche Form des menschlichen Daseins in der Tiefe versunken. Ursache dafür ist einerseits das kleinere oder größere Missverständnis, dass man so viele Verpflichtungen in seinem Leben eingegangen ist und man deswegen annehmen könnte, man hätte keine Zeit mehr, um zu seiner inneren Ruhe und Ausgeglichenheit zu finden. Andererseits führen alltägliche Zusammenhänge dazu, die Bedeutung vom Leben und Wirken als eher gering anzusehen. Zweifellos spiegeln sich Ihr Leben und Ihre gegenwärtigen Interessen im Hier und Heute wider, aber ist das schon alles? Ist das das wirkliche Leben? Man macht tagaus, tagein seinen Job. Man geht ins Bett, man steht wieder auf. Man hat vielleicht am Wochenende frei (sehr schön das Ganze), aber wo sind der Mut, die Weisheit und die Einsicht geblieben, die Ihnen Begegnungen mit Harmonie, Glück und innere Zufriedenheit bescheren können? Im Kern der Sache kreisen alle Überlegungen um die Frage, in welchem Zustand sich das eigene Leben heute befindet. Wie kann man etwas daran ändern? Wie kann man sich einen neuen Platz in seinem Leben einräumen, einen lebenswerten Platz?

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Weihnachten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Evelyn Frei

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Erkennen von Evelyn Frei (Briefe)
DER SILBERNE ENGEL von Christine Wolny (Weihnachten)
Pilgertour I. von Rüdiger Nazar (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen